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Klima

Klima bestimmt Aussehen der Blätter

Zusammenhang zwischen Durchschnittstemperaturen und Blattformen entdeckt

Blätter © IMSI MasterClips

Ob in einem bestimmten Gebiet Pflanzenarten mit überwiegend großen oder kleinen Blättern wachsen und ob sie etwa gezähnte oder ganzrandige Blattränder haben, hängt nicht einfach von Launen der Natur ab. Die Vermutung liegt nahe, dass sich Pflanzen über längere Zeiträume an ihre Umweltbedingungen optimal anpassen – auch in Bezug auf ihre Blätter. Nun haben Tübinger Wissenschaftler in einer Studie untersucht, wie Blattformen und Klimabedingungen in Europa zusammenhängen.

Im Rahmen ihrer Untersuchungen haben sie dafür ein geografisches Raster über den Kontinent gelegt und die räumliche Verteilung verschiedener Blattformen mit Hilfe von künstlich erstellten, auf europäische Verhältnisse abgestimmten Floren ermittelt. Sie stellten fest, dass sich auch in Europa die jeweils überwiegend vorkommenden Blattformen entlang von Klimagradienten zuverlässig vorhersagen lassen. Temperaturminima in einem Gebiet haben danach einen deutlich stärkeren Einfluss auf die Blattformen als die Temperaturmaxima.

Winter-Linde, Rote Heckenkirsche und Feldahorn im Visier der Forscher

Bislang ließ sich auf einigen Kontinenten bereits ein deutlicher Zusammenhang zwischen den Blattformen und dem Klima feststellen. Danach war bereits bekannt, dass glatte, ungezähnte Blattränder in den Tropen dominieren, gezähnte Blattränder dagegen häufiger in kälteren Regionen vorkommen.

Für ihre Untersuchung in Europa haben sich die Forscher Christopher Traiser, Stefan Klotz, Dieter Uhl und Professor Volker Mosbrugger vom Institut für Geowissenschaften der Universität Tübingen auf holzige Pflanzen, wie zum Beispiel Winter-Linde, Rote Heckenkirsche und Feldahorn, konzentriert.

Das erschien sinnvoll, da krautige Pflanzen allgemein stärker vom kleinräumigen Klima am lokalen Standort abhängig sind als Bäume. Letztere werden zudem mehrere Jahrzehnte alt und spiegeln die langfristigen Klimabedingungen besser wider. Bei bisherigen Studien zum Zusammenhang zwischen Blattformen und Klimafaktoren wurden häufig Pflanzensammlungen an Ort und Stelle durchgeführt oder es wurde auf bereits bestehende Herbarsammlungen und Florenlisten zurückgegriffen.

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Christopher Traiser und das Team wählten jedoch eine neue Methode, um der weiten Ausdehnung des Untersuchungsgebiets sowie der Tatsache, dass man heutzutage in Europa kaum noch vom Menschen unbeeinflusste Vegetation findet, gerecht zu werden. Sie arbeiteten dabei mit abstrakten Florenlisten, die aus den europäischen Verbreitungsdaten von bislang 108 einheimischen Arten holziger Pflanzen zusammengestellt sind.

Künstliche Flora bestimmt

Die Forscher legten über das Gebiet der Längengrade von 10 Grad West bis 45 Grad Ost und von 30 bis 65 Grad nördlicher Breite ein geografisches Raster mit jeweils 0,5 Grad mal 0,5 Grad großen Zellen. In Mitteleuropa entspricht eine solche Zelle in der West-Ost-Richtung etwa 35 Kilometern, in der Nord-Süd-Ausdehnung etwa 55 Kilometern. Sie werteten für die Eichung ihrer Datensammlung nur diejenigen Rasterzellen aus, die zwischen Meereshöhe und 400 Metern Höhe liegen und in denen mindestens 25 verschiedene Arten zu finden sind. Für die eigentliche Analyse bestimmten die Wissenschaftler für jeden Punkt im Untersuchungsgebiet eine künstliche Flora, die sich aus denjenigen Arten der Liste von 108 holzigen Pflanzen zusammensetzt, deren Ausbreitungsbereich diesen Punkt mit umfasst.

Die Geowissenschaftler haben festgestellt, dass Blätter mittlerer Größe – zwischen 400 und 3600 Quadratmillimetern – die europäische Vegetation mit rund 60 bis 80 Prozent der Blätter insgesamt dominieren. Kleine Blätter – weniger als 400 Quadratmillimeter – kommen am häufigsten im Mittelmeerraum mit einem Anteil von 23 Prozent an den gesamten Blättern und mit einem zweiten Maximum im Norden (16 Prozent) vor. Große Blätter mit mehr als 3.600 Quadratmillimetern gibt es am häufigsten im Osten des Kontinents (26 Prozent), den geringsten Anteil machen sie im Mittelmeerraum mit neun Prozent aus.

Verhältnis Blattlänge zu –breite untersucht

Beim Verhältnis Blattlänge zu -breite überwiegen in allen Regionen des Untersuchungsgebiets die mittleren Verhältnisse. Dagegen sind in der Mittelmeerregion bis zu 28 Prozent der Blätter lang und schmal, während breite Blätter kaum vorkommen. Im Nordosten des Kontinents sind umgekehrt so gut wie gar keine langen, schmalen Blätter zu finden, dagegen aber bis zu 24 Prozent breite Blätter.

Blätter mit ganzem, ungezähntem Rand zeigen beim anteiligen Vorkommen an den gesamten Blättern einen abnehmenden Verlauf von der südlichen Mittelmeerregion und dem westlichen Atlantikgebiet mit hohen Anteilen (etwa 37 bis 48 Prozent) bis in den Nordosten mit einem geringen Anteil (etwa elf bis 18 Prozent).

Die Wissenschaftler fanden ferner heraus, dass allgemein die Temperaturminima in einem Gebiet deutlich stärkeren Einfluss auf die Blattformen haben als die Temperaturmaxima. Global gesehen sind große Blätter vor allem bei hohen durchschnittlichen Jahrestemperaturen und Niederschlägen, also unter tropischen Bedingungen, zu finden.

Blattgröße nimmt von den Subtropen zu den Polen ab

Weiterhin nimmt die Blattgröße von den Subtropen über die gemäßigten Breiten bis hin zu den Polen kontinuierlich ab. Die Ergebnisse für Europa passen damit gut in dieses Muster: Im gemäßigten Klima finden sich überwiegend mittelgroße Blätter. Wie für andere Kontinente zeigte sich auch in Europa, dass der Anteil an ungezähnten Blättern in einer Vegetation von der durchschnittlichen Jahrestemperatur abhängt – je höher die Temperatur, desto höher ist auch der Anteil an Blättern mit glattem, ungezähntem Rand. Dass sich solche Zusammenhänge – je nach Kontinent mehr oder weniger deutlich – global feststellen lassen, bestärkt die Forscher in der Annahme, dass das Klima eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung bestimmter Blattformen spielt.

In der pflanzenökologischen Forschung ist es häufig schwierig, die Umweltfaktoren zu identifizieren, welche die Form einzelner Pflanzen bis hin zum komplexen Ökosystem bestimmen. Das ist jedoch für die Wissenschaftler nicht nur interessant, um die Evolution von Ökosystemen zu verstehen, sondern auch um etwa aus fossilen Pflanzenresten Rückschlüsse auf die Klimabedingungen früherer Zeiten ziehen zu können.

Die Forscher berichten über ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift New Phytologist.

(idw – Universität Tübingen, 29.04.2005 – DLO)

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