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Umwelt

Keine Chance für Giftzwerge?

Streit um neues EU-Chemikalienrecht REACH

Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments (EP) hat gestern über das neue EU-Chemikalienrecht REACH beraten und mit deutlicher Mehrheit einer Kompromisslinie zugestimmt. Die Beweislast für die Sicherheit von Chemikalien bleibt danach bei der Industrie und wird nicht an eine gesonderte Chemikalien-Agentur verlagert. Nach dem Beschluss des Umweltausschusses sollen zudem mehr Stoffe geprüft werden als von der Chemischen Industrie gefordert und hochgefährliche Chemikalien strikt begrenzt werden.

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Zur Erleichterung des Mittelstandes schlug der Umweltausschuss vor, dass sich mehrere Unternehmen für die Registrierung von Chemikalien zu Konsortien zusammenschließen können. Während der Industrieausschuss Erleichterungen bei der Registrierung von Stoffen mit einer Produktionsmenge von bis zu 100 Jahrestonnen ermöglichen wollte, stimmte der federführende Umweltausschuss Erleichterungen nur für Produktionsmengen von maximal zehn Jahrestonnen zu.

Der EP-Umweltausschuss widerspricht mit seinem Votum zudem den Ausschüssen für Binnenmarkt und Industrie, die Verantwortung und Beweislast auf eine Chemikalien-Agentur verlagern wollen.

„Damit ist das Schlimmste verhindert worden. Die Reform des europäischen Chemikalienrechts darf nicht, wie von der Chemischen Industrie gefordert, noch weiter verwässert werden“, begrüßte Bundesumweltminister Jürgen Trittin das Abstimmungsergebnis im Umweltausschuss.

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Umweltorganisationen erleichtert

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Greenpeace, die Verbraucher Initiative und Women in Europe for a Common Future (WECF) zeigten sich in einer gemeinsamen Erklärung erleichtert, dass der EP-Umweltausschuss die Beweislast für die Sicherheit von Chemikalien bei der Industrie belassen hat. Damit hätte der Umweltausschuss einen Grundpfeiler der Chemikalienreform gestärkt. Positiv bewerteten sie auch, dass unakzeptable Chemikalien beim Vorhandensein von Alternativen ersetzt werden müssten. Allerdings kritisierten die Verbände, dass die Verordnung in der gegenwärtigen Form noch immer nicht ausreiche, um einen sicheren Schutz der Umwelt und der Bevölkerung vor giftigen Chemikalien zu garantieren.

Patricia Cameron, BUND-Chemikalienexpertin: „Der Umweltausschuss hat erfreulicherweise den Angriffen der Industrie auf REACH eine Absage erteilt. Dieses Ergebnis zeigt klar, dass am ursprünglichen Ziel, die Umwelt vor giftigen Chemikalien zu schützen, festgehalten wird.“

Allerdings wird der Entschluss, dass für 20.000 der Chemikalien zwischen ein und zehn Tonnen Jahresproduktion weiterhin keine ausreichenden Sicherheitsdaten geliefert werden müssen, von den Gruppen negativ bewertet. Dieses sei jedoch die Voraussetzung für Identifizierung und Ersatz gefährlicher Chemikalien. „Hier ist der Umweltausschuss gegenüber der Chemieindustrie eingeknickt und nimmt in Kauf, dass die Identifizierung von umweltschädlichen Chemikalien verhindert wird.“ so Sonja Haider vom WECF.

Enttäuschung bei der chemischen Industrie

Die chemische Industrie in Deutschland dagegen kritisierte die Entscheidung des Umweltausschuss heftig. Wie der Verband der Chemischen Industrie (VCI) in Frankfurt in einer ersten Stellungnahme betonte, habe der Umweltausschuss mit seinem Votum nicht der Notwendigkeit Rechnung getragen, REACH praktikabler und kosteneffizienter zu machen.

„Wenn es nach dem Umweltausschuss geht, bleibt REACH so bürokratisch und unverhältnismäßig teuer, wie es die EU-Kommission vor zwei Jahren konzipiert hat“, erklärte Gerd Romanowski vom VCI. Vor allem mittelständische Unternehmen würden so immense Schwierigkeiten bekommen, REACH umzusetzen. Dies hätten zahlreiche Praxistests und Untersuchungen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen eindeutig belegt.

Ein REACH-System, wie es die Mehrheit des Umweltausschusses anstrebe, werde vor allem in Deutschland zu einem erheblichen Abbau von Arbeitsplätzen führen. „Die meisten Mitglieder des Umweltausschusses“, so Romanowski, „haben nicht verinnerlicht, dass eine solche REACH-Verordnung das erklärte Ziel der EU in Frage stellt, Europa bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten und wachstumsstärksten Wirtschaftsraum der Welt zu machen.“

(BMU, BUND, Greenpeace, WECF, VCI, 05.10.2005 – DLO)

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