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Paläontologie

Missing-Link im Dino-Stammbaum

In Chile entdecktes Fossil könnte wichtiges Bindeglied der Dinosaurier-Evolution sein

Rekonstruktion des Chilesaurus-Skeletts: Er sah aus wie ein Raubdinosaurier,war aber ein Pflanzenfresser. © Machairo/ CC-by-sa 4.0

Spannender Fund: Ein in Chile entdecktes Fossil könnte sich als entscheidendes Bindeglied der Dinosaurier-Evolution erweisen. Denn der Chilesaurus besitzt sowohl Merkmale der zweibeinig laufenden Raubdinosaurier als auch der pflanzenfressenden Vogelbecken-Dinosaurier. Diese bizarre Mischung spricht dafür, dass dieser Dinosaurier eine Übergangs-Art zwischen beiden Gruppen war – ein Missing-Link. Das Fossil könnte damit einen revolutionären, erst vor kurzem vorgestellten Stammbaum-Entwurf stützen.

Lange Zeit teilten die Paläontologen die Dinosaurier in zwei Großgruppen ein: Eine bilden die Vogelbecken-Dinosaurier (Ornithischia) mit Pflanzenfressern wie dem Triceratops oder Stegosaurus. Diesen gegenüber stehen die Echsenbecken-Dinosaurier (Saurischia). Zu dieser Gruppe gehören die langhalsigen, pflanzenfressenden Sauropoden und die zweibeinig laufenden Theropoden, die Gruppe von Raubdinosauriern, zu der auch der berühmte Tyrannosaurus rex gehörte.

Streit um den Dino-Stammbaum

Doch vor wenigen Monaten erst wirbelte ein Forscherteam um Matthew Baron von der University of Cambridge diesen scheinbar so eindeutigen Stammbaum durcheinander. Sie lieferten Indizien dafür, dass die Theropoden nicht zu den Saurischia gehören, sondern enger mit den Ornithischia verwandt sind.

Jetzt legen Baron und seine Kollegen nach: Sie haben entdeckt, dass ein 2015 in Chile entdecktes Fossil ein entscheidender Beleg für ihren neuen Stammbaum sein könnte – und ein wichtiges Bindeglied der Dinosaurier-Evolution. Bei dem Fossil handelt es sich um den Chilesaurus diegosuarezi, einen etwa drei Meter langen, zweibeinig laufenden Dinosaurier, der vor 150 Millionen Jahren lebte.

Der alte und der neue Stammbaum im Vergleich © Natural History Museum

Fossil mit bizarrem Merkmals-Mix

Der Chilesaurus war ein Pflanzenfresser, wie seine großen, flachen Zähne belegen. Gleichzeitig jedoch ähneln sein Kopf, seine zweibeinige Laufweise und sein allgemeiner Körperbau eher dem eines Raubdinosauriers. „Der Chilesaurus sieht fast aus, als wäre er aus verschiedenen Tieren zusammengeflickt – deshalb gibt er allen Rätsel auf“, erläutert Baron. Wie dieses Fossil in den Dinosaurier-Stammbaum passt und wo, blieb daher unklar.

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Unter Vorbehalt ordneten die Paläontologen den Chilesaurus trotzdem erst einmal den räuberischen Theropoden zu. Merkmale, die ihn eher mit den Ornithischia oder den Sauropoden verbanden, stuften sie als Konvergenzen ein – evolutionäre Parallelentwicklungen. Ob diese Einordnung stimmt, haben Baron und seine Kollegen nun genauer überprüft. Sie verglichen 457 Merkmale des Chilesaurus mit denen von 76 anderen Dinosaurierarten.

Doch kein früher Theropode

Das überraschende Ergebnis: Der Chilesaurus ist kein Theropode. „Unsere Analysen setzen den Chilesaurier an eine ganz neue Position“, berichten die Forscher. „Er ist demnach das am frühesten abgezweigte Mitglied der Ornitschia.“ Das Fossil wäre damit kein pflanzenfressender Exot unter den frühen Raubdinosauriern, sondern gehört zu einer bisher unbekannten, alten Linie der pflanzenfressenden Ornithischia.

Das Spannende daran: Die vielen Theropoden-Merkmale des Chilesauriers könnten bestätigen, dass Ornithischia und Theropoden tatsächlich Schwestergruppen sind – wie es Baron und seine Kollegen in ihrem neuen Stammbaum postulieren. Denn der Chilesaurier vereint noch die Merkmale beider Dinosaurier-Großgruppen und stand demnach ganz nahe am Scheidepunkt dieser beiden Gruppen.

Abguss des 2015 in Chile entdeckten Chilesaurus-Fossils © Evelyn D'Esposito/CC-by-sa 2.0

Missing-Link im Dino-Stammbaum?

Chilesaurus könnte damit ein Missing Link der Dinosaurier-Evolution darstellen – eine Urzeit-Echse, die dem letzten gemeinsamen Vorfahren von Theropoden und Vogelbecken-Dinosauriern noch sehr nahesteht. „Vorher kannten wir keine Übergangsformen zwischen diesen Gruppen“, sagt Baron. „Doch die ungewöhnliche Mischung der Merkmale positioniert Chilesaurus in einer Schlüsselposition der Dinosaurier-Evolution.“

So besaß Chilesaurus bereits das typische, geräumige Becken der Pflanzenfresser, hatte aber noch nicht ihren schnabelartigen, harten Kiefer. „Dies zeigt, dass die Vogelbecken-Dinosaurier offenbar zuerst ihren großen Magen- und Darmtrakt entwickelten“, sagt Baron. „Ihre Kiefer dagegen passten sich erst später vollständig an die pflanzliche Nahrung an.“ Und auch die Kopfform und die Laufweise blieben zunächst noch Theropoden-ähnlich.

Die Forscher vermuten, dass der Chilesaurier nicht das einzige Missing-Link zwischen den Ornithischia und Theropoden gewesen ist. Im späten Jura könnte es noch weitere solcher Übergangsformen gegeben haben. „Sollte diese Hypothese stimmen, dann warten noch weitere, ähnliche Dinosaurierformen auf ihre Entdeckung“, so Baron und seine Kollegen. (Biology Letters, 2017; doi: 10.1098/rsbl.2017.0220)

(University of Cambridge, 16.08.2017 – NPO)

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