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Chemie

Jupiter-Kern macht Helium zu flüssigem Metall

Überraschende Umwandlung unter extremen Bedingungen im Inneren von Gasriesen

Schematischer Querschnitt des Jupiter: grün: gasförmige Schichten, grau: metallischer Wasserstoff, braun: Kern aus möglicherweise einer Mischung von metallischem Helium und Wasserstoff. © NASA

Ein seltsames metallisches Gebräu liegt tief im Inneren der Planeten Jupiter und Saturn verborgen. Ein britisch- amerikanisches Forscherteam hat entdeckt, dass unter den extremen Bedingungen im Kern der beiden Gasriesen das Edelgas Helium überraschenderweise in einen metallischen Zustand übergeht. Zusammen mit einer ebenfalls leitfähigen, stark komprimierten Form des Wasserstoffs bildet es dort eine quecksilberartig fließende metallische Flüssigkeit, wie sie in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) berichten.

Im Kern unseres Planeten herrschen Drücke von 3,5 Millionen Atmosphären und hohe Temperaturen. Doch verglichen mit dem, was sich im Inneren der Gasriesen Jupiter und Saturn abspielt, ist das noch harmlos. Der Druck in ihren Kernen erreicht das mehr als 70 Millionenfache des irdischen, die Temperaturen steigen auf zehntausend bis 20.000 Grad – zwei bis drei Mal heißer als die Sonnenoberfläche. Was aber geschieht unter diesen extremen Bedingungen mit den im Kern vorhandenen Elementen?

Bisherige Studien untersuchten diese Frage vor allem am Wasserstoff, dem im Universum und in diesen Planeten häufigsten Element. Doch Wissenschaftler der Universität von Kalifornien in Berkeley und des University College London haben nun erstmals analysiert, was mit Helium, dem zweithäufigsten Element, unter solchen Bedingungen passiert. Im Gegensatz zum Wasserstoff, der normalerweise als zweiatomiges Molekül vorliegt, sind die Atome des reaktionsträgen Edelgases Helium eher Einzelgänger und machen daher auch das Reaktionsverhalten weniger kompliziert.

Vom Gas zur metallischen Flüssigkeit

Basierend auf Formeln und Theorien aus der Quantenmechanik errechneten die Forscher das Verhalten des Heliums unter verschiedenen Druck- und Temperaturverhältnissen. Vergleiche mit experimentellen Daten ergaben für die niedrigeren Druckverhältnisse gute Übereinstimmungen, daher gehen die Wissenschaftler davon aus, dass auch im extremeren Bereich ihre Werte zumindest eine Annäherung der realen Bedingungen ermöglichen.

Und genau dort, im extremen Druck- und Temperaturbereich, ergaben die Daten Überraschendes. Während Helium unter irdischen Bedingungen ein farbloses, elektrisch nicht leitendes Gas ist, wandelt es sich unter Verhältnissen, wie sie im Kern von Jupiter und Saturn herrschen, in ein flüssiges Metall. „Man kann es sich vorstellen ähnlich wie Quecksilber, es ist nur weniger reflektierend“, erklärt Raymond Jeanloz, Professor für Astronomie an der Universität von Kalifornien in Berkeley.

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Elektronenfluss gefördert statt gestört

Überraschend war dies vor allem deshalb, weil man bisher davon ausging, dass hohe Drücke und Temperaturen die Metallisierung von Elementen eher erschwert statt sie zu fördern. Die Schlüsseleigenschaft eines Metalls ist die elektrische Leitfähigkeit, verursacht durch einen erleichterten Fluss von Elektronen durch das Gitter der Atome.

„Hohe Temperaturen lassen die Atome hin- und herwackeln“, so Jeanloz. „Deshalb dachten die Leute, dass eine stärkere Hitze die Elektronen eher hindern würde, ähnlich wie Felsbrocken in einem Fluss den Strom stört.“ Aber offensichtlich erzeugt die starke Atombewegung stattdessen sogar neue Freiräume für die Elektronen, die ihnen einen besseren Fluss erlaubt. Jeanloz und seine Kollegen hatten bereits zuvor in Experimenten festgestellt, dass Helium unter hohem Druck einige Metall-ähnlich Eigenschaften zu entwickeln beginnt. Ihre jetzigen theoretischen Berechnungen belegen, dass sich diese Entwicklung unter extremen Bedingungen wie im Kern der Gasriesen fortsetzt und sogar verstärkt.

Wasserstoff und Helium bilden flüssige Metalllegierung

Und noch eine Überraschung ergab die Studie: Bisher galt es als ausgemacht, dass sich Wasserstoff und Helium in den Planetenkernen wegen ihrer unterschiedlichen Eigenschaften nicht mischen. Doch die neuen Ergebnisse scheinen dies zu widerlegen. Nach diesen bilden beide eine Metalllegierung ähnlich dem Messing, aber flüssig.

Das ist ein Durchbruch in unserem Verständnis von Materialien und sehr wichtig, denn um die Langzeitentwicklung der Planeten zu verstehen, müssen wir mehr über die Eigenschaften in ihrem Inneren erfahren“, erklärt Jeanloz. „Die Ergebnisse geben auch einen Einblick darin, warum die Materialien so sind wie sie sind und was ihre Stabilität und physikalischen und chemischen Eigenschaften bestimmt.”

(UC Berkeley, 07.08.2008 – NPO)

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