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Jetstream im Erdinneren entdeckt

Ringförmiger Strom aus flüssigem Eisen umkreist den Nordpol im äußeren Erdkern

Im äußeren Erdkern zirkuliert ein Strömungsband aus flüssigem Eisen um den Nordpol. Aufgespürt haben es die drei Swarm-Satelliten der ESA. © European Space Agency

Überraschung im Erdkern: Im Inneren unseres Planeten kreist ein zuvor unbekannter Ringstrom aus schmelzflüssigem Eisen. Dieser Jetstream bewegt sich dreimal schneller als der Rest des äußeren Erdkerns – und hat sich vor zehn Jahren noch beschleunigt, wie Satellitenmessungen des Erdmagnetfelds enthüllen. Was diesen schmelzflüssigen Strom antreibt und wie er sich entwickeln wird, ist bisher unklar, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.

Auf den ersten Blick erscheint der Erdkern simpel: Innen liegt ein massiver Eisenklumpen, umspült von einer Schicht aus flüssigem Eisen-Nickel-Gemisch. Doch vor allem die Strömungen im äußeren Erdkern und die Wechselwirkungen beider Kerne sorgen immer wieder für Überraschungen. So rotiert der innere Erdkern entgegengesetzt zum äußeren und bis heute ist unklar, wann genau der innere Erdkern überhaupt entstand.

Satelliten „röntgen“ die Erde

Jetzt haben Phil Livermore von der University of Leeds und seine Kollegen ein weiteres überraschendes Phänomen im Erdkern entdeckt. Aufgespürt hat es das Trio der Swarm-Satelliten der ESA in der Erdumlaufbahn. Von ihrer orbitalen Position aus registrieren sie winzige Veränderungen des Erdmagnetfelds – dem Feld, das durch elektromagnetische Wechselwirkungen im Erdkern entsteht.

Frühere Messungen hatten gezeigt, dass das flüssigen Eisen im äußeren Erdkern an einigen Stellen schneller zu strömen scheint als an anderen. Zwei solcher Zonen liegen unter Alaska und Sibirien. Sie wandern und haben ihr Fließtempo in den letzten rund zehn Jahren sogar beschleunigt. Warum, blieb aber unklar.

Jetstream aus flüssigem Eisen

Die neuen Messungen zeigen nun: Ein im Erdinneren zirkulierendes Strömungsband ist für diese seltsamen Zonen verantwortlich. Ähnlich wie es in der Atmosphäre eine Art „Autobahn“ der Winde gibt, existiert ein solcher Jetstream offenbar auch im äußeren Erdkern. „Er lässt sich als ein sich beschleunigendes Band aus geschmolzenem Eisen erklären, das rund um den Nordpol zirkuliert“, sagt Livermore. Von der Seite betrachtet ähnelt der Jetstream eher einem Zylinder, der den festen Kern in Nord-Süd-Richtung umschließt.

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Zonen stärkeren Magnetflusses im Erdkern (oben), ihre Veränderungen im Laufe der Zeit (Mitte) und die schneller werdende Westwärtsbewegung des Jetstreams (unten). © Livermore et al./ University of Leeds, Nature Geoscience

Dieser Jetstream im äußeren Erdkern hat sein Tempo vor rund zehn Jahren beschleunigt: Bis 2006 strömte das Eisen dort mit rund 15 bis 20 Kilometern pro Jahr. Seither jedoch fließt der metallische Jetstream mit mehr als 40 Kilometern pro Jahr – das ist dreimal schneller als die typischen Strömungen im äußeren Erdkern und hunderttausendfach schneller als die langsame Drift der Erdplatten im Rahmen der Plattentektonik, wie die Forscher erklären.

„Weitere Überraschungen sind wahrscheinlich“

Über die Ursache dieser seltsamen Strömung im äußeren Erdkern wird noch spekuliert. Die Wissenschaftler vermuten jedoch, dass der Jetstream auf Ungleichgewichte im Flüssigkeitstransport des äußeren Erdkerns zurückgeht. Kleine Veränderungen des Magnetfelds oder des Auftriebs der Metallschmelze könnten ausreichen, um die Strömung in Gang zu halten und sogar zu beschleunigen.

„Interessant ist zudem, dass die Beschleunigung des Jets zur gleichen Zeit stattfand wie die abrupte Umkehr der Rotationsrichtung des inneren Erdkerns“, so die Forscher. „Weitere Überraschungen sind sehr wahrscheinlich“, kommentiert Rune Floberghagen vom Swarm-Projekt der ESA. „Das Magnetfeld der Erde verändert sich ständig und das könnte den Jetstream sogar dazu bringen, seine Richtung zu ändern.“

Koautor Chris Finlay von der Technischen Universität Dänemarks ergänzt: „Wir wissen mehr über die Sonne als über den Kern der Erde. Die Entdeckung dieses Jets ist ein spannender Schritt zu weiterem Wissen über das Geschehen im Inneren unseres Planeten.“ (Nature Geoscience, 2016; doi: 10.1038/ngeo2859)

(University of Leeds, 22.12.2016 – NPO)

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