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Geowissen

Innerer Erdkern schmilzt und gefriert zugleich

Plattentektonik beeinflusst Temperaturen an der Grenze von innerem und äußerem Erdkern

Wärmeverteilung (Farben) und lokale Strömungen (Pfeile) im äußeren Erdkern © Nature / Gubbins et al.

Der innere, feste Kern der Erde wächst pro Jahr um rund einen Millimeter, weil flüssiges Eisen an seiner Oberfläche auskristallisiert. Aber auch der umgekehrte Prozess findet statt, wie jetzt ein internationales Forscherteam in „Nature“ belegt: An einigen Stellen ist die Kernoberfläche heißer und schmilzt. Wo diese Stellen liegen, hängt interessanterweise mit einem scheinbar weit entfernten Prozess zusammen: der Plattentektonik.

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Der innere Kern der Erde ist eine Kugel aus festem Eisen, etwa so groß wie der Mond. Diese Kugel ist umgeben von einem hoch dynamischen äußeren Kern aus einer flüssigen Eisen-Nickel-Legierung, dem zähflüssigen Mantel und der festen Kruste, auf der wir leben. Doch das war nicht immer so: In der Frühzeit der Erde war der innere Kern noch flüssig, erst im Laufe von Milliarden Jahren hat sich das Planeteninnere abgekühlt und der Kern erstarrte. Seither wächst der Innere Kern im rund einen Millimeter pro Jahr, weil Eisen noch immer an seiner Oberfläche auskristallisiert – sozusagen „ausfriert“.

Innerer Kern wächst, aber schmilzt gleichzeitig

Doch seit kurzem gibt es Hinweise darauf, dass der Innere Kern nicht nur durch die Kristallisation wächst, sondern dass er gleichzeitig an anderer Stelle auch wieder schmilzt. Das aber widerspricht eigentlich gängigen Vorstellungen zur Geophysik: Denn wie kann der Kern schmelzen, wenn doch insgesamt das tiefe Erdinnere immer weiter abkühlt? „Wir können nicht einfach hingehen und Proben aus dem Zentrum der Erde nehmen, deshalb müssen wir uns auf oberflächliche Messungen und Computermodelle verlassen, um zu erfahren, was im Kern passiert“, erklärt Jon Mound von der Universität Leeds.

Temperatur an der Kerngrenze ungleichmäßig

Ein internationales Forscherteam unter Leitung um Mound und seinen Kollegen David Gubbins könnte für dieses scheinbare Paradox nun eine Lösung gefunden haben. Mit Hilfe eines Computermodells der Konvektionsströmungen im äußeren Kern belegen die Wissenschaftler, dass die Wärmeverteilung im Erdmantel und äußeren Kern alles andere als gleichmäßig ist: In einigen Regionen des Mantels führen die Strömungen heißen Materials dazu, dass sich die Kern-Mantel- Grenze aufheizt. Diese Wärme reicht aus, so die Forscher, um bis tief in den Kern hinein zu wirken und dort lokalisiertes Schmelzen auszulösen.

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„Unser neues Modell liefert eine ziemlich einfache Erklärung für einige der Messungen, die den Wissenschaftlern seit Jahren Rätsel aufgeben“, so Mound. „Es deutet darauf hin, dass die gesamte Dynamik des Erdkerns in gewisser Weise mit der Plattentektonik verbunden ist, was nicht ohne weiteres aus den Oberflächenmessungen hervorgeht.“

Kältezone unter dem Pazifischen Feuerring

Das Modell zeigt, dass unter den seismisch aktiven Regionen entlang des Pazifischen Feuerrings die Kern-Mantel-Grenze besonders kühl ist. An den hier liegenden Subduktionszonen werden die ozeanischen Krustenplatten in die Tiefe gedrückt, schmelzen dabei erst langsam auf und entziehen ihrer unmittelbaren Umgebung Wärme. Die dadurch entstehenden Kälteinseln an der Kern-Mantel-Grenze erzeugen kühlere, in Richtung des inneren Kerns absinkende Materialströme, die dort dann zum Auskristallisieren des Eisens führen.

Umgekehrt ist es in zwei Gebieten unter Afrika und dem Pazifik, wo besonders heiße Aufströmungen liegen und die Kern-Mantel-Grenze aufheizen. Dadurch wird auch dem Kern an dieser Stelle weniger Wärme entzogen und die Oberfläche des inneren Kerns schmilzt auf. „Die Theorie des lokalisierten Schmelzens könnte auch erklären, warum seismische Wellen von Erdbeben einige Stellen des Kern schneller passieren als andere“, erklärt Binod Sreenivasan vom Indian Institute of Technology. „Wenn der innere Kern der Erde an einigen Stellen schmilzt, macht dies die Dynamik nahe der Grenze zwischen äußerem und innerem Kern komplexer als bisher gedacht.“ (Nature, 2011; doi:10.1038/nature10068)

(University of Leeds, 19.05.2011 – NPO)

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