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Geowissen

Istanbul: Droht der Stadt ein Mehrfachbeben?

Computersimulation untersucht Bewegungsraten der Nordostanatolischen Verwerfung

Istanbul © Josep Renalias/CC-by-sa 3.0

Istanbul ist extrem erdbebengefährdet, denn es liegt nahe der Nordostanatolischen Verwerfung. Erdbebenforscher erwarten das nächste große Beben dieser Störung unmittelbar südlich der Großstadt. Eine neue, in „Nature Geoscience“ veröffentlichte Computerstudie zeigt nun, dass sich die Spannungen in diesem Teil der Verwerfung auch in mehreren Erdbeben anstatt eines einzelnen großen Bebenereignisses entladen könnten.

Als August 1999 im türkischen Izmit die Erde bebte, forderte die Katastrophe 18.000 Todesopfer und zerstörte weite Teile der Stadt. Doch das Beben mit der Magnitude 7,4 war kein Einzelfall, im Gegenteil: Es handelte sich nur um das jüngste Beben einer Serie, die 1939 im Osten der Türkei begann. Sukzessive brachten sie die Plattengrenze zwischen der Anatolischen und der Eurasischen Platte nach Westen bis Izmit 1999 zum Versagen. Südlich von Istanbul jedoch hat die Kette von Erdbeben entlang der Nordanatolischen Verwerfung noch eine Lücke. Das nächste Beben in dieser Serie wird daher von Seismologen genau dort erwartet.

Bewegungsraten der Verwerfung analysiert

Wie groß aber ist das Erdbebenrisiko für die türkische Großstadt? Eine wichtige Größe zur Beurteilung der seismischen Gefährdung sind die Bewegungsraten der tektonischen Störungen. Tobias Hergert vom Karlsruhe Institut für Technologie und Oliver Heidbach vom Deutschen GeoForschungs-Zentrum GFZ stellen nun die Ergebnisse einer Computersimulation vor, die die Bewegungsraten der Nordanatolischen Verwerfung analysierte. Die Studie wurde im Rahmen des Projektes Megacity Istanbul von CEDIM (Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology) erstellt.

Hergert und Heidbach zerlegten das Gebiet in 640.000 Elemente, um die Kinematik des Störungssystems dreidimensional zu bestimmen. „Die Modellergebnisse zeigen, dass die Bewegungsraten an der Hauptstörung zwischen zehn und 45 Prozent geringer sind als bisher angenommen“, erklärt Heidbach. „Zudem variieren die Bewegungsraten um 40 Prozent entlang der Hauptstörung.“

Entladung in mehreren Beben möglich

Diese Variabilität interpretieren die Wissenschaftler als Hinweis darauf, dass die aufgebaute Spannung in der Erdkruste anstelle eines einzelnen, gewaltigen Bebens sich auch in zwei oder drei Erdbeben mit geringerer Magnitude entladen kann. Eine Entwarnung für Istanbul bedeutet dies jedoch nicht: Die Seismologen weisen ausdrücklich darauf hin, dass die geringe Entfernung der Hauptstörung zu Istanbul nach wie vor ein extremes Erdbebenrisiko für die Mega-City darstellt. Die Verwerfungszone ist weniger als 20 Kilometer von der Stadtgrenze entfernt. Hinzu kommt, dass auch diese kleineren Beben größer als Magnitude 7 sein können; Vorsorge vor dem Eintritt eines Bebens sei somit unerlässlich.

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(Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, 20.01.2010 – NPO)

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