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Geowissen

Kratersee soll Klimageschichte der Arktis enthüllen

Millionenförderung für Bohrungen am sibirischen Elgygytgyn-See bewilligt

Schnitt durch den Elgygytgyn-Krater © Universität Leipzig

Drei Bohrungen an einem uralten Kratersee in Sibirien sollen schon bald Aufschluss über das Klimageschehen in der Arktis in den letzten 3,6 Millionen Jahren geben. Die Wissenschaftler wollen anhand der ermittelten Daten aber auch Prozesse, die damals beim Meteoriteneinschlag abgelaufen sind, rekonstruieren. Das Internationale Kontinentale Tiefbohrprogramm (ICDP) hat jetzt 1,5 Millionen US-Dollar als Förderung für das internationale Forschungsprojekt zugesagt.

Ziel der Bohraktivitäten der russischen, amerikanischen, österreichischen und deutschen Wissenschaftler unter der Leitung von Professor Martin Melles vom Institut für Geophysik und Geologie der Universität Leipzig, ist der Elgygytgyn-See (Tschuktschisch: „Weißer See“) im äußersten Nordosten von Sibirien.

Die Bohrkampagne soll spätestens 2008 durchgeführt werden, und zwar im Frühjahr, um die Eisdecke auf dem See als Bohrplattform nutzen zu können. Der Elgygytgyn-See liegt 260 Kilometer von der nächsten Siedlung entfernt und ist lediglich per Hubschrauber oder im Winter mit Kettenfahrzeugen über die gefrorene Tundra erreichbar.

Rolle der Arktis im globalen Klimageschehen soll erforscht werden

Umfangreiche Voruntersuchungen haben gezeigt, dass sich der Elgygytgyn-See unmittelbar nach dem Meteoriteneinschlag vor etwa 3,6 Millionen Jahren gebildet hat und seitdem weder von Gletschern überfahren wurde noch ausgetrocknet ist. Die Ablagerungen am Grund des Sees eröffnen daher den Geowissenschaftlern die einzigartige Gelegenheit, die Klima- und Umweltgeschichte der kontinentalen Arktis erstmals lückenlos und mit einer guten zeitlichen Auflösung zu rekonstruieren. Die Erkenntnisse werden gebraucht, um die Rolle der Arktis im globalen Klimageschehen und ihre Reaktionen auf zukünftige Klimaveränderungen, vor allem in Hinblick auf die aktuelle Erwärmung, besser bewerten zu können.

Beispielsweise wollen die Forscher untersuchen, wie die Arktis vor etwa 2,6 Millionen Jahren auf den Übergang vom sehr warmen und recht stabilen Klima des Pliozäns zum wesentlich kälteren, zyklisch schwankenden Klima des Quartärs (“Eiszeitalter“) reagiert hat, bzw. – umgekehrt – ob Veränderungen in der Arktis diesen globalen Klimawechsel verursacht haben. Erst seit diesem Klimasprung dürfte es in der Arktis zu größeren Vergletscherungen und verbreitetem Dauerfrostboden gekommen sein, und die dichten Wälder, die damals bis an die arktische Küste reichten, dürften allmählich von spärlicher Tundrenvegetation verdrängt worden sein.

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Rekonstruktion der Prozesse beim Meteoriteneinschlag

Von Interesse sind darüber hinaus die beim Meteoriteneinschlag entstandenen Gesteine und die Form des sehr gut erhaltenen Kraters. Sie ermöglichen den Geowissenschaftlern, die Zusammensetzung und die Flugbahn des Meteoriten sowie die beim Einschlag stattgefundenen Prozesse zu rekonstruieren. Das ist mit Blick auf die Gefahr von Meteoriteneinschlägen für die Erde, aber auch für die Bildung und Geschichte von anderen Planeten in unserem Sonnensystem von Bedeutung.

Die Wissenschaftler planen, zwei Bohrungen durch die Seesedimente in die Rückfall-Brekzie, (Trümmergestein mit kantigen Einlagerungen) niederzubringen, wobei eine Bohrung bis in das zerrüttete Festgestein vorstoßen soll. Zusätzlich soll der mächtige Dauerfrostboden im westlichen Einzugsgebiet des Sees erbohrt werden.

Auch die russische Seite misst dem Projekt große Bedeutung bei

Die Bohrungen sind eine große technische Herausforderung. Aber auch die logistische und administrative Vorbereitung einer so großen wissenschaftlichen Operation in Russland ist nicht immer einfach. Es müssen beispielsweise Forschungsgenehmigungen eingeholt, Umwelt- und Sicherheitsaspekte berücksichtigt und der Transport von Technik, Brennstoffen und Lebensmitteln sichergestellt werden. Aber die Leipziger Geowissenschaftler können auf langjährige Erfahrungen in den Polargebieten und in der deutsch-russischen Zusammenarbeit aufbauen, und dem Projekt wird eine große Bedeutung auch von russischer Seite beigemessen. Letzteres drückt sich beispielsweise darin aus, dass die Bohraktivitäten als eines der zentralen russischen Projekte für das Internationale Polarjahr 2007/08 vorgeschlagen wurden.

Weitere Mittel erforderlich

Die ICDP-Bewilligung ist ein großer Schritt für das internationale Projekt. Allerdings ist damit nur etwa ein Drittel der erforderlichen Mittel für die Bohrkampagne gesichert. Die noch ausstehenden Bohrkosten sowie die wissenschaftliche Auswertung der Bohrkerne sollen über weitere Anträge bei nationalen Fördereinrichtungen der beteiligten Länder sichergestellt werden. Besondere Bedeutung dürfte dabei den Anträgen bei der amerikanischen National Science Foundation (NSF) und dem Deutschen BMBF zukommen, die Ende 2005 eingereicht werden sollen.

Entscheidende Grundlage für den erfolgreichen Antrag beim ICDP sind Ergebnisse einer internationalen Expedition zum Elgygytgyn-See im Jahr 2003, die hauptsächlich vom BMBF finanziert wurde und an dem neben dem Koordinator Universität Leipzig, das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven und Potsdam beteiligt waren.

(idw – Universität Leipzig, 10.08.2005 – DLO)

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