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Klima

Kaum Eis am Nordpol

MOSAiC-Expedition überquert mit der Polarstern den nördlichsten Punkt der Erde

Meereis
Selbst in der Nähe des Nordpols ist das Meereis in diesem Sommer brüchig, dünn und von offenem Wasser durchsetzt. © Folke Mehrtens/ AWI

Schmelztümpel und dünne Schollen statt dickem Packeis: Das Eis am Nordpol ist in diesem Jahr ungewöhnlich dünn und spärlich – und per Schiff erreichbar. Der Forschungseisbrecher Polarstern konnte deshalb den Pol problemlos erreichen. Am 19. August lag das Schiff auf 90 Grad Nord, umgeben nur von kleineren Eisschollen, auf denen zahlreiche Schmelzwassertümpel von einem intensivem Tauen zeugten.

Es ist inzwischen kaum mehr zu übersehen, dass die Arktis besonders stark vom Klimawandel betroffen ist: Die Erwärmung ist dem globalen Durchschnitt dort um mehrere Grad voraus und das arktische Meereis hat im Juli 2020 erneut einen historischen Tiefstand erreicht. Auch das stabilere, mehrjährige Eis ist inzwischen betroffen. Klimaforscher haben vor kurzem prognostiziert, dass der normalerweise ganzjährig eisbedeckte Nordpol noch vor dem Jahr 2050 im Sommer eisfrei sein wird.

Polarstern
Der Forschungseisbrecher Polarstern auf dem Weg zum Nordpol – umgeben von dünnem, von Schmelzwassertümpeln bedeckten Schollen. © Steffen Graupner/ AWI

Lockeres Eis und offenes Wasser

Doch wie sich nun zeigt, könnte die Realität die Prognosen sogar überholen. Denn schon in diesem Jahr ist das Meereis rund um den nördlichsten Punkt der Erde ungewöhnlich stark dezimiert. Satellitenaufnahmen zeigen, dass die Eisbedeckung bis jenseits von 87 °Nord überraschend locker ist. Wie es vor Ort aussieht, hat nun die MOSAiC-Expedition mit ihrem Forschungseisbrecher Polarstern in Augenschein genommen.

„Wir waren uns aufgrund der Satellitenbilder zunächst nicht sicher, ob die lockere Eisbedeckung auf Winde und Strömungen zurückzuführen ist und hatten die Befürchtung, ein Wetterwechsel könnte das Eis wieder zusammenschieben“, berichtet Expeditionsleiter Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. „Das hätte bedeutet, dass wir wie in einer zugeschnappten Mausefalle im Eis eingeschlossen gewesen wären.“

„Situation für diese Region historisch“

Dennoch wagten Polarstern-Kapitän Thomas Wunderlich und seine Crew die Fahrt: Von ihrer Position in der nördlichen Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen steuerten sie den Eisbrecher nach Norden und nahmen Kurs auf den Nordpol. Dabei dauerte es schon ungewöhnlich lange, bis überhaupt Meereis in Sicht kam: „Wir sind größtenteils im offenen Wasser bis 87° 30′ Nord gelangt, oft mit Wasserflächen bis zum Horizont“, berichtet Rex.

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Selbst weiter nördlich änderte sich dies nur wenig: Statt des für die Region nördlich von Grönland typischen dicken, mehrjährigen Eises ist das Meereis in diesem Jahr auch dort stark dezimiert. „Die Situation ist für diese Region historisch. Jetzt finden wir hier erstmals ausgedehnte Flächen offenen Wassers fast bis zum Pol vor“, sagt Wunderlich. „Sogar nördlich von 88° Nord sind wir meist mit fünf bis sieben Knoten unterwegs, das habe ich soweit im Norden noch nicht erlebt.“

Polarstern am Nordpol

Nach sechs Tagen war es soweit: Am 19. August 2020 um 12:45 Uhr erreichte die Polarstern den Nordpol – 90° Nord. Zur Feier des Anlasses versammelten sich viele Expeditionsteilnehmende auf der Brücke, starrten gebannt auf die Positionsmonitore und feierten gemeinsam das Erreichen des Pols. Die Fahrt von der nördlichen Framstraße bis zum Pol hatte nur sechs Tage gedauert.

Damit beginnt nun der letzte Abschnitt der MOSAiC-Expedition. Nachdem die Polarstern zunächst mit einer Eischolle einmal durch die zentrale Arktis von Sibirien bis vor Grönland gedriftet ist, wollen die Wissenschaftler nun die Phase untersuchen, in der das Eis im Frühherbst allmählich wieder zu gefrieren beginnt. Dafür suchen sie sich erneut eine Eisscholle, um dann ihre Entwicklung durch Messtationen auf dem Eis und an Bord zu verfolgen.

Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

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