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Archäologie

Israel: Cannabis für die Götter

Schon vor gut 2.700 Jahren wurde Haschisch in einem Heiligtum verbrannt

Tel Arad 1
Auf dem rechten dieser beiden Altäre im israelischen Tel Arad wurden 2.700 Jahre alte Rückstände von Haschisch gefunden. © The Israel Museum/ Laura Lachman

Rituelles Rauschmittel: In einem rund 2.700 Jahre alten Heiligtum in Israel haben Archäologen Reste von Cannabis auf einem Altar entdeckt – es ist der früheste Nachweis von Haschisch im Nahen Osten. Das Kraut mit psychoaktiver Wirkung wurde offenbar mit Viehdung als Brennstoff vermischt und dann auf dem Altar verbrannt. Die Forscher vermuten, dass der berauschende Rauch im Rahmen der Rituale bewusst eingesetzt wurde.

Ob halluzinogene Pilze, rauschfördernde Pflanzen oder Gase aus dem Untergrund: In vielen alten Kulturen spielten psychoaktive Substanzen eine wichtige Rolle. Schamanen nutzten sie für ihre Trance, Heiler betäubten ihre Patienten und in Heiligtümern förderten sie die religiöse Ekstase. Auch von Cannabis ist eine frühe Nutzung unter anderem aus Indien und Afrika bekannt. Im Nordwesten Chinas gaben Menschen vor gut 2.500 Jahren sogar ihren Toten Hanfpflanzen ins Jenseits mit.

Tel Arad
Blick in das Heiligtum von Tel Arad mit den Rückständen auf den beiden Altären in Aufsicht. © The Israel Museum/ Laura Lachman

Altäre mit dunklen Rückständen

Jetzt belegt ein Fund in Israel, dass auch die Menschen in der Levante die berauschende Wirkung der Hanfpflanze kannten und nutzten. Fundort sind die Ruinen von Tel Arad, einer judäischen Festungsstadt im Beersheba-Tal. Schon in den 1960er Jahren entdeckten Archäologen hier die Überreste eines Heiligtums aus der Zeit um 750 vor Christus. Dieses bestand aus einem Hof mit einem großen Opferaltar sowie einem Raum mit diversen kultischen Objekten und zwei kleineren Altären.

Schon damals war den Archäologen aufgefallen, dass eine Senke in der Oberseite dieser beiden Altäre dunkle Rückstände enthielt. Sie wurden aber zunächst nicht weiter untersucht. Das haben jetzt Eran Arie vom Israel Museum in Jerusalem und sein Team nachgeholt. Sie entnahmen von beiden Rückständen Proben, die sie mithilfe der Gaschromatografie-Massenspektrometrie auf ihre Zusammensetzung hin analysierten.

Cannabis-Rauch im Heiligtum

Das überraschende Ergebnis: Das dunkle Material auf dem kleineren der beiden Altäre erwies sich als verbrannter Hanf. „Es wurden Rückstände von Cannabinoiden wie Tetrahydrocannabinol (THC), Cannabidiol (CBD) und Cannabinol (CBN) nachgewiesen“, berichten die Forscher. Diese Inhaltsstoffe seien einzigartig für Cannabis. Gleichzeitig entstehen sie jedoch erst dann aus Vorläufersubstanzen, wenn Hanf erhitzt oder verbrannt wird.

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Genau dies scheinen die Menschen in diesem Heiligtum getan zu haben: Den chemischen Analysen zufolge wurde das Cannabis damals mit getrocknetem Viehdung vermischt. Dieser war in dieser baumarmen Wüstengegend ein probater Brennstoff, weil er zwar nicht sehr heiß wurde, aber lange schwelte. Für die Umwandlung der Hanfinhaltsstoffe in das berauschende THC werden nur 150 Grad benötigt – der Dung war dafür völlig ausreichend, wie Arie und sein Team erklären.

Frühester Nachweis von Cannabis im Nahen Osten

Weil auf dem Altar keine erkennbaren Pflanzenreste gefunden wurden, vermuten die Archäologen, dass das Cannabis damals in Form von Haschisch verbrannt wurde – dem besonders psychoaktiven getrockneten Harz der weiblichen Hanfblüten. Woher dieses Haschisch kam, ist allerdings noch unbekannt. Die Archäologen halten es aber für durchaus wahrscheinlich, dass es eigens importiert wurde.

„Die Entdeckung von Cannabis auf den kleineren der beiden Altäre war eine Überraschung“, sagen Arie und seine Kollegen. „Zwar kennt man halluzinogene Substanzen aus Nachbarkulturen, aber dies ist der erste Nachweis eines solchen Rauschmittels aus dem Königreich Juda – und der früheste Nachweis von Cannabis im Nahen Osten.“

Haschisch für die rituelle Ekstase

Nach Ansicht der Archäologen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Menschen das Haschisch bewusst wegen seiner psychoaktiven Wirkung verbrannten. „Cannabisrauch ist nicht sonderlich wohlriechend und sein Duft rechtfertigte sicher nicht die Beschaffung dieses Pflanzenmaterials von weit her“, sagt Arie. „Es ist daher plausibel, dass das Cannabis im Heiligtum von Ara absichtlich als Rauschmittel eingesetzt wurde.“

Vermutlich verbrannten die Menschen das Haschisch auf dem Altar, um sich mithilfe des halluzinogenen Rauchs leichter in eine kultische Ekstase versetzen zu können. „Seine Nutzung im Schrein könnte daher eine zentrale Rolle in den dort durchgeführten kultischen Ritualen gespielt haben“, sagt Arie. Sollte sich dies bestätigen, wäre dies der erste Nachweis solcher drogengestützter Rituale in Juda.

Weihrauch aus dem Süden Arabiens

Doch Cannabis ist nicht das einzige Kraut, das die Menschen in diesem judäischen Heiligtum bei ihren Zeremonien verbrannten: Auf dem zweiten Altar des Schreins fanden die Archäologen Rückstände von Weihrauch. „Zwar ist Weihrauch auch aus der Bibel als Schlüsselbestandteil von Räucherwerk bekannt, aber zuvor ist er noch nie in einer archäologischen Fundstätte in der Levante nachgewiesen worden“, erklären die Forscher.

Weil der Weihrauchbaum damals vor allem im Süden Arabiens vorkam, müssen die Bewohner des alten Judäa dieses Räuchermittel von arabischen Händlern erworben haben. Da die Gegend von Beersheba im achten Jahrhundert an einer Handelsroute lag, ist dies durchaus plausibel. „Tel Arad repräsentiert darüber hinaus den ältesten Beleg für die Nutzung von Weihrauch in einem kultischen Kontext“, sagen die Archäologen. (Tel Aviv, 2020; doi: 10.1080/03344355.2020.1732046)

Quelle: Taylor & Francis Group

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