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Klima

Klimaschutz: Spürbar erst in Jahrzehnten

Selbst ein sofortiger Stopp der CO2-Emissionen hätte erst ab 2033 nachweisbare Effekte

Emissionen
Die Klimaschutzmaßnahmen von heute werden erst mit Jahrzenten Verzögerung am globalen Klima erkennbar werden. © hansenn/ iStock.com

Verzögerter Effekt: Selbst wenn wir heute alle CO2-Emissionen stoppen würden, könnten wir den Effekt dieser Maßnahme aufs Klima erst ab 2033 nachweisen. Ein Klimaschutz entsprechend des Zwei-Grad-Ziels würde sich sogar erst 2047 bemerkbar machen, wie Forscher berichten. Der Grund: Zwar wirkt die Emissionsminderung sofort, doch die träge Reaktion des Klimasystems und die natürlichen Schwankungen verzögern ihren Effekt.

Das Klimasystem der Erde reagiert nur träge auf Veränderungen. So reagiert die pazifische Tiefsee erst jetzt auf die schon mehrere Jahrhunderte zurückliegende „Kleine Eiszeit“. In der Atmosphäre wiederum erreicht das Kohlendioxid, das wir heute ausstoßen, erst in zehn Jahren seine maximale Treibhauswirkung. Dafür wird es dann noch das Klima unserer Enkel beeinflussen.

„Der anthropogene Klimawandel kann mit einem Tanker verglichen werden, der mit Vollgas durch die Wellen pflügt“, erklärt Bjørn Samset vom Center for International Climate Research in Norwegen. „Wenn man dann den Rückwärtsgang einlegt, wird es einige Zeit dauern, bis man merkt, dass das Schiff langsamer fährt.“

Klimaschutz im Zeitraffer

Was dies für den Klimaschutz konkret bedeutet, haben Samset und sein Team nun näher untersucht. „Wenn wir heute ein Klimagas stark reduzieren würden – wann könnten wir dann die Vorteile in Form einer verringerten Erwärmung nachweisen?“, war ihre Ausgangsfrage. Dafür spielten sie in einem Klimamodell verschiedene Szenarien durch. Ausgangspunkt war jeweils ein Grundszenario mit einer Erwärmung von 2,6 Grad bis 2100.

Die Forscher testeten dann, wie sich bei Treibhausgasen wie CO2, Methan oder Lachgas ein kompletter Stopp, eine jährliche Reduktion um fünf Prozent oder aber ein Klimaschutz entsprechend dem Zwei-Grad-Ziel auf die globalen Temperaturen auswirken würde – und noch wichtiger: Ab wann man diesen Klimaeffekt eindeutig nachweisen könnte. „Diese Frage ist alles andere als trivial“, betonen die Wissenschaftler. Denn die Trägheit des Klimasystems, aber auch die starken natürlichen Schwankungen machen es schwer, langfristige Trends eindeutig zu identifizieren.

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Zeitverzögerung
Zeiten, ab denen Emissionsminderungen zu nachweisbaren Temperaturänderungen führen. © Samset et al./ Nature Communications, CC-by-sa 4.0

Klares Signal frühestens ab 2033

Das Ergebnis: Selbst wenn wir heute sämtliche CO2-Emissionen stoppen würden, könnten wir den positiven Effekt dieser Maßnahme erst frühestens ab 2033 nachweisen. Bis 2100 ließe sich damit aber immerhin ein Grad Erwärmung vermeiden. Bei einem Klimaschutz entsprechend dem Pariser Klimaabkommen würde es sogar bis 2047 dauern, um klare Effekte der CO2-Reduktion zu erkennen, wie die Wissenschaftler berichten. Bei den Treibhausgasen Methan oder Lachgas wäre die Verzögerung sogar noch etwas stärker.

Das bedeutet, dass selbst ein erfolgreicher Klimaschutz zunächst kaum spürbar sein wird. Sowohl die globalen Temperaturen als auch die Wetterextreme werden zunächst weiter ansteigen. „So wie es einige Zeit gedauert hat, bis wir den Klimawandel beweisen konnten, werden wir Geduld benötigen, bevor wir wissen, dass unsere Maßnahmen gegen die Erwärmung die gewünschte Wirkung haben“, sagt Samset.

Wie bei der Corona-Pandemie

Der Klimaforscher vergleicht diesen Verzögerungseffekt mit dem des Social Distancing während der Corona-Pandemie: „Es wirkt vom ersten Tag an, aber wegen der Inkubationszeit dauert es einige Zeit, bis man den Effekt an den Infektionszahlen sieht“, erklärt Samset. „Auf die gleiche Weise führt jede Verringerung des Treibhausgas-Ausstoßes dazu, dass weniger Hitze absorbiert wird, aber bis wir das messen können, vergeht einige Zeit.“

Und ähnlich wie bei der Corona-Pandemie kann die Kombination aus Verzögerung und dem sogenannten Präventionseffekt dazu führen, dass die Wirksamkeit und Notwendigkeit der Maßnahmen angezweifelt werden: „Wenn die Klimaschutzmaßnahmen einmal gegriffen haben, werden wir nicht mehr feststellen können, wie das Klima ohne sie gewesen wäre“, erklären Samset und sein Team.

Akzeptanz durch Kommunikation

Das aber kann zu Problemen bei der Akzeptanz der Klimaschutz-Maßnahmen und der Kommunikation ihrer Notwendigkeit führen: „Die Tatsache, dass sich der Klimawandel über Jahrzehnte und Jahrhunderte entwickelt, aber die Aufmerksamkeitsspanne medialer Öffentlichkeiten zum Teil nicht über ein paar Tage hinausreicht, ist der Kern des Kommunikationsproblems Klimawandel“, kommentiert Michael Brüggemann von der Universität Hamburg die Ergebnisse von Samset und seinem Team.

Ähnlich sieht es auch Stefan Hagemann vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht: „Es ist sehr wichtig, dieses verzögerte Sehen von klimarelevanten Effekten in die Öffentlichkeit und zu Entscheidungsträgern zu kommunizieren. Daher hat diese Studie eine hohe Relevanz“, schreibt er in einem Kommentar. (Nature Communications, 2020; doi: 10.1038/s41467-020-17001-1)

Quelle: Centre for International Climate and Environmental Research (CICERO)

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