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Astronomie

Lebensfreundliche Bedingungen auf Enceladus und Europa?

Forscher fordert Ausweitung der Definition für die „Zone des Lebens“

Eisgeysir auf dem Saturnmond Enceladus © NASA/JPL

Die klassische „Zone des Lebens“ reicht in unserem Sonnensystem nicht weit über die Erde hinaus. Denn nur in einem bestimmten Abstand von der Sonne ermöglichen die Temperaturen die Existenz von flüssigem Wasser. Doch nach Ansicht eines Planetenforschers ist diese Definition längst zu eng. Denn selbst im Sonnensystem gebe es Ausnahmen wie die Monde Europa und Enceladus.

Der Jupitermond Europa und der Saturnmond Enceladus gelten seit Jahren als besonders vielversprechend und spannend für Planetenforscher. Denn beide könnten unter ihrer eisigen Oberfläche Ozeane aus flüssigem Wasser besitzen. Hinweise darauf geben ungewöhnliche Magnetfeldwerte und – auf Enceladus – Geysire, die Eiskristalle mehr als hundert Kilometer weit ins All hinausschießen. Doch wo flüssiges Wasser ist, da könnte sich potenziell auch Leben entwickelt haben. Dass dies auch unter extremen Bedingungen möglich ist, haben Entdeckungen an den unterseeischen Schloten der Tiefsee hier auf der Erde belegt.

Welche Faktoren die Wasserreservoire auf den beiden Monden möglich machen und warum darin lebensfreundliche Bedingungen herrschen könnten, obwohl beide außerhalb der klassischen „Zone des Lebens“ in unserem Sonnensystem liegen, hat Francis Nimmo, Professor für Geo- und Planetenforschung an der Universität von Kalifornien in Santa Cruz, bei der Jahrestagung der American Geophysical Union Mitte Dezember in San Francisco vorgestellt.

Gezeitenkraft als Wärmemotor

Nach Ansicht vieler Forscher ist einer der wichtigsten „Helfer“ für das Bestehen flüssigen Wassers unter der Oberfläche beider Monde die Gezeitenkraft. Beide Monde kreisen auf einer sehr exzentrischen Bahn, die sie abwechselnd sehr nach und dann wieder weit von ihrem Planeten weg bringt. Dadurch verändert sich die Schwerkraft, die auf den Mond einwirkt, periodisch sehr stark. „Ein Mond wie Enceladus wird gequetscht und gedehnt, gequetscht und gedehnt“, erklärt Nimmo. Diese Krafteinwirkung wirkt ähnlich wie hier auf der Erde Ebbe und Flut durch die Schwerkraft unseres Mondes, ist aber um ein Vielfaches stärker.

Zwar ist noch unklar, wie viel von dieser Kraft in Wärme übertragen werden könnte, doch Hypothesen gibt es bereits einige: So könnten die Gezeitenkräfte Gesteine im Kern der Monde gegeneinander bewegen und so Reibungswärme und geothermische Energie erzeugen. Auch an der Oberfläche lösen die periodisch wechselnden Zug- und Druckkräfte Bewegungen aus, sie erzeugen Risse im Eis, reiben die Bruchstellen aneinander und setzen so Schmelzprozesse in Gang. Hinweise auf solche Risse gibt es sowohl auf Europa als auch auf Enceladus.

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Eisdecke als Isolierschicht…

Die gefrorenen Oberflächen könnten zudem auf beiden Monden eine Schlüsselrolle für den Erhalt der Ozeane spielen. Denn sie wirken als Isolierschicht gegen die Kälte des Weltraums und als Filter gegen tödliche Strahlung. „Das Eis darüber wirkt wie eine isolierende Decke”, erklärt Nimmo. Bei Enceladus könnte das Eis allerdings zu dünn sein, um das Wasser unter der Oberfläche dauerhaft gegen Gefrieren zu schützen. Vermutlich erlebt es immer wieder Perioden des Gefrierens und Auftauens. Europa dagegen hat die optimale Größe, um seinen Ozean dauerhaft flüssig zu halten.

Innerer Aufbau des Mondes Europa © NASA/JPL

…und Bausteinlieferant

Und auch für die potenzielle Entstehung von Leben ist eine – relativ dünne – Eisdecke wichtig. Denn gemeinsam mit dem Kern sei sie der Hauptlieferant für chemische Bausteine des Lebens, so Nimmo. Die solare Strahlung und Kometeneinschläge hinterlassen einen Film aus chemischen Substanzen auf dem Oberflächeneis. Ist die Eisdecke dünn genug, können diese durch die periodisch entstehenden Risse in den darunterliegenden Ozean gelangen. Gleichzeitig treten organische Moleküle und Minerale auch aus den Kerngesteinen der Monde nach oben hin aus – ähnlich wie an den hydrothermalen Schloten der Tiefsee auf der Erde. Beides zusammen könnte eine Mixtur ergeben, die eine Lebensentstehung ermöglicht – theoretisch.

„Zone des Lebens“ zu eng gefasst

Zumindest bedeuten all diese Erkenntnisse nach Ansicht von Nimmo, dass die klassische Definition der „bewohnbaren Zone“ ausgeweitet werden muss. Bisher gibt sie den Entfernungsbereich von einem Stern an, der an der Oberfläche eines Planeten oder Mondes eine Temperatur erzeugt, die die Existenz von flüssigem Wasser ermöglicht. Im Sonnensystem reicht diese Zone beiderseits der Erde nicht einmal bis zu ihren nächsten Nachbarn.

Doch Enceladus und Europa sind laut Nimmo zwei Beispiele für Himmelskörper, die eindeutig nicht in dieser klassischen Zone des Lebens liegen, aber dennoch lebensfreundliche Bedingungen und flüssiges Wasser bieten könnten. Vor allem den größeren Mond Europa sieht er hier als vielversprechenden Kandidaten an. „Wenn diese Monde bewohnbar sind, verändert das das gesamte Bild einer bewohnbaren Zone”, erklärt Nimmo. „Es verändert unser Denken darüber wie und wo wir Leben außerhalb des Sonnensystems finden könnten.“

Natürlich, so warnt der Forscher, heiße dies noch lange nicht, das dort, wo Leben prinzipiell möglich wäre, auch welches existiert. Er hält es sogar eher für unwahrscheinlich, dass es im Sonnensystem außer auf der Erde noch irgendwo Leben gibt. Entscheidend sei aber, den Blick zu weiten und sich von der klassischen engen Definition zu lösen – auch und gerade bei der Suche und Erforschung von extrasolaren Planeten.

(University of California – Santa Cruz, 30.12.2009 – NPO)

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