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Astronomie

Magma-Ozean unter Ios Kruste

Gesteinsschmelze verriet sich durch Signal in Magnetfeldmessungen von Jupitersonde Galileo

Das leitfähige Magma unter der Oberfläche von Io verzerrt die Magnetfeldlinien des Jupiter © NASA/JPL/ University of Michigan/ UCLA

Unter der von Vulkanen übersäten Kruste des Jupitermonds Io liegt ein brodelndes Magmameer, wie jetzt eine in „Science“ erschienene Studie belegt. Das geschmolzene Gestein bildet eine mindestens 50 Kilometer dicke und rund 1.200° Celsius heiße Schicht im Untergrund. Entdeckt wurde der Magmaozean, weil er aus einem speziellen Gestein besteht, das als Schmelze extrem leitfähig ist – so leitfähig, dass es ein spezifisches Signal in Magnetfeldmessungen der Jupitersonde Galileo verursachte.

Io ist der innerste der großen Monde des Jupiter und der vulkanisch aktivste Himmelskörper im gesamten Sonnensystem. Nirgendwo sonst gibt es so viele und so häufige Eruptionen wie dort, in einem Jahr produzieren sie hundertfach mehr Lava als alle irdischen Vulkane zusammen. Ursache dafür ist der geringe Abstand zum Gasriesen: Die gewaltige Schwerkraft des Planeten erzeugt wechselnd Dehnung und Stauchung des Gesteins und walkt das Innere von Io regelrecht durch.

Rätselhaftes Magnetfeld-Signal

Wie dieses Innere aber genau aussieht, war bisher unklar. Ebenfalls rätselhaft war das Verhalten des Jupiter-Magnetfelds in der Nähe des Mondes: Immer, wenn nicht nur der Jupiter sondern auch Io im Blickfeld der Messgeräte an Bord der NASA-Raumsonde Galileo war, traten kleine Schwankungen in den Feldstärken auf. Die Ursache dafür war aber unklar. Diese Signale registrierte die Sonde sowohl im Oktober 1999 als auch bei ihrem letzten Vorbeiflug an Io im Februar 2000.

„Aber zu dieser Zeit waren die Modelle der Wechselwirkung zwischen Io und dem immensen Magnetfeld des Jupiter, das den Mond in geladenen Teilchen badet, noch nicht fortgeschritten genug, um daraus zu entnehmen, was im Inneren von Io vor sich geht“, erklärt Xianzhe Jia von der Universität von Michigan. Inzwischen aber existieren neue Erkenntnisse, die dem Forscherteam um Jia und Hauptautor Krishan Khurana, Geophysiker an der Universität von Kalifornien in Los Angeles, den entscheidenden Hinweis gaben.

Geschmolzene Mineralien als Superleiter

Von bestimmten Mineralien, den so genannten ultramafischen Gesteinen, ist inzwischen bekannt, dass sie in geschmolzenem Zustand sehr leitfähig werden. Auf der Erde stammen diese Minerale aus dem Erdmantel und entstehen beim Abkühlen von Magma. Khurana und seine Kollegen haben nun getestet, ob nicht auch eine Schicht solcher geschmolzener, extrem leitfähiger Minerale unter der Kruste von Io die ungewöhnlichen Magnetfeldschwankungen verursacht haben könnten.

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Jupitermond Io © NASA / JPL / University of Arizona

Die Tests und Berechnungen ergaben, dass ein Ozean aus geschmolzenem Magma unter der Kruste des Jupitermonds die Magnetfeldmuster tatsächlich erklären könnte. Die leitfähige Schicht verhindert, dass das im Laufe von rund 13 Stunden rotierende Magnetfeld den Jupitermond ungestört durchdringt. Stattdessen bleibt die Ausrichtung der Magnetfeldlinien im Mondinneren stabil. Dadurch werden die Abstände zwischen den ein- und ausfallenden Magnetfeldlinien verändert und die Magnetfeldstärke schwankt.

„Das heiße Magma in Ios Ozean leitet die Elektrizität Millionen Mal besser als Gesteine, wie sie typischerweise auf der Erdoberfläche gefunden werden“, erklärt Khurana. „Wie eine Münze, die ihre Präsenz verrät, indem sie die vom Metalldetektor am Flughafen ausgesendeten Wellen zurückwirft, so prallt auch das rotierende Magnetfeld des Jupiter ständig vom geschmolzenen Gestein im Inneren von Io ständig ab. Dieses reflektierte Signal kann von einem Magnetometer auf einer vorbeifliegenden Raumsonde registriert werden.“

Ein Magma-Ozean 1.200°C heiß und 50 Kilometer dick

Die von der Galileo-Sonde registrierten Signaturen sind konsistent mit Lherzolit, einem Magnesium-Eisensilikat -Gestein, das auf der Erde beispielsweise in Südfrankreich oder auf Spitzbergen vorkommt und magmatischen Ursprungs ist. Auf Io könnte es eine vermutlich mehr als 1.200 Grad Celsius heiße und mindestens 50 Kilometer dicke Schicht solchen Gesteins geben. Sie erklärt auch, warum auf dem Mond die Vulkan so gleichmäßig verteilt sind und nicht, wie auf der Erde, sich entlang von Plattengrenzen häufen. Der neu entdeckte Ozean aus Magma liefert jedoch auch einen wertvollen Einblick in die Vergangenheit der Erde:

„Es wird angenommen, dass auch Erde und Mond vor Milliarden Jahren, zur Zeit ihrer Entstehung, einen ähnlichen Magmaozean besaßen, der aber schon vor langer Zeit abgekühlt ist“, erklärt Torrence Johnson vom Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena. „Ios Vulkanismus gibt uns Informationen über diese Art der vulkanischen Aktivität und öffnet ein Fenster in eine Zeit, als es sie auch in der Frühgeschichte von Erde und Mond gab.“ (Science, 2011; DOI: 10.1126/science.1201425)

(University of California – Los Angeles, 16.05.2011 – NPO)

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