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Geowissen

Methan-“Rülpser” schaffen Unterseehügel

Auftauendes Gashydrat lässt „Pseudo-Pingos“ in der arktischen See wachsen

Ein Pingo in der Arktis im Norden Kanadas © Charlie Paull

Sie sind bis zu 40 Meter hoch, werden mehrere hundert Meter breit und liegen tief unter der Meeresoberfläche des arktischen Ozeans: Seltsame rundliche Hügel, die man bis vor kurzem für nachträglich untergegangene Landschaftsformen hielt. Jetzt aber haben Geologen herausgefunden, dass wahrscheinlich aufsteigendes Methangas diese „Pseudo-Pingos“ unter Wasser entstehen ließ.

"Pingos”, kleine, kuppelförmige und mit einem Eiskern versehene Hügel sind ein typisches Phänomen in vielen arktischen Regionen – an Land. Vor einiger Zeit jedoch haben Forscher sehr ähnliche Gebilde auch auf dem Meeresboden, im Bereich des arktischen Kontinentalschelfs gefunden. Vorherige Studien hatten postuliert, dass diese „Pseudo-Pingos“ möglicherweise einst als Pingos auf dem Trockenen gebildet wurden, dann aber nach der letzten Eiszeit durch den Meeresspiegelanstieg vor 10.000 Jahren langsam überflutet worden seien.

Feldstudien in der arktischen See

Doch genau diese Theorie haben jetzt Forscher des Monterey Bay Aquarium Research Instituts (MBARI) um Charlie Paull und William Ussler widerlegt und beschreiben dies in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters”. Sie untersuchten dafür den Meeresboden des Beaufort Schelfs, eines arktischen Meeresgebiets vor der Nordküste Kanadas. In dieser Region des Permafrosts und Meereises verbrachten sie einen Monat lang um den Meeresboden zu kartieren, Gasproben einzusammeln und Sedimentproben zu erbohren. Auch diverse andere Messungen rund um die Pingo-ähnlichen Hügel unternahmen die Wissenschaftler.

Nach Abschluss der Laboranalysen war klar: Die Hügel konnten nicht auf dem Land entstanden sein, sondern waren stattdessen ein Ergebnis der hohen Gasaktivität im Meeresboden. Nach Ansicht der Forscher entstehen sie, wenn Methanhydrat – eine gefrorene Mischung aus Methan und Meerwasser – sich zersetzt und Methan durch das Sediment nach oben steigt. Dabei drückt es den Boden nach oben wie Zahnpasta aus einer Tube. Folge sind rundliche Aufwölbungen auf dem Meeresboden – die „Pseudo-Pingos“.

Schema der Pseudo-Pingo-Entstehung © MBARI

Gasblasen schieben Sediment in die Höhe

Die Wissenschaftler untermauern ihre Hypothese mit einer ganzen Reihe von Daten. Zum einen zeigten Sonaruntersuchungen, dass die Hügel nicht wie die echten Pingos aus Schichten bestehen, sondern aus einer ungeordneten Mischung von Sediment und kleinen Blasen von Süßwassereis. C-14 Messungen ergaben zudem, dass das organische Material auf den Hügelkämmen tausende von Jahren älter ist als der umgebende Meeresboden – ein Hinweis darauf, dass hier ursprünglich tiefer liegende Bodenschichten emporgeschoben worden sind.

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Aus dem Gipfel einiger Pseudo-Pingos” steigen Gasblasen auf, die die Forscher sehr schnell als Methan identifizierten. Chemische Analysen zeigten, dass es aus Gashydraten stammen musste, die in diesem Teil des arktischen Ozeans normalerweise mehrere hundert Meter unter dem Meeresboden liegen. “Wir wissen noch nicht, ob dieses Gas innerhalb eines einzigen Jahres an die Oberfläche geblubbert ist oder sich langsam wie ein Gletscher nach oben bewegte“, so Paull.

Erwärmung begann nach der Eiszeit

In jedem Fall deuteten die Daten daraufhin, dass die langsame Erwärmung des Untergrunds seit der letzten Eiszeit eine entscheidende Rolle dafür gespielt haben könnte. Denn das Meerwasser in dieser Region hat sich innerhalb der letzten 10.000 Jahre so weit erwärmt, dass es heute rund zehn Grad wärmer ist als beispielsweise der Permafrostboden an Land. Durch den Meeresspiegelanstieg ist gleichzeitig ehemaliger Permafrostboden überflutet worden und wurde dabei langsam aufgewärmt. Diese Wärme erreichte schließlich auch die Gashydratvorkommen in mehreren hundert Metern Tiefe und begann, einen Teil des eisigen Gasgemischs aufzutauen, so dass das Methan aufstieg.

Dieser Prozess ist noch immer im Gange, neue Pseudo-Pingos entstehen weiterhin. Da allerdings Methan ein extrem potentes Treibhausgas ist, wollen die Forscher zukünftig genauer untersuchen, wie viele Methan durch diese Prozesse frei wird. „Pingo-ähnliche Strukturen gehören zu den Stellen, an denen wir Methan aus dem Meeresboden aufsteigen sehen“, so Paull. „Noch wissen wir nicht, wie, wie entscheidend dies ist, da wir nicht wissen, wie viel Gas in der gesamten Arktis oder in anderen Meeresregionen auf diese Weise freigesetzt wird.“ Für die Klimaforschung könnten diese Hügel wertvolle Erkenntnisse darüber bringen, wie sich Methanhydrate verhalten, wenn sie langsam erwärmt werden – beispielsweise durch den voranschreitenden Klimawandel.

(MBARI, 07.02.2007 – NPO)

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