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Ökologie

Investitionen in Ökosysteme rechnen sich

Schutz der natürlichen Ressourcen kann für Wohlstand sorgen

TEEB - The Economics of Ecosystems and Biodiversity for National an International Policy Makers 2009. © TEEB

Investitionen in Ökosysteme rechnen sich. Sie stärken die Widerstandskraft gegenüber den Auswirkungen von Klimawandel oder Naturkatastrophen. Und sie helfen bei der Ernährungssicherung, der Armutsbekämpfung und der wirtschaftlichen Entwicklung. Dies ist eines der wichtigsten Ergebnisse des aktuellen Berichts von TEEB – „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“ -, einem globalen Projekt zur Untersuchung der Ökonomie von Ökosystemen und der Biodiversität.

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So kosteten beispielsweise das Anpflanzen und der Schutz von fast 12.000 Hektar Mangroven in Vietnam 1,1 Millionen US-Dollar, gleichzeitig wurden damit aber Kosten in Höhe von 7,3 Millionen US-Dollar an Instandhaltungskosten für Deiche eingespart. Insgesamt könnten weltweit durch eine 45-Milliarden-US-Dollar-Investition in Schutzgebiete lebenswichtige naturbasierte Leistungen von jährlich rund 5.000 Milliarden US-Dollar gesichert werden. Zu diesen Leistungen gehören die CO2-Speicherung, der Schutz und die Verbesserung der Trinkwasserversorgung sowie der Hochwasserschutz.

Der neue TEEB-Bericht wurde am Freitag in Brüssel vom Leiter der Studie, Pavan Sukhdev, zusammen mit der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Ursula Heinen-Esser, und EU Umweltkommissar Stavros Dimas vorgestellt.

Leistungen der Natur nicht ausreichend berücksichtigt

Bislang werden die Natur und ihre Leistungen in volkswirtschaftlichen Bilanzierungen nicht ausreichend berücksichtigt. TEEB empfiehlt eine gründliche Überarbeitung dieses Modells und fordert von Regierungen, finanzielle Anreize für den Schutz von Ökosystemen und ihren Dienstleistungen zu schaffen. Denn der vielfältige Wert der Natur hat direkte wirtschaftliche Auswirkungen auf das menschliche Wohlergehen und auf die öffentlichen und privaten Ausgaben. Der Anerkennung und Honorierung der von der natürlichen Umwelt der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Werte muss politische Priorität eingeräumt werden, so der Bericht.

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„Der heute vorgelegte Bericht zeigt anhand sehr anschaulicher Beispiele aus allen Teilen der Erde, wie es funktionieren kann. Für uns Politikerinnen und Politiker ist ein derartiger Werkzeugkasten von großem praktischen Nutzen. Denn wie man den Wert der Natur und ihrer Leistungen bei politischen Entscheidungen umfassend berücksichtigen kann, das müssen wir weltweit noch lernen“, sagte Heinen-Esser.

Aktuelle Subventionspolitik überdenken

Die über 100 Wissenschaftler fordern in ihrem Bericht die Politiker weltweit zudem auf, die momentane Subventionspolitik zu überdenken. Subventionen für Schlüsselbereiche wie Landwirtschaft, Fischfang, Bergbau und Energie ergäben zusammen fast eine Billiarde US-Dollar pro Jahr, was einem Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts entspräche. Viele dieser Subventionen tragen massiv zur Zerstörung der natürlichen Ressourcen bei und vernichten damit zukünftige Nutzungsoptionen. Ferner sind viele Subventionen ineffizient, überholt oder schädlich, schreiben die Forscher im TEEB-Report.

Ein Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes würde nach Berechnungen des 2006 veröffentlichten Stern-Reports bereits ausreichen, um die Schäden des Klimawandels einzudämmen, die auf fünf bis zehn Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes geschätzt werden. Es mache also doppelt Sinn, schädliche Subventionen in Zeiten ökonomischer und ökologischer Krisen zu reformieren, so die Umweltökonomen in der neuen TEEB-

Studie.

Vier Hauptprobleme

Für den Schutz der biologischen Ressourcen sehen die Wissenschaftler vier Hauptprobleme: Die Abholzung der Wälder müsse gestoppt werden, da sie wesentlich zum Klimawandel beitrage. Die tropischen Korallenriffe müssten geschützt werden, da sie die Lebensgrundlage einer halben Milliarde Menschen seien. Die Fischbestände der Weltmeere müssen geschützt und besser gemanagt werden, da sonst der Kollaps des Fischfangs auf den Weltmeeren akut hunderttausende Arbeitsplätze bedrohe und heute bereits zu Einnahmeverlusten von jährlich bis zu 50 Milliarden US-Dollar führt, verglichen mit einem nachhaltigeren Management der Bestände.

Und schließlich müssten sich Politiker weltweit bewusst werden, dass der Niedergang der Ökosysteme ein wesentlicher Grund für die anhaltende Armut der Landbevölkerung in den Entwicklungsländern sei.

Die Subventionen für Landwirtschaft, Fischfang, Energie, Verkehr und andere Bereiche machen zusammen pro Jahr global fast eine Billion US-Dollar aus. Die Reform umweltschädlicher Subventionen ist daher dringend notwendig, schreiben die Autoren des TEEB-Reports. Dazu zählt auch die Produktion von Biokraftstoffen. © UFZ

Bald bezahlte Ökosystemdienstleistungen?

Zur Lösung dieser drängenden Probleme schlagen die Wissenschaftler vor, finanzielle Anreize für den Schutz durch Zahlungen für Ökosystemdienstleistungen zu schaffen. „Die UN-Initiative zur Vermeidung und Reduzierung der Entwaldung (REDD-Plus) könnte das erste globale System für bezahlte Ökosystemdienstleistungen werden“, so Heidi Wittmer, die das wissenschaftliche Koordinationsteam der TEEB-Studie leitet. „Eine REDD-Plus-Vereinbarung bei den aktuellen Klimaverhandlungen und ihre Etablierung ist eine einmalige Chance für einen kosteneffektiven Klimaschutz mit deutlichem Nutzen für die Umwelt.“

Allein der Verlust an tropischen Regenwäldern macht momentan etwa ein Fünftel der globalen Emissionen an Treibhausgasen aus. Die Wälder der Erde speichern insgesamt 547 Gigatonnen Kohlenstoff und können laut Schätzungen bis zu 4,8 Gigatonnen pro Jahr aufnehmen. Die Emissionen, die beim Abholzen entstehen, sind beachtlich – können aber vergleichsweise leicht vermieden werden. Wiederaufforstung ist daher ein kostengünstiger Beitrag zur Lösung des Kohlendioxidproblemes.

Konsequente Anwendung des Verursacherprinzips

Die Bedeutung der Ökosystemverluste ist laut dem Report jedoch bei weitem nicht auf den Klimawandel beschränkt: Sie betreffen auch die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser sowie die Energiesicherheit – wachsende globale Probleme, die in einigen Jahren alle Länder betreffen können. Daher schlagen die Wissenschaftler um Berichtskoordinator Patrick ten Brink vom Institut für Europäische Umweltpolitik (IEEP) in Brüssel neben der Reformierung des momentanen Subventionssystems die konsequente Anwendung des Verursacherprinzips und eine deutliche Ausweitung der Schutzgebiete vor.

Die Erfahrungen mit dem Weltklimarat IPCC würden zu gemeinsamen Anstrengungen ermutigen, denn ein wirklicher Wandel der politischen Prioritäten und sozialen Einstellungen sei möglich, schreiben die Wissenschaftler. Die Aktionen zum Klimawandel hätten die Tür geöffnet für zahlreiche Maßnahmen zum Schutz des natürlichen Kapitals der Erde. Die Einrichtung eines globalen Biodiversitätsrates (Intergovermental Science-Policy Platform for Biodiversity and Ecosystem Services – IPBES) könne der Startschuss dafür sein.

Wissenschaftler fordern Politikwechsel

„Natürliches Kapital hat das Potenzial, eine gute Investition zu sein, die die Existenzgrundlagen sichert und nachhaltigen ökonomischen Nutzen bis weit in die Zukunft verspricht“, sagt Sukhdev. „Wir hoffen, dass die harte Arbeit von Ökologen, Ökonomen und Politikwissenschaftlern aus der ganzen Welt, die in den letzten fünfzehn Monaten den TEEB-Report für die internationale Politik erarbeitet haben, zu einen Politikwechsel beiträgt, der zu echtem Fortschritt führt und uns erlaubt, eine Gesellschaft zu errichten, die in Frieden mit sich selbst und in Harmonie mit der Natur lebt.“

Die Lösungsvorschläge im Einzelnen

Finanzielle Anreize durch Zahlungen und Märkte

Zahlungen für Ökosystemdienstleistungen können von lokalen (zum Beispiel Trinkwasserversorgung) bis zu globalen Lösungen (REDD-Plus-System zur Rettung der Tropenwälder) reichen.

Schädliche Subventionen für die Umwelt reformieren

Die Subventionen für Landwirtschaft, Fischfang, Energie, Verkehr und andere Bereiche machen zusammen pro Jahr global fast eine Billion US- Dollar aus. Bis zu einem Drittel dieser Subventionen unterstützen die Produktion und den Verbrauch von fossilen Brennstoffen. Die Reform umweltschädlicher Subventionen ist daher dringend notwendig.

Konsequente Anwendung des Verursacherprinzips

Viele Bedrohungen für die Biodiversität können durch stabile Gesetzesrahmen bekämpft werden. Noch wirksamer werden diese, wenn sie mit Bezahl- und Kompensationsmechanismen gekoppelt werden, um die momentane Situation zu verbessern, in der die Gesellschaft meist die Kosten trägt.

Wertsteigerungen durch Schutzgebiete

Momentan stehen 13,9 Prozent der Erdoberfläche, 5,9 Prozent der Binnengewässer und nur 0,5 Prozent der Meere unter Schutz, aber das Einkommen von einem Sechstel der Bevölkerung hängt wesentlich von diesen Gebieten ab. Eine Ausweitung und verbesserte Finanzierung würde sich auch hier lohnen.

Schätzungen zufolge könnte das Unterschutzstellen von 20 bis 30 Prozent der Ozeane eine Million Arbeitsplätze schaffen und Fischerträge von 70 bis 80 Milliarden US- Dollar pro Jahr sowie Ökosystemdienstleistungen im Wert von 4,5 bis 6,7 Billionen US-Dollar erbringen. Wird die Überfischung der Meere jedoch fortgesetzt, dann ist der Kollaps der Fischindustrie vorprogrammiert und damit gravierende soziale Probleme. Ähnlich sieht die Bilanz für Schutzgebiete auf dem Land aus: Untersuchungen aus Schottland haben ergeben, dass der öffentliche Nutzen aus Schutzgebieten wie dem Natura-2000-Netzwerk dreimal höher ist als dessen Kosten einschließlich des Managements und aller Zusatzkosten.

Investitionen in ökologische Infrastruktur

Investitionen in die ökologische Infrastruktur stellen kosten- effektive Möglichkeiten dar, um zahlreiche politische Ziele zu erreichen, wie beispielsweise eine verbesserte Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel, ein verringertes Risiko von Naturkatastrophen, eine sichere Nahrungs- und Wasserversorgung und damit auch ein Beitrag zur Armutsbekämpfung. Investitionen in die Erhaltung von Ökosystemen sind fast immer günstiger als zerstörte Ökosysteme wieder aufzubauen.

(idw – BMU/Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, 16.11.2009 – DLO)

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