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Mississippi-Delta: Marschland versinkt

Kipppunkt für unausweichliche Überflutung könnte schon überschritten sein

Marschen in Louisiana
Salzmarschen in Louisiana – diese Küstengebiete am Mississippi-Delta sind langfristig vom Meeresspiegelanstieg bedroht. © Torbjörn Törnqvist

Schwelle überschritten: Die einzigartigen Küstenmarschen im Mississippi-Delta könnten dem Untergang geweiht sein. Denn Vergleiche mit vergangenen Zeiten legen nahe, dass der aktuelle Meeresspiegelanstieg bereits einen Kipppunkt überschritten hat. Bohrkernen zufolge kann schon ein Anstieg von mehr als drei Millimetern pro Jahr ein langsames Versinken der Küstenmarschen auslösen. Diese Rate ist im Mississippi-Delta schon jetzt weit überschritten.

Die Marschen im Delta des Mississippi sind eine einzigartige Naturregion – die sumpfigen Flächen zwischen Land und Meer erstrecken sich über tausende von Quadratkilometern an der Südküste der USA. Doch die Marschen sind bedroht. Weil der Meeresspiegel ansteigt und der Sedimentnachschub aus dem Fluss abnimmt, sind in den letzten hundert Jahren schon 5.000 Quadratkilometer dieser Marschen im Meer versunken.

Wie lange halten die Marschen Schritt?

Doch bislang war strittig, wie sensibel das Mississippi-Marschland auf den aktuellen und noch kommenden Meeresspiegelanstieg reagiert. „Frühere Studien deuteten darauf hin, dass die Marschen mit einem Anstieg von bis zu zehn Millimetern pro Jahr Schritt halten können“, erklärt Erstautor Torbjörn Törnqvist von der Tulane University in New Orleans. „Allerdings beruhten diese Studien auf sehr kurzen Beobachtungsspannen von weniger als einigen Jahrzehnten.“

Deshalb haben Törnqvist und sein Team nun einen Blick weiter zurück in die Vergangenheit der Mississippi-Marschen geworfen. Dafür verglichen sie die Daten vergangener Meeresspiegelanstiege mit den Sedimentschichten von 283 Bohrkernen, die im Gebiet der Marschen gewonnen wurden. Anhand dieser Schichten konnten sie rekonstruieren, wann im Verlauf der letzten 8.500 Jahre das Gebiet Marsch, trockenes Land oder aber Meeresgrund war.

Schwelle bei drei Millimetern pro Jahr

Das Ergebnis: Wenn der Meeresspiegelanstieg unter zwei Millimetern pro Jahr liegt, überwiegt die Sedimentanschwemmung und die Marschen fallen eher trocken als zu versinken. Liegt der Pegelanstieg dagegen bei mehr als drei Millimetern pro Jahr, können sich die Marschen langfristig nicht halten. Mehr als 80 Prozent der Probenstellen versanken unter solchen Bedingungen innerhalb von einigen Jahrhunderten im Meer, wie die Forscher berichten. Dies war in der Zeit vor 8.200 bis 6.800 Jahren der Fall.

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„Das deutet darauf hin, dass die Rate von drei Millimetern Meeresspiegelanstieg eine Schwelle für das Versinken der Marschen im Mississippi-Delta sein könnte“, sagen die Forscher. Ab diesem Kipppunkt könne das Marschwachstum das steigende Wasser auf lange Sicht nicht mehr ausgleichen. Bei einem erheblich schnellerem Meeresspiegelanstieg von mehr als 7,5 Millimeter pro Jahr versanken die Marschen sogar innerhalb von nur einem halben Jahrhundert.

Kurzfristig resilient, langfristig sensibel

Nach Ansicht von Törnqvist und seinem Team sind die Marschen demnach zwar kurzfristig resilient und können selbst stärkere Pegelanstiege für einige Jahre verkraften. „Diese kurzfristige Resilienz wird dadurch illustriert, dass sie größtenteils mit der heutigen Rate von lokal 13 Millimetern pro Jahr klarkommen“, so die Forscher. „Der Rückblick auf die Vergangenheit zeigt aber, dass solche Bedingungen über mehrere Jahrzehnte bis Jahrhunderte hinweg nicht nachhaltig sind.“ Dann verlieren die Marschen den Wettlauf mit dem steigenden Wasser und versinken.

„Das Beunruhigende daran ist, dass auch die aktuelle Rate des globalen Meeresspiegelanstiegs schon den Kipppunkt für das Versinken der Marschen überschritten hat“, sagt Törnqvist. Sie lag zwischen 2006 und 2015 bei im Schnitt 3,58 Millimeter pro Jahr. „Und so wie es momentan aussieht, wird sich der Meeresspiegelanstieg weiter beschleunigen.“

Für die noch verbleibenden rund 15.000 Quadratkilometer Marschgebiete im Mississippi-Delta und auch andere Küstenmarschen weltweit seien dies keine guten Aussichten. Der Verlust dieser Flächen könnte nach Ansicht der Forscher möglicherweise schon jetzt unausweichlich sein. (Science Advances, 2020; doi: 10.1126/sciadv.aaz5512)

Quelle: Tulane University

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