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Klima

IPCC-Bericht: Schon zwei Grad wären fatal

Klimaforscher warnen vor den Folgen einer Erwärmung um mehr als 1,5 Grad

Ein halbes Grad macht den Unterschied: Der Weltklimarat IPCC sagt schon für eine Erwärmung von zwei Grad statt 1,5 Grad schwerwiegende Folgen voraus. © mdesigner/ iStock.com

Warnruf zu mehr Klimaschutz: In einem neuen Bericht warnt der Weltklimarat IPCC vor den Folgen einer globalen Erwärmung selbst um zwei Grad. Schon ein halbes Grad mehr gegenüber dem 1,5-Grad-Ziel könnte Wetterextreme, Wasserknappheit und den Verlust von Ökosystemen deutlich verstärken. Um dies noch zu verhindern, seien nun beispiellose Maßnahmen nötig, so die Klimaforscher. Bis 2030 müssten dafür die Treibhausgas-Emissionen um 45 Prozent sinken – eine vermutlich kaum noch erreichbare Leistung.

Beim Klimagipfel von Paris im Jahr 2015 einigten sich die Regierungen von 195 Staaten, die Erwärmung auf einen Wert unter zwei Grad zu begrenzen, wenn möglich sogar auf 1,5 Grad. Seither allerdings ist wenig passiert, um dieses Ziel zu erreichen – eher im Gegenteil: Die USA unter Präsident Donald Trump sind 2017 aus dem Klimaabkommen ausgestiegen und in Deutschland und anderen Ländern werden die selbstgesteckten Klimaschutzziele nicht erreicht. Klimaforscher warnten bereits im Sommer 2017, dass selbst das Zwei-Grad-Ziel nur noch mit drastischen Maßnahmen und einer fünf prozentigen Chance überhaupt zu erreichen sei.

Ein halbes Grad macht einen Unterschied

Der jetzt veröffentlichte Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Chance (IPCC) ist angesichts des bisher eher stagnierenden Klimaschutzes wenig ermutigend – aber auch ein Weckruf. Denn in ihm zeigen die 91 Autoren aus 40 Ländern eindringlich auf, welche Folgen schon eine Erwärmung um zwei Grad gegenüber 1,5 Grad haben wird. Obwohl nur ein halbes Grad die beiden Zielwerte trennen, macht dies in Bezug auf Extremwetter wie Dürren und Starkregen, beim Meeresspiegel oder dem arktischen Meereis einen bedeutenden Unterschied, wie die Autoren berichten.

„Die menschliche Aktivität hat bereits zu rund einem Grad Erwärmung gegenüber den präindustriellen Werten geführt“, heißt es im Report. „Der Wert von 1,5 Grad wird zwischen 2030 und 2051 erreicht sein, wenn der aktuelle Trend so weitergeht.“ Zurzeit steigen die globalen Temperaturen um 0,2 Grad pro Jahrzehnt, wie die Klimaforscher berichten. Damit steuert die Welt momentan eher auf drei bis vier Grad Erwärmung zu als auf die angestrebten 1,5 oder zwei Grad.

Folgen schon jetzt ablesbar

Welche Folgen eine Erwärmung um weitere 0,5 Grad gegenüber heute hätte, lasse sich schon jetzt an den Veränderungen in der Häufigkeit und Intensität einiger Klima- und Wetterextreme ablesen. „Eine der Kernbotschaften dieses Berichts ist, dass wir schon jetzt die Konsequenzen von einem Grad Erwärmung in Form von mehr Extremwetter, steigenden Meeresspiegeln, schwindendem arktischen Meereis und weiteren Veränderungen sehen“, sagt Panmao Zhai, Co-Leiter der IPCC-Arbeitsgruppe I.

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Das arktische Meereis schwindet - und das beeinflusst das Klima auch anderswo © Jeremy Potter NOAA/OAR/OER

Für die Zukunft prognostizieren die Klimaforscher, dass die Meeresspiegel bei einer Begrenzung auf 1,5 Grad bis 2100 im Schnitt um zehn Zentimeter weniger ansteigen werden als bei zwei Grad. Für tiefliegende Inselstaaten und viele dicht besiedelte Küstenregionen könnte schon dieser Unterschied überlebenswichtig sein, betonen die Forscher. Korallenriffe würden bei einer Erwärmung auf 1,5 Grad um 70 bis 90 Prozent schwinden, bei zwei Grad jedoch wären nahezu alle Korallenriffe verloren.

Heißere Sommertage, mehr Dürren und Starkregen

Für die mittleren Breiten sagen die Forscher bei 1,5 Grad voraus, dass die extrem heißen Tage bei 1,5 Grad um rund drei Grad heißer werden, bei zwei Grad Erwärmung bereits um vier Grad. Auch das Risiko für Wetterextreme wie Dürren und Starkregen wird bei zwei Grad Erwärmung deutlich höher liegen als bei einer Begrenzung auf 1,5 Grad. Von den Landökosystemen wären bei der geringeren Erwärmung rund die Hälfte weniger gefährdet als bei zwei Grad.

Weltweit wären zudem bei zwei Grad Erwärmung doppelt so viele Menschen von Wassermangel und Wasserknappheit bedroht wie bei 1,5 Grad. Auch bei der Nahrungsmittelversorgung, dem Wirtschaftswachstum und der Ausbreitung tropischer Krankheiten müsse man bei zwei Grad mit gravierenden Folgen rechnen, so die Forscher. Für die Fischerei prognostizieren die Klimaforscher bei 1,5 Grad globale Fangeinbußen von 1,5 Millionen Tonnen Fisch pro Jahr, bei zwei Grad wären es bereits drei Millionen Tonnen weniger.

Der weltweite CO2-Ausstoß stagniert zwar, doch für einen effektiven KLimaschutz reicht dies nicht aus. © tibu/iStock.com

„Jedes bisschen zählt“

„Jedes bisschen mehr an Erwärmung wirkt sich aus, vor allem, weil eine Erwärmung von 1,5 Grad oder höher das Risiko erhöht, dass die Veränderungen langanhaltend oder irreversibel sein werden“, sagt Hans-Otto Pörtner, Co-Leiter der IPCC-Arbeitsgruppe II. Tatsächlich hatten Klimaforscher erst vor kurzem Indizien dafür aufgedeckt, dass positive Rückkopplungen schon bei geringer weiterer Erwärmung die Erde irreversibel in eine neue „Heißzeit“ katapultieren könnten.

Wie die IPCC-Autoren betonen, sind schnelle und effektive Klimaschutz-Maßnahmen auch deshalb nötig, um Menschen und Ökosystemen mehr Zeit zu verschaffen, sich an die wandelnden Bedingungen anzupassen. „Die nächsten paar Jahre sind wahrscheinlich die wichtigsten in unserer Geschichte“, sagt Priyardarshi Shukla, Co-Leiterin der IPCC-Arbeitsgruppe III. Denn je mehr das Handeln sich verzögere, desto drastischer müssten dann die Maßnahmen ausfallen.

45 Prozent weniger CO2 bis 2030

Wie aber kann das erreicht werden? „Die gute Nachricht ist, dass einige der Maßnahmen, die wir zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels benötigen, schon in einigen Regionen der Erde begonnen haben – aber sie müssen beschleunigt werden“, sagt Valerie Masson-Delmotte, Leiterin der Arbeitsgruppe I. Doch damit sei es nicht getan: „Zwar ist die Begrenzung auf 1,5 Grad innerhalb der Gesetze der Chemie und Physik möglich, aber das zu schaffen, wird beispiellose Veränderungen erfordern“, betont Jim Skea von der für Maßnahmen zuständigen IPCC-Arbeitsgruppe III.

Konkret müssten die anthropogenen Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 45 Prozent gegenüber den Werten von 2010 sinken. Bis zum Jahr 2050 muss dann der Ausstoß auf Netto Null reduziert worden sein. Das bedeutet, dass nicht mehr Kohlendioxid ausgestoßen werden darf, als gleichzeitig durch natürliche Puffer oder Geoengineering-Maßnahmen aus der Atmosphäre entfernt wird, wie die Forscher erklären.

Erreicht werden könnten die CO2-Reduktionen unter anderem durch einen Umstieg auf 70 bis 85 Prozent erneuerbare Energien in der Stromerzeugung bis 2050, den Ausstieg aus der Kohle und die Erhöhung des Anteils emissionsarmer Technologien im Transportsektor auf 35 bis 65 Prozent bis 2050, so der IPCC-Bericht. Zudem wäre es nötig, rund zehn Millionen Quadratmeter Wald aufzuforsten und auch in der Landwirtschaft auf nachhaltigere Verfahren umzusteigen.

„Unser Bericht gibt Politikern und Entscheidern die Information, die sie benötigen, um den Klimaschutz anzugehen“, erklärt Shukla. Ob diese allerdings die Empfehlungen der Klimaforscher umsetzen und das auch noch schnell genug, bleibt abzuwarten.

(IPCC, 08.10.2018 – NPO)

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