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Geowissen

Komoren: Enormer Unterwasser-Ausbruch

Eruption ließ 800 Meter hohen Unterwasservulkan vor der Insel Mayotte entstehen

Sonaraufnahme Unterwasservulkan
Sonaraufnahme des vor der Komoreninsel Mayotte neu entstandenen Untersee-Vulkans (rot) und der von ihm aufsteigenden Gasströme. © MAYOBS team (CNRS/IPGP-Université de Paris/ Ifremer/ BRGM)

Verborgene Eruption: Vor der Küste der Komoreninsel Mayotte könnte sich einer der größten bekannten Unterwasser-Vulkanausbrüche ereignet haben – und noch immer anhalten. Darauf deuten ein neu entstandener Unterseevulkan und ganze Schwärme von Erdbeben hin. Forscher vermuten, dass eine Magmakammer in 28 Kilometern Tiefe eingebrochen ist und seit Mitte 2018 mehrere Kubikkilometer Lava am Meeresgrund ausgetreten sind.

Aktive Vulkane gibt es nicht nur an Land, sondern auch am Meeresgrund – und ihre Eruptionen können mindestens ebenso dramatisch verlaufe wie die der terrestrischen Feuerberge. Erst 20ß12 schleuderten die 14 Schlote des Havre-Vulkans im Pazifik mehr Material aus als der Ausbruch des Mount St. Helens. Und gigantische Seamounts zeugen in vielen Meeresregionen von vergangener Vulkanaktivität.

Ständige Erdbeben und Drift der Insel

Doch es gibt auch Unterwasser-Eruptionen, die im Verborgenen ablaufen und erst im Nachhinein erkannt werden. Zu diesen gehört eine Eruption, die sich seit Mitte 2018 vor der Küste der Komoreninsel Mayotte ereignet hat. Schon damals wunderten sich Inselbewohner und Forscher über einer Serie von fast täglichen leichten Erdbeben, gekoppelt mit immer wieder auftretenden stärkeren Erschütterungen.

Mayotte
Blick auf die Komoreninsel Mayotte. © Yann974 /iStock.com

„In der Zeit von Mai bis November 2018 ereigneten sich 29 Erdbeben mit einer Magnitude stärker als 5“, berichten Anne Lemoine von der französischen Forschungsorganisation CNRS und ihre Kollegen. Im Laufe dieser „seismischen Krise“, wie die Forscher dies bezeichnen, driftete die gesamte Insel Mayotte um 16 Millimeter pro Monat nach Osten und sank gleichzeitig um neun Millimeter pro Monat ab.

Rätselhaftes „Summen“

Merkwürdig auch: Ein Teil der Erschütterungen entsprach nicht dem üblichen seismischen Muster tektonischer Erdbeben. Die sonst typischen P- und S-Wellen fehlten, stattdessen registrierten Messstationen weltweit ein monochromatisches „Summen“ mit der Wellenlänge von rund sechs Sekunden, das von einem Ort östlich der Insel Mayotte zu kommen schien.

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Was aber war die Ursache dafür? Um das herauszufinden, hat die Forschungsorganisation CNRS ein Forschungsschiff in die Region geschickt, die das Phänomen und die merkwürdigen Veränderungen näher untersuchen sollte. Nathalie Feuillet vom Institut für Geophysik in Paris und ihr Team kartierten den Meeresgrund östlich der Insel mittels Sonar, platzierten zusätzliche Seismometer und entnahmen Gesteinsproben aus dem dort rund 3.5000 Meter tief liegenden Untergrund.

Ein neuer Unterseevulkan

Als die Forscher die Sonardaten auswerteten, entdeckten sie Überraschendes: Am Grund der Tiefsee, rund 50 Kilometer von der kleinen Nebeninsel Mayottes, Petite-Terre, entfernt, ist ein neuer Unterseeberg entstanden. „Seine Höhe wird auf 800 Meter geschätzt, seine Basis hat einen Durchmesser von vier bis fünf Kilometern“, berichten die Forscher. Das Sonar zeigte zudem Ströme von Gasblasen, die von den Flanken dieses Unterwasserbergs aufstiegen.

„Etwas Derartiges haben wir noch nie gesehen“, sagt Feuillet. Alles deutet darauf hin, dass hier ein neuer Unterseevulkan geboren wurde – und dass sich vor Mayotte eine erhebliche Unterwasser-Eruption ereignet hat und noch immer anhält. Die Entdeckung dieses Vulkans erkläre auch die seismischen Erschütterungen, die seit einem Jahr in der Nähe der Insel Mayotte registriert werden.

Größte bekannte Offshore-Eruption

Damit hat sich die schon im Februar 2019 veröffentlichte Vermutung von Lemoine und ihrem Team bestätigt: „Wir glauben, dass die seismische Krise von 2018 auf eine Eruption zurückgeht – es könnte sich sogar um die Offshore-Eruption mit dem größten jemals dokumentierten Magmavolumen handeln.“ Nach Schätzungen der Forscher könnten mittlerweile bis zu fünf Kubikkilometer Magma aus der in rund 28 Kilometer Tiefe liegenden Magmakammer ausgetreten sein.

Das geschmolzene Gestein erreichte aber zum großen Teil nicht die Oberfläche des Meeresgrunds, sondern verteilte sich unter der dicken Sedimentschicht dieses Meeresgebiets, wie die Forscher erklären. Gleichzeitig sank die Decke der Magmakammer ab und trug damit zum Absinken von Mayotte bei. Wie viel Magma noch in dieser Kammer vorhanden ist und wie die Eruption sich weiter entwickeln wird, muss nun in weiteren Untersuchungen geklärt werden.

Wie groß ist das Risiko für Mayotte?

Noch ist nicht klar, ob möglicherweise eine noch explosivere Eruption aus diesem Vulkanherd droht. Vom Forschungsschiff geborgene Gesteinsproben vom Unterwasservulkan deuten auf eine relativ gasreiche Lava hin: „Die Steine knackten, als wir sie an Bord holten“, berichtet Feuillet. Dieses Knacken entsteht, wenn unter hohem Druck im Gestein komprimiertes Gas entweicht. Weitere Analysen des Vulkangesteins und des Meeresgrunds sollen nun klären, wie explosiv die Lage ist.

Ebenfalls ungeklärt ist das Risiko eines Tsunami, wie die Forscher erklären: „Wir können nicht ausschließen, dass der Untergrund über dem sich leerenden Reservoir kollabiert“, sagen Lemoine und ihr Team. Halte der Ausbruch weiter an, könnte der Meeresgrund auf einer Fläche von rund zwölf Kilometern Durchmesser um rund 20 Zentimeter absacken. „Ein solches Volumen liegt im Bereich einiger bekannter Tsunami-Herde, die durch Erdbeben oder Erdrutsche ausgelöst wurden“, so die Wissenschaftler.

Eine weitere Sorge bereiten die immer weiter nach Westen Richtung Mayotte wandernden Bebenherde. Sollte sich dort ein stärkeres Erdbeben ereignen, könnte dies Rutschungen an den Flanken der Insel verursachen – und dies wiederum könnte einen Tsunami nach sich ziehen. Das französische Büro für Geoforschung und Bergbau (BRGM) hat bereits zusätzliche Mittel mobilisiert, um die Erforschung des neuen Unterwasservulkans fortzusetzen und die Risiken für Mayotte zu erkunden. (Geophysical Journal, submitted)

Quelle: Bureau de Recherches Géologiques et Minières (BRGM), Science News

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