Durch die globale Erwärmung könnte sich die Häufigkeit polarer Wirbelstürme im Nordatlantik bis zum Ende des Jahrhunderts halbieren. Gleichzeitig verlagern sich die Entstehungsgebiete dieser Polartiefs in Zukunft weiter nordwärts. Wie deutsche Forscher jetzt in „Nature“ berichten, stellt dies damit einen der wenigen Fälle dar, in denen ein extremes Wetterereignis durch den Klimawandel seltener statt häufiger wird.
Polartiefs sind kleinräumige Stürme, die in den Ozeanen der hohen Breiten auftreten und tropischen Wirbelstürmen ähneln. Auch wenn Polartiefs nicht zu jeder Zeit Orkanstärke erreichen, sind sie für die Seefahrt und Küstengebiete besonders tückisch, da sie sich sehr plötzlich entwickeln können. Hinzu kommt, dass Polartiefs aufgrund ihres geringen Durchmessers von nur einigen hundert Kilometern schwer vorhersehbar sind und von globalen Klimamodellen nicht erfasst werden.
Berechnung macht Vergangenheit und Zukunft sichtbar
Um herauszufinden, ob sich die Häufigkeit von Polartiefs im Nordatlantik im Zuge des Klimawandels
bereits verändert hat, untersuchten Matthias Zahn und Professor Hans von Storch, Leiter des Instituts für Küstenforschung am GKSS-Forschungszentrum Geesthacht und Mitglied des KlimaCampus der Universität Hamburg, zunächst globale atmosphärische Daten zwischen 1948 und 2006. Ein von ihnen entwickeltes mathematisches Verfahren ermöglichte es dabei, auch solche Wirbelstürme am Computer zu reproduzieren und zu detektieren, die in der Vergangenheit aufgrund mangelnder
Satellitenabdeckung nicht entdeckt wurden.
Mithilfe von regionalen Rechenmodellen simulierten die Wissenschaftler anschließend die Häufigkeit und Verteilung polarer Wirbelstürme bis zum Ende dieses Jahrhunderts unter verschiedenen Klimaszenarien, wie sie das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) prognostiziert.
Häufigkeit halbiert
Die Modellierung der vergangenen Dekaden ergab, dass die Berechnungen die Menge und Verteilung der Polartiefs mit den Beobachtungen übereinstimmend rekonstruierten. Dies diente auch der Überprüfung, ob die Zukunftsszenarien auf realistischen Voraussetzungen beruhen. Die Berechnungen für die Entwicklung bis Ende des Jahrhunderts brachten eine Überraschung: Denn sie zeigten, dass die Polartiefs bis Ende des Jahrhunderts deutlich weniger werden, wenn die Klimaerwärmung anhält. Je nach Szenario lag der Rückgang bei bis zu 50 Prozent.
Entstehungsgebiete wandern nach Norden
Das sich erwärmende Klima beeinflusst jedoch nicht nur die Anzahl der polaren Wirbelstürme, es verändert auch deren räumliche Verteilung. Das Modell zeigt, dass diese Wetterereignisse sich in Zukunft weiter in Richtung Norden verlagern. Die heute noch südlich und westlich von Island liegenden Dichtemaxima verschwinden am Ende des Jahrhunderts. Dafür nimmt eine Region vor Norwegen an Bedeutung zu, außerdem bewegt sich ein weiteres Dichtezentrum südöstlich von Spitzbergen weiter nach Norden in die grönländische See.
Ungleiche Erwärmung von Meer und Atmosphäre
Zahn, der mittlerweile in England an der Universität in Reading forscht, führt den Rückgang der polaren Wirbelstürme auf einen veränderten vertikalen Temperaturgradient zurück: „Die Atmosphäre erwärmt sich heute und in Zukunft schneller als der Ozean unter ihr. Dadurch nimmt die treibende Kraft – der Temperaturunterschied zwischen Wasser und Luft ab“, so der Forscher. Messdaten der vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass Teile des Nordatlantiks, beispielsweise zwischen Island und Grönland, sich leicht abgekühlt haben – entgegen dem Trend zur allgemeinen Erwärmung auch der Meeresoberflächen.
Nach den Prognosen der IPCC wird sich bis zum Ende des Jahrhundert zwar auch der Nordatlantik erwärmen, jedoch im Verhältnis deutlich weniger als die über ihm liegenden Luftmassen, die gerade in der Arktis bereits jetzt zu den am schnellsten wärmer werdenden Luftgebieten gehören. Diese Unterschiede führen zu einem stabilisierenden Effekt auf die Atmosphäre, als Folge wird die Bildung von Polartiefs gehemmt. Gleichzeitig werden weiter nördlich gelegene Regionen des Ozeans in Zukunft häufiger eisfrei, dadurch können sich zukünftig auch dort Polartiefs entwickeln.
(GKSS-Forschungszentrum Geesthacht, 17.09.2010 – NPO)