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Soziologie

Lachen ist nicht gleich Lachen

Unterhaltende Kommunikation erforscht

Lachen © Freie Universität Berlin

Fast jeder tut es, kaum einer merkt es. Julia Vettin hat in ihrer Dissertation an der Freien Universität Berlin die Rolle des Lachens im Gespräch erforscht. Entgegen der landläufigen Meinung, dass Lachen vor allem mit Humor und Belustigung zu tun habe, konnte sie zeigen, dass es auch der soziale Kitt im Gespräch ist. Der Unterschied zum „belustigten“ Lachen liegt vor allem in der Länge des Lachens: Die in Unterhaltungen auftretenden Lacher bestehen meist nur aus ein bis drei Lachsilben („he“ genannt), während belustigtes Lachen eher sechs bis sieben Silben umfasst.

Diese kurzen Lacher scheinen auch anders bewertet zu werden als längere: Die meisten Menschen sind sich nicht bewusst, wie häufig sie in Gesprächen lachen. Dabei wird das Wort oft wie im Staffellauf mit einem Lacher von einem Gesprächspartner zum anderen übergeben. Die Art des Lachens ist vom Gesprächskontext abhängig. Das bedeutet, dass Lachsequenzen aus verschiedenen Kontexten keineswegs beliebig austauschbar sind. Lachen sollte daher weniger als pure belustigte Reaktion, sondern vielmehr als ein kommunikatives Signal angesehen werden, das zum Beispiel den reibungslosen Ablauf einer Unterhaltung unterstützen und die Interpretation des Gesagten erleichtern kann. Julia Vettin lieferte darüber hinaus empirische Daten, die nahe legen, dass sich das Lachen in der Evolution aus Spiellauten entwickelt hat, wie sie bei vielen Säugetieren – vor allem bei Affen –

auftreten.

Empirische Untersuchungen

Methodisch ging Julia Vettin so vor, dass sie zunächst Zwiegespräche aufzeichnete und dann auswertete, wie oft und in welchem Kontext die Probanden lachten. Dabei zeigte sich, dass in Gesprächen unerwartet häufig gelacht wird, durchschnittlich sechsmal in zehn Minuten, und

erstaunlicherweise nicht nur als Reaktion auf die Worte des Gesprächspartners, sondern ähnlich häufig auch nach eigenen Äußerungen. Die Lacher unterschieden sich in ihrer akustischen Ausprägung, je nachdem, ob der Lachende selbst vor dem Lachen gesprochen oder seinem Gesprächspartner zugehört hatte.

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Mit Hilfe von Vorspielexperimenten fand Julia Vettin heraus, dass Lachen daher keineswegs austauschbar ist, sondern dass Probanden am Computer vertauschte Lachsequenzen aus verschiedenen Gesprächskontexten als sehr unpassend empfanden. Die Art des Lachens scheint also mit der Situation, in der gelacht wird, eng in Zusammenhang zu stehen. Und auch die Wahrnehmung verschiedener Lachsequenzen unterscheidet sich: Kurze Lacher, wie sie in Gesprächen häufig vorkommen, werden im Gegensatz zu eher belustigtem, lang anhaltendem Lachen von Zuhörern offensichtlich nicht bewusst wahrgenommen oder nicht als Lachen bezeichnet. Und auch wenn in Unterhaltungen viel gelacht wird, wirken die Gesprächspartner auf Zuhörer oft keineswegs belustigt und lachen nach äußerst banalen, humorfreien Sätzen.

Kommunikationssignal

Entgegen der allgemeinen Auffassung ist Lachen also keineswegs ausschließlich mit Humor und Belustigung gekoppelt, sondern stellt sich als ein komplexes kommunikatives Signal dar, das zum Beispiel in Gesprächen zur Regulation des Gesprächsablaufs und zur Bewertung von

Gesprochenem eingesetzt werden kann. Es kann dabei einerseits signalisieren, dass der Sprechende fertig ist und nun an den Gesprächspartner übergibt. Mit Hilfe eines Lachens kann der Sprecher außerdem seine vorherige Aussage abmildern. Der Zuhörer kann andererseits durch einen Lacher zu verstehen geben, dass er die Aussage des Gesprächspartners vernommen und wie er sie interpretiert hat oder dass er nun zum Sprechen ansetzt.

Tierische Vorbilder

Das Lachen ist nicht allein dem Menschen vorbehalten. Wenn Schimpansen spielen, geben sie hechelnde Laute von sich, die den Laien und durchschnittlichen Zoobesucher entfernt an Lachen erinnern könnten. Mit Spielsignalen unterstreichen die Tiere ihre spielerische Absicht. Beim Jagen, Ringen oder Kitzeln könnte es sonst leicht passieren, dass der Spielpartner das Verhalten fälschlicherweise als aggressiv auffasst. Spiellaute haben dabei den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu mimischen Spielsignalen, wie etwa dem so genannten Spielgesicht bei Affen, auch wahrgenommen werden, wenn beim Spiel gerade kein Blickkontakt möglich ist. Um der Vermutung nachzugehen, dass das menschliche Lachen seinen Ursprung in diesen Spiellauten hat, zeichnete Julia Vettin sowohl die Lautäußerungen von spielenden Schimpansen und Berberaffen als auch von menschlichen Probanden auf, die sich einer ausgiebigen Kitzelsitzung unterzogen. Tatsächlich ist die akustische Struktur dieser Lautäußerungen sehr ähnlich: Sowohl bei den untersuchten Affenarten als auch beim Menschen bestehen die Lautäußerungen meist aus mehreren einzelnen Lautelementen oder Lachsilben. Schimpansen produzieren diese Elemente abwechselnd beim Ein- und Ausatmen, während Berberaffen und Menschen sie nur durch Ausatmen erzeugen. Die Dauer dieser Elemente ist bei allen drei Arten vergeichbar lang und variiert, genauso wie die Tonhöhe, innerhalb einer Lautäußerung bei den untersuchten Arten nach einem ähnlichen Muster. Diese Ergebnisse bestätigen die Vermutung, dass sich das menschliche Lachen aus Spielsignalen entwickelt hat, wie sie bei Säugetieren weit verbreitet sind.

(idw – Pressemitteilung Freie Universität Berlin, 08.03.2004 – AHE)

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