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Geowissen

Neue Art hydrothermaler Schlote entdeckt

Schwarze Raucher mit tiefen, heißen Wurzeln stehen abseits des mittelozeanischen Rückens

hydrothermaler Schlot
Temperaturmessung an einem der neu entdeckten hydrothermalen Schlote am East Pacific Rise. © Woods Hole Oceanographic Institution, National Deep Submergence Facility, Jason team, WHOI-MISO Facility, NSF

Überraschender Fund: In der Tiefsee des Ostpazifiks haben Forschende eine neue Art hydrothermaler Schlote entdeckt. Das riesige Feld unterseeischer Schwarzer Raucher liegt nicht direkt am mittelozeanischen Rücken, sondern abseits davon. Ihre Flüssigkeit ist zudem besonders heiß und stammt aus größerer Tiefe als bei den bisher bekannten Vents dieser Region. Damit könnte dieses YBW-Sentry getaufte hydrothermale Feld einen ganz neuen Typ solcher Schlote darstellen, wie das Team berichtet.

Hydrothermale Schlote sind Geysire am Meeresgrund: Aus ihnen quillt heiße, mineralreiche Flüssigkeit, die im Untergrund vom heißen Magma unterseeischer Vulkangebieten aufgeheizt wurde. Typischerweise kommen solche Schwarzen Raucher daher an den Hängen von Unterseevulkanen oder an mittelozeanischen Rücken vor. Die hydrothermalen Felder bilden dort oft Oasen des Lebens in der sonst eher kargen Tiefsee.

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Die bis zu zehn Meter hohen Schlote ähneln verzweigten Kerzenleuchtern. © Woods Hole Oceanographic Institution, National Deep Submergence Facility, Jason team, WHOI-MISO Facility, NSF

Entdeckung abseits des Rückens

Einen ganz neuen Typ von hydrothermalen Schloten haben nun Jill McDermott von der Lehigh University in Pennsylvania und ihre Kollegen entdeckt. Für ihre Studie hatten sie die Umgebung des sogenannten East Pacific Rise (EPR) erforscht, einen rund 320 Kilometer von der Küste Mexikos liegenden Abschnitt des mittelozeanischen Rückens im Pazifik. „Die hydrothermalen Felder an diesem Rücken wurden bisher immer nur am Grund des zentralen Grabens oder an seinen steilen Wänden gefunden“, erklären die Forschenden.

Umso überraschter war das Team, als 750 Meter östlich des mittelozeanischen Rückens plötzlich ebenfalls hydrothermale Schlote vor den Kameras ihres Tauchroboters auftauchten. Auf einer Fläche von gut 5.500 Quadratmetern ragten bis zu zehn Meter hohe, Kandelaber-ähnliche Schlote aus dem in mehr als 2.550 Meter Tiefe liegenden Meeresgrund. Das Feld erstreckt sich über 160 Meter Länge und 60 Meter Breite und ist damit doppelt so groß wie alle bisher direkt am East Pacific Rise bekannten hydrothermalen Felder.

Unerwartet heiß und aktiv

„Als wir dieses abgelegene Feld hoher Türme entdeckten, nahmen wir zunächst an, dass es sich um ältere vulkanische Schlote oder lange inaktive hydrothermale Vents handeln müsste“, sagt Koautor Ross Parnell-Turner von der Scripps Institution of Oceanography in Kalifornien. Denn gängiger Ansicht nach ist nur direkt am mittelozeanischen Rücken oder an Vulkanen genügend Hitze im Untergrund, um solche unterseeischen Geysire zu speisen.

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Doch nähere Untersuchungen und Proben direkt von den Öffnungen der hochaufragenden Gebilde enthüllten, dass diese Schlote noch aktiv sind. Die aufsteigende Flüssigkeit ist heiß, sauer und enthielt reichlich gelöste Metalle wie Eisen, Magnesium, Kalium oder Lithium. Überraschend ist dabei vor allem die hohe Temperatur: „Die geschätzte Bildungstemperatur liegt bei 437 Grad. Das ist höher als bei jedem bekannten EPR-Schlot, den wir in den letzten 30 Jahren direkt in der Achse des Rückens gefunden haben“, konstatieren die Forschenden.

Koautor Daniel Fornari von der Woods Hole Oceanographic Institution ergänzt: „Wir waren erstaunt, dass dieses Feld nicht nur sehr aktiv war, sondern auch noch ausgedehnter und von der Ausgangstemperatur her heißer als jedes anderer hydrothermale Feld in diesem Teil des East Pacific Rise.“

Lage
Lage des YBW-Sentry-Felds. © McDermott et al./ PNAS, CC-by-nc-nd 4.0

Neuer Typ von hydrothermalen Feldern

Nach Ansicht der Wissenschaftler stellt das YBW-Sentry getaufte Feld damit einen ganz neuen Typ solcher hydrothermalen Phänomene dar. „Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass die permeablen Strukturen, die die Flüssigkeitsströme von YBW-Sentry kontrollieren, sich fundamental von denen im axialen Graben unterscheiden“, schreiben McDermott und ihr Team. Demnach wurde das heiße Wasser dieser Schlote nur 160 Meter über einer Magmakammer im Untergrund aufgeheizt – seine Wurzeln reichen damit viel tiefer als die der „normalen“ Schwarzen Raucher.

Anders als die Schlote direkt am mittelozeanischen Rücken verdanken die hydrothermalen Vents des YBW-Sentry ihre „Heizung“ offenbar nicht dem Rücken selbst, sondern einer nahegelegenen tektonischen Verwerfung, die parallel zum Rücken verläuft. Dieser Riss in der Kruste erlaubt es dem Meerwasser, tief in den Untergrund einzudringen und sich dann über den tiefliegenden Magmareservoiren aufzuheizen, wie das Team erklärt.

Viele weitere Schlote noch unentdeckt

„Damit repräsentieren die abseits der Achse liegenden YBW-Sentry-Schlote eine dritte Form von hydrothermalen Systemen an solchen schnell-aufspreizende mittelozeanischen Rücken“, schreiben McDermott und ihre Kollegen. Anders als die primär vom Vulkanismus des Rückens geprägten hydrothermalen Felder im zentralen Graben und an seinen Wänden speist sich dieses System von tieferliegenden, stetigeren magmatischen Hitzequellen.

Die Entdeckung der „abseitigen“ hydrothermalen Schlote legt damit auch nahe, dass es noch mehr solcher bisher übersehener Felder beiderseits der mittelozeanischen Rücken geben könnte. „Die Entfernung von der Hauptachse des Rückens, in der noch eine konvektive Hochtemperatur-Zirkulation möglich ist, muss revidiert werden“, so das Team. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022; doi: 10.1073/pnas.2205602119)

Quelle: Lehigh University

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