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Geowissen

Mehr schwerer Sauerstoff in der Mesosphäre

Erste spektrale Messung des Sauerstoffisotopen-Verhältnisses ergibt andere Werte als erwartet

Sauerstoffisotope
In der Mesosphäre und Thermosphäre der Erde gibt es mehr schweren Sauerstoff als bisher angenommen. © Emilija Randjelovic/ Getty images

Forscher haben erstmals das Sauerstoffisotopen-Verhältnis in der irdischen Mesosphäre und Thermosphäre gemessen – den äußeren Gashüllen der Erde. Demnach enthält die Hochatmosphäre mehr des schweren Sauerstoffisotops 18O als zuvor vermutet. Dies deutet darauf hin, dass die oberen, dünnen Schichten der Erdatmosphäre weniger vom Sonnenwind beeinflusst sind als erwartet. Stattdessen ähnelt die Isotopenzusammensetzung von Meso- und Thermosphäre mehr der der unteren Atmosphäre.

Sauerstoff kommt auf unserm Planeten in den beiden Isotopen 16O und 18O vor. In welchem Verhältnis beide stehen, wird zum einen von den mit dem Sonnenwind auf die Erde treffenden Sauerstoffionen bestimmt: Solarer Sauerstoff hat ein 16O/18O-Verhältnis von etwa 529. In der unteren Erdatmosphäre ist dagegen der Anteil des schwereren Sauerstoffisotops höher, weil Organismen bei der Veratmung selektiv mehr 18O abgeben. Als Folge dieser Biosignatur liegt das terrestrische Verhältnis bei nur 498,7.

Rätsel um die Hochatmosphäre

Doch wie sieht es in den oberen Schichten der Erdatmosphäre aus? Bekannt war bereits, dass die Stratosphäre noch deutlich von der Sauerstoff-Biosignatur der unteren Luftschichten geprägt ist. Die aufsteigende Luft transportiert leichteren Sauerstoff bis in die Ozonschicht und darüber hinaus. Darüber, in der Mesosphäre und Thermosphäre, dürfte aber nur noch begrenzt Luft aus unteren Schichten ankommen. Deshalb gingen Wissenschaftler bisher davon aus, dass diese ab etwa 50 Kilometer beginnenden Schichten stärker vom Sonnenwind und damit von leichteren Sauerstoffisotopen geprägt sein müssten.

Das Problem jedoch: Direkte Isotopenmessungen in der Meso- und Thermosphäre sind kaum möglich, denn diese Schichten liegen zu hoch für Messballons, aber zu tief für Satelliten. Eine mögliche Lösung dafür haben nun Helmut Wiesemeyer vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und seine Kollegen gefunden: Sie nutzen den Mond als Messhelfer.

SOFIA
Das Flugzeugobservatorium SOFIA war eine Boeing 747, die mit einem Infrarotteleskop und weiteren Messinstrumenten ausgerüstet war. Sie hatte im Sommer 2022 ihren letzten Flug. © Florian Behrens/DSI Stuttgart

Mondlicht als Messhelfer

Für ihre Studie visierten die Forscher mit einem Spektrometer der fliegenden Sternwarte SOFIA von der Stratosphäre aus den Mond an. Wenn das von der hellen Mondoberfläche reflektierte Licht durch die irdische Thermo- und Mesosphäre fällt, hinterlassen die verschiedenen Sauerstoffvarianten jeweils bestimmte Absorptionslinien im Spektrum des Mondlichts. “ Wir nutzen dabei einen relativistischen Effekt, durch den sich der elektronische Grundzustand von atomarem Sauerstoff in drei Feinstrukturniveaus aufspaltet“, erklärt Wiesemeyer.

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An diesen Feinstrukturlinien ist zu erkennen, welche Sauerstoffisotope sie verursacht haben: „Die Spektrallinien werden weiter aufgespalten, wenn man dem Kern ein oder zwei Neutronen hinzufügt: Der Schwerpunkt des Atoms verschiebt sich, was zu einer leichten Veränderung der charakteristischen Frequenzen der Feinstrukturlinien führt“, so Wiesemeyer weiter. „Zum ersten Mal konnten wir so die spektroskopische Signatur der Isotopenverschiebung in Spektrallinien von atomarem Sauerstoff in der Natur identifizieren.“

Deutlich mehr 18O als im Sonnenwind

Die Messungen ergaben: Die obersten Atmosphärenschichten der Erde enthalten demnach mehr schweren Sauerstoff als bisher gedacht. „Unsere Messergebnisse für das Isotopenverhältnis von 16O/18O lagen im Februar und November 2021 bei 468 und 382. Dies ist signifikant niedriger als der im Sonnenwind ermittelte Wert von knapp 530″, berichten die Forscher. Die Hochatmosphäre ist demnach weniger stark vom Sonnenwind geprägt als angenommen. Bisherige Annahmen zur Isotopenfraktionierung in Mesosphäre und Thermosphäre müssen damit korrigiert werden.

„Aus den Messungen des Stratosphärenobservatoriums leiten wir Werte ab, die für die untere Atmosphäre typisch sind, aber nicht für den Sonnenwind, der dort dominiert, wo das interplanetare Magnetfeld dasjenige der Erde ablöst“, erklärt Koautor Jürgen Stutzki von der Universität Köln. Das könnte darauf hindeuten, dass mehr Luft aus unteren Atmosphärenschichten in große Höhen dringt.

Erklärung für Kontamination des Mond-Regoliths?

Und noch etwas könnten die neuen Messwerte erklären: Bei der Isotopenanalyse von Proben der Mondoberfläche wurden in einigen Proben leicht vom Sonnenwind abweichende Werte gemessen. Weil der Mond aber keine Atmosphäre und keine Biosphäre hat, müsste sein Regolith eigentlich das Isotopenverhältnis des Sonnenwinds widerspiegeln. Doch kürzlich fanden Wissenschaftler heraus, dass irdische Wasserstoff- und Sauerstoffatome bei jeder Passage des Mondes durch den Magnetschweif der Erde bis zum Mond gelangen.

Weil diese Atome aus der Meso- und Thermosphäre der Erde stammen, tragen sie ihr Isotopenverhältnis bis zum Mond. Die aktuellen Messungen belegen nun, dass auch diese Atmosphärenschichten den typisch irdischen Überschuss an schwerem Sauerstoff aufweisen. Das könnte die lokale Isotopen-Kontamination des Mondregoliths erklären. (Physical Review Research, 2023; doi: 10.1103/PhysRevResearch.5.013072)

Quelle: Max-Planck-Institut für Radioastronomie

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