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Klima

Klima: Hat Asien einen Kipppunkt erreicht?

Zunehmende Rückkopplung zwischen Hitzewellen und Dürren deutet auf neues Klimaregime hin

Mongolei
Das Klima im Inneren Asiens ist von Natur aus eher trocken, aber inzwischen schaukeln sich Hitzewellen und Trockenheit vermehrt gegenseitig hoch. © bizoo_n/ iStock.com

Irreversibel gekippt? In Teilen Asiens könnte das Klima bereits einen Kipppunkt erreicht haben – den Übergang zu einem neuen Klimaregime. Indizien dafür liefern Baumringdaten aus der Mongolei, die eine starke Zunahme von Hitzewellen und Dürren in den letzten 20 Jahren dokumentieren. Dahinter steht eine positive Rückkopplung, die das Klima Zentralasiens irreversibel verändert haben könnte, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.

Von einem Kipppunkt sprechen Klimaforscher immer dann, wenn ein Element des Klimasystems in einem neuen, potenziell irreversiblen Zustand wechselt. Dann pendelt sich ein neues Gleichgewicht ein, das durch positive Rückkopplungen in sich stabil gehalten wird. Beispiele sind der Waldverlust am Amazonas, das möglicherweise schon unumkehrbare Abschmelzen der Westantarktis oder die Tundrabrände in der Arktis.

Wenn solche Kippelemente in ein neues Regime wechseln, kann dies schwerwiegende Folgen für die Umwelt und den Rest des Klimasystems haben und eine ganze Kaskade weiterer Rückkopplungen in Gang setzen. Im Extremfall kippt das gesamte Weltklima in ein neues, wärmeres Gleichgewicht – eine neue Heißzeit.

Jahresringe
Jahresringe einer Kiefer aus der Mongolei – sie geben Aufschluss über das vergangene Klima. © Peng Zhang

Baumringe als Klimazeugen

Umso besorgniserregender ist es, dass das Klima Zentralasiens bereits einen solchen Kipppunkt erreicht haben könnte. Hinweise darauf haben Peng Zhang von der Chonnam Nationaluniversität in Korea und seine Kollegen bei der Auswertung von Baumringdaten aus der Mongolei und angrenzenden Regionen Asiens gefunden. Diese Gebiete sind typischerweise eher semi-arid und durch Steppen und Wüsten gekennzeichnet.

Die Forscher wollten jedoch wissen, ob und wie sich das Klima dieser Regionen im kontinentalen Herzen Asiens in den letzten 206 Jahren verändert hat. „Indem wir Baumarten auswählen, deren Wachstum sensibel auf Wetterschwankungen reagiert, können wir verschiedene Klimaparameter über hunderte Jahre zurück rekonstruieren“, erklärt Koautor Hans Linderholm von der Universität Göteborg. Dadurch ließen sich sowohl Dürren und Veränderungen der Bodenfeuchte wie auch Hitzewellen rekonstruieren.

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Weniger Feuchte und mehr Hitze

Das Ergebnis: Bis zum 20. Jahrhundert gab es in der Mongolei kaum Veränderungen bei der Bodenfeuchte und der Häufigkeit von Hitzewellen. Dann allerdings ereignete sich ein deutlicher Wandel. Den Anfang machten dabei die Hitzewellen, die schon seit den 1970er Jahren stark zugenommen haben. „Ihre Frequenz überschreitet die natürliche Variabilität der letzten 260 Jahre seither bei weitem“, berichten Zhang und seine Kollegen.

Seit Ende des 20. Jahrhunderts zeigt sich auch ein deutlicher Wandel bei der Bodenfeuchte: Sie hat einen Rekord-Tiefstand erreicht, der um mehr als zwei Standardweichungen von dem langjährigen Durchschnitt abweicht. Die zunehmende Trockenheit ist auch an den Seen der Mongolei zu beobachten: Schon im Jahr 2014 hatten chinesischen Forscher einen Rückgang der dortigen Seenfläche um 26 Prozent dokumentiert. „Jetzt sehen wir, dass nicht nur die größeren Gewässer verschwinden, sondern auch das Wasser im Boden“, sagt Zhangs Kollege Jee-Hoon Jeong.

Positive Rückkopplung treibt Zustandswechsel

Das Ungewöhnliche daran: Bis in die 1950er Jahre hinein waren warme Perioden langfristig eher an Wetterlagen mit leicht erhöhten Niederschlägen gekoppelt, wie die Forscher erklären. Dadurch wurden Hitzeextreme eher gedämpft. „Jetzt zeigen unsere Rekonstruktionen seit Ende des 20. Jahrhunderts eine substanzielle Verschiebung hin zu einem trocken-heißen Regime“, so Zhang und sein Team. Das sei für das innere Ostasiens beispiellos.

Nach Angaben der Forscher spricht dieser Wandel für einen grundlegenden Zustandswechsel in der Kopplung von Atmosphäre und Landoberfläche in dieser Region. Dabei dämpft die Bodenfeuchte nicht länger die Hitzeextreme, sondern verstärkt sie nun sogar – eine klassische positive Rückkopplung. „Die verringerte Bodenfeuchte trägt zur Aufheizung der Landoberfläche bei, das wiederum fördert Hitzewellen, die ihrerseits dann die Bodenfeuchte weiter verringern und so weiter“, sagt Zhang.

Auswirkungen auch für den Rest der Nordhalbkugel

Damit könnte das Klima im gewaltigen Herzen Asiens bereits einen Kipppunkt erreicht haben – einen Zustand, der sich nun neu eingependelt hat und vorerst nicht mehr reversibel ist. „Wenn aber das schon das ’neue Normal‘ extrem heiß und trocken verglichen mit historischen Werten ist, dann könnten die zukünftigen Wetterextreme sich von allem unterscheiden, das wir kennen“, sagt Koautor Daniel Griffin von der University of Minnesota.

Folgen hätte dies aber nicht nur für Klima und Ökosystem der Region – auch das globale Klima könnte davon beeinflusst sein. Denn die Zentrum Asiens ist eng in die globale atmosphärische Zirkulation eingebunden. Wenn sich daher über der Mongolei eine Hitzewelle mit anhaltendem Hochdruckgebiet bildet, beeinflusst dies über den Jetstream und andere Luftströmungen auch andere Regionen der Nordhalbkugel, wie die Forscher erklären. (Science, 2020; doi: 10.1126/science.abb3368)

Quelle: Universität Göteborg, Utah State University

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