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Umwelt

Neues Müllzeitalter hat begonnen

Deponierung unbehandelter Abfälle ab jetzt verboten

Am 1. Juni 2005 geht in Deutschland die Ablagerung unbehandelter Siedlungsabfälle in Mülldeponien unwiderruflich zu Ende. Bei der nun gesetzlich vorgeschriebenen Vorbehandlung der Abfälle – sei es in Müllverbrennungsanlagen oder mechanisch-biologischen Anlagen – werden organische Stoffe und Schadstoffe abgebaut oder zerstört, anorganische Schadstoffe abgeschieden oder auslaugsicher eingebunden.

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Dies verhindert, dass sich zukünftig durch Reaktionen der Abfälle in Deponien schadstoffbelastetes Sickerwasser und klimawirksames Deponiegas bilden und die Umwelt schädigen. Damit leistet die Abfallwirtschaft nach Ansicht des Bundesumweltministeriums einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz. Deponiegas enthält zu einem hohen Anteil Methan, einen Klimakiller mit einer 21-fachen stärkeren Wirkung als Kohlendioxid (CO2).

„Heute endet das Vergraben und Vergessen von Abfällen in Deponien, das den nachfolgenden Generationen zahllose Altlasten beschert hat. Dieser grundlegende Wandel ist ein Meilenstein im Umweltschutz, vergleichbar mit der breiten Einführung des geregelten Katalysators für Autos oder der Großfeuerungsanlagenverordnung für Kraftwerke“, so Bundesumweltminister Jürgen Trittin auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit den Dachverbänden der deutschen Abfallwirtschaft in Leipzig. Gestern liefen die Übergangsfristen der seit 2001 geltenden Abfallablagerungsverordnung ab.

120 Anlagen zur Behandlung von Restabfällen

Zur fristgerechten Umsetzung der Ablagerungsverordnung wurden in Deutschland in den vergangenen Jahren zahlreiche neue Behandlungsanlagen errichtet und bestehende modernisiert. Rund zehn Milliarden Euro wurden von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern und der privaten Entsorgungswirtschaft investiert, rund 15.000 Dauerarbeitsplätze neu geschaffen. In über 120 Anlagen werden zukünftig Restabfälle mit modernsten Techniken auf einem hohen Umweltschutzniveau behandelt. Dabei werden verwertbaren Stoffe abgetrennt und die in den Abfällen steckende Energie genutzt. Lediglich ein geringer Teil von maximal 30 Prozent, der nicht verwertbar ist, muss noch auf technisch gut ausgestatteten Deponien abgelagert werden. Schlechte Deponien werden schrittweise bis 2009 geschlossen.

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Mit der bundesweiten Beendigung der Ablagerung unbehandelter Siedlungsabfälle nimmt die deutsche Abfallwirtschaft in Europa neben Österreich, Dänemark und den Niederlanden eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung der EG-Deponierichtlinie ein. Jürgen Trittin: „Andere Staaten – innerhalb und außerhalb der Europäischen Union – stehen vor massiven noch ungelösten Abfallproblemen. Hier liegt eine große Chance für den Export fortschrittlicher deutscher Umwelttechnik. Insofern trägt die Umsetzung der Abfallablagerungsverordnung auch zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland bei.“

Gestern Vormittag hatte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Margareta Wolf, die größte Anlage zur mechanisch-biologischen Restabfallbehandlung in Deutschland in Betrieb genommen. In der Anlage, die sich auf dem Gelände der Zentraldeponie Cröbern bei Leipzig befindet, können jährlich bis zu 300.000 Tonnen Hausmüll, Sperrmüll und Gewerbeabfälle aus Leipzig und fünf weiteren umliegenden sächsischen Landkreisen mechanisch aufbereitet und biologisch stabilisiert werden. Dabei werden rund 135.000 Tonnen heizwertreiche Abfälle zur energetischen Verwertung sowie 32.000 Tonnen Holz und Metalle zur stofflichen Verwertung gewonnen. Nur etwa ein Drittel der angelieferten Abfälle werden nach einem 13-wöchigen Rotteprozess auf der Zentraldeponie abgelagert.

NABU warnt vor Schlupflöchern

Der Naturschutzbund NABU hat das Verbot der Deponierung unbehandelter Abfälle in Deutschland grundsätzlich begrüßt, gleichzeitig aber vor Missbrauch in der Praxis gewarnt. „Alle denkbaren Schlupflöcher zur Umgehung dieser Regelung müssen konsequent gestopft werden“, forderte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Die Ablagerung unbehandelter Abfälle sei hochgradig klimaschädlich.

„Die dabei entstehenden Methangase haben erheblichen Anteil am Klimawandel. Sie sind etwa 21-mal so schädlich wie Kohlendioxid“, betonte Tschimpke. Die Behandlung von Abfällen vor ihrer Deponierung reduziere diese Methanbelastung und sei daher eine wesentliche Voraussetzung für eine klimaverträgliche Abfallwirtschaft. Allerdings sei unklar, ob überhaupt ausreichende Kapazitäten für die Vorbehandlung der zu erwartenden Müllmengen zur Verfügung stünden.

Nach Schätzungen von Experten fehlten derzeit Behandlungsanlagen für Abfälle bis zu sieben Millionen Tonnen. Nach Ansicht des NABU besteht die Gefahr, dass das Gebot der Vorbehandlung umgangen wird, da eine regelgerechte Vorbehandlung in speziellen Anlagen teurer ist als eine einfache Deponierung. „Die Palette der Möglichkeiten reicht von der illegalen Umdeklarierung der Abfälle für den Export und die Deponierung im Ausland bis hin zur Vermischung von Abfällen aus der mechanisch-biologischen Behandlung und nicht vorbehandelten Siedlungsabfällen“, so Tschimpke.

Besonders problematisch sind nach Einschätzung des NABU die so genannten Zwischenlager. Für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren können für nicht vorbehandelte Abfälle — diese sollen dann zu einem späteren Zeitpunkt behandelt werden — auf Deponien Zwischenlager eingerichtet werden. Bisher wurden bereits 22 solcher Lager genehmigt. „Es ist zu befürchten, dass darauf spekuliert wird, dass sich nach drei Jahren keiner mehr an den dort gelagerten Müll erinnert“, kritisierte Tschimpke. Der Klimaschutzgedanke der Regelung werde damit unterlaufen.

Daher müssten die Länder dafür Sorge tragen, dass die Vorbehandlung von Abfällen eingehalten und die Umgehung der Maßnahmen unmöglich werde — notfalls auch unter Anwendung strafrechtlicher Mittel. „Die Verantwortlichen hatten schließlich Zeit genug, sich auf die Rechtslage einzustellen“, so Tschimpke.

(BMU, NABU, 01.06.2005 – DLO)

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