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Klima

Klimawandel: Last der jungen Generation quantifiziert

Heutige Kinder werden bis zu siebenmal mehr Wetterextreme erleben als ihre Großeltern

Dürre
Extreme Wetterereignisse wie Dürren werden heutige Kinder im Laufe ihres Lebens bis zu siebenmal häufiger durchstehen müssen. © 15308757/ Getty images

Ungleich verteilt: Wie schwer die junge Generation unter den Folgen des Klimawandels leiden wird, haben Forscher jetzt erstmals genauer aufgeschlüsselt. Die 2020 geborenen Kinder werden demnach im Laufe ihres Lebens zwei bis siebenmal häufiger schwere Wetterextreme durchleben müssen als ihre Großeltern – sofern der Klimaschutz auf dem bisherigen Kurs bleibt. Besonders betroffen ist die Jugend in den ärmeren Ländern des Südens, aber auch in Mitteleuropa wird die Last steigen, so das Team in „Science“.

Der aktuelle Weltklimabericht des IPCC bestätigt, dass der Klimawandel schon jetzt erhebliche Folgen hat: Waldbrände, Hitzewellen, Dürren und Starkregen nehmen in vielen Regionen zu – auch bei uns. Gleichzeitig reichen die bisher eingereichten Klimaschutzziele nicht aus, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie im Pariser Klimaabkommen beschlossen. Für Deutschland entschied kürzlich sogar das Bundesverfassungsgericht, dass der ungenügende Klimaschutz kommende Generationen in unzulässiger Weise benachteilige.

Auf das einzelne Leben heruntergebrochen

Wie stark die Belastung der heutigen Kinder in Zukunft konkret wird, haben nun Wim Thiery von der Freien Universität Brüssel und seine Kollegen ermittelt. Dafür werteten sie Daten und Prognosen dazu aus, wie oft sechs Wetterextremen aus – Waldbrände, Dürren, Hitzewellen, Missernten, Flusshochwasser und tropische Stürme – bei 1,5 Grad Erwärmung oder bei den zurzeit realistischen drei Grad Erwärmung vorkommen werden.

Das Besondere dabei: Erstmals rechneten die Wissenschaftler diese Prognosen auf das Leben eines Einzelnen herunter. Kernfrage dabei: Wie viele dieser Wetterextreme wird ein heute in verschiedenen Regionen der Erde geborenes Kind im Laufe seines Lebens durchstehen müssen – und wie unterscheidet sich dies gegenüber der Belastung der heute über 40- oder über 60-Jährigen? Anhand von Bevölkerungsdaten und durchschnittlicher Lebensdauer untersuchte das Team zudem, wie sie dies je nach Region unterscheidet.

30 Mal Jahrhundert-Hitze

Das Ergebnis bestätigt: Die Folgen eines unzureichenden Klimaschutzes wird vor allem die Generation der heute Geborenen zu spüren bekommen. Denn sie müssen mit erheblichen Mehrbelastungen durch Wetterextreme rechnen, wenn der Klimatrend Richtung drei Grad geht. Konkret könnte ein heute geborenes Kind im Laufe seines Lebens gut 30 „Jahrhundert“-Hitzewellen an seinem Wohnort miterleben – siebenmal mehr als ein heute 60-Jähriger in seinem gesamten Leben.

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Ähnliches zeigt sich auch bei den anderen Wetterextremen: Heutige Kinder werden doppelt so viele schwere Waldbrände, zwei bis dreimal so viele Dürren und dreimal mehr Flusshochwässer und Missernten erleben als ihre Großeltern. Allein in Europa und Zentralasien betrifft dies 64 Millionen Kinder, in Afrika sogar 205 Millionen. „Sie alle werden eine beispiellose Belastung durch Extremereignisse erleben“, konstatieren die Wissenschaftler.

Last auch regional ungleich verteilt

Dabei ist die Belastung nicht nur zwischen den Generationen ungleich verteilt – auch die Region spielt eine Rolle. Den Berechnungen nach werden die heutigen Kinder im Nahen Osten, Zentralafrika, Südostasien und Teile von Zentralasien besonders stark unter einer Zunahme der Wetterextreme leiden. „Der Geburtsjahrgang von 2020 wird in den Ländern dieser Regionen mehr als zehnmal häufiger extreme Hitzewellen erleben als die heute 60-Jährigen, wenn die heutigen Klimaschutzzusagen nicht aufgestockt werden“, schreiben Thiery und seine Kollegen. „Ähnliches gilt für die anderen Extremkategorien.“

Die Wissenschaftler betonen zudem, dass ihre Resultate die individuelle Belastung im Lebensverlauf eher unterschätzen. „Wir haben nur die Häufigkeit der Extremereignisse betrachtet, nicht die Veränderungen ihrer Intensität oder Dauer“, erklären sie. Auf die schlimmeren Folgen kombinierter Wetterextreme seien nicht berücksichtigt worden. „Außerdem haben wir nur die Belastung durch lokale Ereignisse betrachtet, obwohl Extremereignisse wie Missernten den Nahrungsmittelpreis regional und sogar global destabilisieren können.“

Ein Viertel weniger beim 1,5-Grad-Ziel

Immerhin gibt es noch die Chance, die Last der jungen Generation zumindest abzumildern: „Wir können einen Teil der Klimalast von den Schultern unserer Kinder nehmen, wenn wir die Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen“, sagt Koautorin Katja Frieler vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. „Wenn wir unsere aktuellen Emissions-Minderungsziele verschärfen, können wie die Exposition der jungen Generation gegenüber extremen Wetterereignissen im globalen Schnitt um 24 Prozent verringern.“

Für die Kinder Europas wäre dies eine Entlastung um 28 Prozent, für Nordamerika um 26 Prozent und für den Nahen Osten und Nordafrika sogar um 39 Prozent. Trotzdem werden die heute Geborenen im Laufe ihres Lebens noch mit deutlich mehr Klimafolgen zu kämpfen haben als ihre Großeltern: „Aber selbst, wenn der Klimawandel auf 1,5 Grad begrenzt wird, werden die heutigen Kinder viermal mehr Wetterextreme erleben – ein Anstieg, der die älteren Generationen selbst dann nicht trifft, wenn die Erwärmung auf 3,5 Grad zusteuert“, erklärt das Forschungsteam.

„Große Bedrohung für die jungen Generationen“

Insgesamt bestätigt die Studie damit, dass die junge Generation die Hauptleidtragenden des Klimawandels auch in Bezug auf die Wetterextreme sein werden. Obwohl sie in der Politik wenig zu sagen haben und nicht einmal wählen dürfen, wird ihr künftiges Schicksal größtenteils von der Generation Ü-60 bestimmt – der Gruppe, für die es kaum einen Unterschied machen wird, welchem Klimaschutzpfad die Welt folgt.

„Unsere Ergebnisse unterstreichen die große Bedrohung für die jungen Generationen und appellieren für drastische Emissionsreduktionen, um ihre Zukunft zu sichern“, sagt Thiery. (Science, 2021; doi: 10.1126/science.abi7339)

Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

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