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Klima

IPCC: „Zeitfenster schließt sich rapide“

Synthesebericht des Weltklimarats unterstreicht erneut Dringlichkeit des Handelns

Klimawandel
Der Synthesebericht des IPCC unterstreicht noch einmal die Dringlichkeit des Handelns.© imagedepotpro/ Getty images

Wenn sich nichts ändert, wird die Welt noch in diesem, spätestens aber im nächsten Jahrzehnt die Schwelle von 1,5 Grad Erwärmung überschreiten. Denn schon jetzt sind 1,1 Grad erreicht und das Zeitfenster für effektives Handeln gegen den Klimawandel schließt sich rapide. „Die in diesem Jahrzehnt getroffenen Entscheidungen werden sich für tausende Jahre auswirken“, warnt der Weltklimarat IPCC in seinem gestern veröffentlichen Synthesebericht. Um schwere Klimafolgen zu verhindern, müssten die Investitionen in den Klimaschutz um das Drei- bis Sechsfache erhöht werden.

Die Kernbotschaften sind nicht neu: Der jetzt veröffentlichte Synthesebericht des IPCC fasst die wesentlichen Inhalte der vorangegangenen drei Teilberichte des sechsten Sachstandsberichts noch einmal zusammen. Im August 2021 hatte die IPCC-Arbeitsgruppe 1 die Erkenntnisse zum Stand des Klimawandels und zum noch verbleibenden CO2-Budget aufgeführt, im Februar 2022 präzisierte der zweite Teilbericht die schon eingetretenen und noch zu erwartenden Klimafolgen. Im April 2022 folgte dann der dritte Teil, in dem es um die nötigen Klimaschutz-Maßnahmen ging.

Klimafolgen
Folgen ausbleibender oder zu langsamer Klimaschutzmaßnahmen für verschiedene Generationen. © IPCC/ AR6 Synthesis Report

1,5 Grad noch in diesem Jahrzehnt möglich

Der Synthesebericht zum sechsten Weltklimabericht spitzt noch einmal zu, wie ernst die Lage ist und wie dringend gehandelt werden muss: Aktuellen Daten zufolge liegt die globale Erwärmung schon jetzt bei 1,1 Grad über den präindustriellen Werten von 1850 bis 1900. Über den Landflächen hat sie schon jetzt 1,59 Grad erreicht, so das IPCC. „Die globalen Oberflächentemperaturen sind seit 1970 schneller angestiegen als in jeder anderen 50-Jahres-Periode der letzten 2000 Jahre“.

„Jede noch so kleine Zunahme der globalen Erwärmung wird multiple und gleichzeitig auftretende Gefahren verstärken“, heißt es im Bericht. „Das Zeitfenster, in dem eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle gesichert werden kann, schließt sich rapide. Die in diesem Jahrzehnt getroffenen Entscheidungen und durchgeführten Maßnahmen werden sich für tausende Jahre auswirken.“

Trotz dieses Wissens haben sich die Treibhausgasemissionen der Menschheit bisher nicht verringert, sondern steigen weiter an. 2019 erreichten die atmosphärischen CO2-Konzentrationen erstmals den Rekordwert von 410 parts per million (ppm) – mehr als jemals zuvor in den letzten mindestens zwei Millionen Jahren. Und selbst das kurzzeitige Absinken der Treibhausgasemissionen zu Beginn der Corona-Pandemie hat den Trend zu immer mehr CO2-Ausstoß nicht gebrochen.

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Sofortige Senkungen nötig

Die IPCC-Autoren machen im Synthesebericht noch einmal deutlich, dass es so nicht weiter gehen kann. „Alle globalen modellierten Pfade, die die Erwärmung ohne oder mit begrenzter Überschreitung auf 1,5 Grad begrenzen, und diejenigen, die die Erwärmung auf 2 Grad begrenzen, beinhalten schnelle, tiefgreifende und in den meisten Fällen sofortige Senkungen der Treibhausgasemissionen in allen Sektoren noch in diesem Jahrzehnt“, heißt es im Bericht.

Ein schneller und weitreichender Wandel in allen Sektoren und Systemen sei notwendig, um tiefgreifende und anhaltende Emissionsminderungen zu erreichen und eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle zu sichern. Laut den IPCC-Szenarien müssten für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze die weltweiten CO2-Emissionen bis 2030 um etwa die Hälfte und bis 2050 um mindestens drei Viertel, besser auf Netto Null gesenkt werden. Dies erfordert den erheblichen Ausbau eines breiten Spektrums an Minderungs- und Anpassungsoptionen.

Emissionspfade
Emissionspfade je nach Tempo und Umfang des heutigen Handelns. © IPCC/ AR6 Synthesis Report

Doch bisher seien die Maßnahmen dafür nicht ausreichend – weder beim Klimaschutz noch bei der Anpassung an die Klimafolgen. „Die meisten Anpassungen sind fragmentarisch, inkrementell, sektorspezifisch und ungleich über die Regionen verteilt“, so der Bericht. „Der Synthesebericht unterstreicht die Dringlichkeit ehrgeizigeren Handelns und zeigt, dass wir bei sofortigem Handeln noch immer eine lebenswerte Zukunft für uns alle sichern können“, konstatiert der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee.

Abwarten und später handeln ist keine Option

Eine klare Absage erteilt das IPCC auch den in der Politik beliebten Argumenten, man wolle auf künftige Technologien setzen und könne daher ruhig erst einmal das 1,5 Grad- oder zwei-Grad-Ziel-Ziel reißen, um dann später das CO2 nachträglich aus der Atmosphäre zu entfernen. Zwar ist ein gewisses Maß an CO2-Capture schon jetzt unverzichtbar, um die Klimaziele überhaupt noch zu erreichen. Aber schon jetzt besteht ein hohes Risiko, dass einige Prozesse irreversibel oder zumindest über Jahrhunderte und Jahrtausende nicht mehr rückgängig zu machen sind.

„Der Bericht zeigt sehr deutlich auf, mit welchen brachialen Risiken das verbunden wäre. Es geht um den unumkehrbaren Verlust einiger Ökosysteme, auch anderer Dinge. Denken Sie an den Gletscherschwund zum Beispiel. Denken Sie an das Absterben von Korallenriffen“, betont Matthias Garschagen von der LMU München, einer der Leitautoren des 6. Sachstandsberichts. „Da ist es relativ egal, ob wir nach drei Dekaden wieder zurückkommen würden. Wenn diese Systeme einmal verloren sind, sind sie unwiderruflich verloren.“

Daher sei es ein Trugschluss zu glauben, wir könnten jetzt lax im Klimaschutz sein, weil wir später sowieso mit negativen Emissionen und neuen Technologien die Temperaturen wieder drücken können.

Finanzierung unzureichend

Ein weiterer im Synthesebericht aufgeführter Punkt ist die Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen. „Wenn die Klimaziele erreicht werden sollen, müsste die Finanzierung sowohl für Anpassung als auch für die Minderung des Klimawandels um ein Vielfaches steigen“, so das IPCC. „Es ist ausreichend globales Kapital vorhanden, um die globalen Investitionslücken zu schließen, aber es gibt Hürden für die Umlenkung von Kapital in Klimamaßnahmen.“

Weil Menschen in ärmeren Ländern überproportional stark von den Klimafolgen betroffen sind und gleichzeitig die künftige Entwicklung dieser Länder über den Erfolg des Klimaschutzes mitentscheidet, sei zudem ein effektiver Klimaschutz ohne Unterstützung der Entwicklungs- und Schwellenländer nicht machbar. „Internationale Kooperation ist eine entscheidende Voraussetzung, um ehrgeizige Klimaschutz-Maßnahmen, Anpassung und eine klimaresiliente Entwicklung zu erreichen“, so der Bericht. (AR6 Synthesis Report)

Quelle: IPCC

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