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Zellbiologie

„Kleiner Bruder“ des Zelltods im Visier

Zellulärer Selbstreinigungsmechanismus gibt Rätsel auf

Autophagie-Vesikel in Aktion © Klionsky und Rafferty

Die Zellen aller höheren Organismen besitzen einen internen Mechanismus, um Teile ihrer selbst abzubauen oder zu recyceln. Dieser auch als Autophagie bezeichnete Prozess wurde erst kürzlich entdeckt. Ob diese Selbstreinigung die Zellen schädigt oder sie schützt, ist bislang unklar – könnte sich aber für die Entwicklung und Erforschung von Krebs und anderen Erkrankungen als entscheidend erweisen.

Die Autophagie gilt heute neben der Apoptose, als die zweite Form des programmierten Zelltods und als ähnlich vielversprechende Ansatzstelle für mögliche Therapien. Die Zeitschrift Science widmet daher in der aktuellen Ausgabe diesem Forschungsgebiet ihren Titel. Erst kürzlich sind in vielen Organismen Gene identifiziert worden, die die Autophagie steuern, gleichzeitig sind auch einige der Umweltfaktoren bekannt, die den Prozess auslösen können.

Gut oder böse?

Doch noch lassen die bisherigen Erkenntnisse keinen eindeutigen Rückschluss darüber zu, ob die Autophagie gut oder schlecht für die Zelle und den gesamten Organismus ist. “Es könnte auch beides sein, abhängig davon, wann sie stattfindet”, erklärt Daniel Klionsky, Professor für Molekular- und Entwicklungsbiologie an der Universität von Michigan. „Autophagie ist der einzige Weg für die Zelle, um beschädigte Bestandteile loszuwerden ohne die gesamte Zelle zu zerstören.“

Während der Autophagie produziert die Zelle winzige Bläschen, Vesikel, die die entbehrlichen Zellbausteine umhüllen und auflösen. Autophagische Vesikel wurden bisher auch in Zellen während der Apoptose beobachtet, dabei konnten die Forscher jedoch nicht determinieren, ob die Bläschen gegen den Zelltod agieren oder die Zerstörung beschleunigen. Auch in einigen Formen von degenerativen Muskel- und Nervenerkrankungen wie ALS, Huntingtonscher Chorea, Parkinson oder Alzheimer sind Anreicherungen solcher Vesikel gefunden worden. Aber auch hier ist unklar, ob die Bläschen sich ansammeln, weil sie nicht benötigt werden oder aber weil die gestressten Zellen mehr Vesikel bauen.

Krebs: Beugt vor, aber schützt Tumorzellen?

“Bevor die Gene für Autophagie in der Hefe identifiziert wurden, war das gesamte Gebiet mit seiner Weisheit am Ende“, erklärt Klionsky. Jetzt dagegen können Forscher Autophagie-Gene in Mäusen, Menschen und anderen Organismen nachweisen und mit gezielt ihre Regulation verändern, um die Wirkungsweise zu erforschen.

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Insbesondere Krebsforscher suchen bereits seit längerem nach einem Weg, den programmierten Zelltod zu einer Art Selbstmordprogramm für Krebszellen umzufunktionieren. Eine Kontrolle der Autophagie könnte sich als ebenso wirkungsvoll erweisen. „Wenn man es nach Wunsch an und abschalten könnte, könnte es als Therapie eingesetzt werden“, so Klionsky. Autophagie fungiert als Tumorsuppressor, indem es die Zellgröße limitiert und beschädigte Bausteine entfernt, die freie Radikale oder genetische Mutationen erzeugen könnten. Eine Studie an Mäusen mit unterdrückter Autophagie hat gezeigt, dass die Tiere eine höhere Rate spontaner Tumorbildung aufwiesen. Aber gleichzeitig könnte dies auch die Krebszellen gegen einige Therapieformen schützen, indem es ihre Lebensdauer durch das Recyceln von Zellbausteinen verlängert.

Virenschutz und Jungbrunnen

Auch bei Infektionen scheint sich die Autophagie als nützlich für den Organismus zu erweisen, da sie eindringenden Viren und Bakterien aus den befallenen Zellen entfernen kann. Einige Krankheitserreger allerdings sind dagegen gewappnet und haben spezielle Gene entwickelt, die die Autophagie blockieren. Möglicherweise könnte sich Autophagie sogar als ein „Jungbrunnen“ erweisen. Experimente mit dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans haben gezeigt, dass eine blockierte Autophagie die Lebensdauer der Tiere deutlich verkürzte. „Das ist zur Zeit ein richtig heißes Forschungsfeld“, erklärt Klionsky. „Wir haben eine Menge richtig interessanter Fragen zur Autophagie zu beantworten.“

(University Of Michigan, 10.11.2004 – NPO)

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