Was haben Foraminiferen, die zu den kleinsten kalkbildenden Lebewesen im Meer gehören und der Knochenschwund im Menschen gemeinsam? Über das Schlüsselelement Kalzium, ein Hauptbestandteil von Kalk, können Wissenschaftler wichtige Erkenntnisse über biologische Vorgänge gewinnen. Kieler Meeresforscher haben jetzt ein Verfahren entwickelt, mit dem die verschiedenen Formen des Kalziums, dessen so genannte Isotopen, erstmalig präzise gemessen werden können. Aus dem Verhältnis der verschiedenen Kalzium-Isotope wollen sie mehr über die Temperatur der Ozeane in der Vergangenheit erfahren.
Doch die Physiker und Biologen wollen im Rahmen des Projektes CASIOPEIA („Evaluation of the Ca Isotope System (?44Ca) in Carbonate Polymorphs as a new Proxy for Seawater Temperature and Secular Variations of Ca Concentration and Fractionation throughout Earth History“) darüber hinaus ihre Erkenntnisse auf andere Gebiete wie die Medizin und die Ernährungswissenschaften übertragen.
In erster Linie erhoffen sich die Meeresforscher vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) von CASIOPEIA wertvolle Erkenntnisse über die Meereswassertemperatur vergangener Jahrmillionen. Das Verhältnis, mit dem bestimmte Foraminiferen die verschiedenen Kalzium-Isotope aufnehmen, hängt stark von der Temperatur ab. Das Hauptziel von CASIOPEIA: Die Beziehung zwischen den beiden Faktoren Isotopenwert und Temperatur, die so genannte Kalibrierung, herzustellen. Diese Kalibrierung dient den Wissenschaftlern als Thermometer für vergangene Umweltbedingungen.
Biomineralisation unter der Lupe
Neben der Rekonstruktion der Meerestemperatur kann die Messung der Isotopenverhältnisse Aufschluss über einen weiteren wichtigen Prozess liefern: die Biomineralisation. Dieser Begriff bezeichnet das biochemische Verfahren, mit dem kalzifizierende Lebewesen wie die Foraminiferen im Meer, aber eben auch der Mensch, ihr Skelett bilden.
Dieser Prozess konnte bis heute nicht entschlüsselt werden. Ein Rätsel bleibt zum Beispiel die Frage, wie funktioniert der Mechanismus, mit dem Foraminiferen die notwendigen Materialien für ihr Kalkgerüst aus dem Meerwasser ziehen? Die präzisen Isotopenmessungen liefern wertvolle Einblicke, die auch einen Beitrag zum Verständnis von Vorgängen im menschlichen Körper leisten können, unter anderem von Krankheiten wie Kalziummangel bei Kleinkindern und Osteoporose.
„Casiopeia ist ein schönes Beispiel dafür, wie Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung Anwendung in vielen Bereichen des täglichen Lebens finden“, erläutert Projektleiter Anton Eisenhauer. Zurzeit laufen Kooperationen zwischen dem IFM-GEOMAR und verschiedenen anderen Instituten, darunter die medizinische Fakultät der Universität Heidelberg und die Bundesanstalt für Milchforschung.
(idw – Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, 08.12.2005 – DLO)