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Geowissen

Hochwasserrisiko: jetzt auch ganzheitlich sichtbar

Neues Verfahren ermöglicht Gesamtrisikokarten für Hochwassergebiete

Deichbruch an der Mulde in Sachsen © UFZ

Karten des Hochwasserrisikos zeigen bisher, welche Gebiete gefährdet und damit vor allem ökonomisch verlustreich sein könnten. In Zukunft aber könnten solche Karten auch immaterialle Werte wie soziale und ökologische Risiken aufzeigen. Wissenschaftler haben dazu ein Verfahren entwickelt, das auf regionaler Ebene erlaubt, verschiedenste Kriterien in diese Karten einfließen zu lassen. Bisher wurden in der Regel nur Werte berücksichtigt, die in Euro und Cent beziffert werden konnten.

Eine neue EU-Hochwasser-Richtlinie fordert von allen Mitgliedsstaaten, entsprechende Risikokarten bis 2013 zu erstellen und zu veröffentlichen. Damit sollen Planer und Anwohner von Flüssen die Möglichkeit haben, sich auf potentielle Gefahren vorzubereiten und Vorsorge treffen zu können. Jetzt haben Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ein Verfahren erarbeitet, mit dem verschiedenste Faktoren in solche Karten integreiert werden können.

Kombinationskarte erleichtert Verhandlungen über Maßnahmen

Das neue Verfahren entwickelten die Wissencshaftler am Beispiel des Elbzuflusses Mulde. Für die Vereinigte Mulde in Sachsen wurden dabei neben den sonst üblichen ökonomischen Hochwasserschäden auch soziale und ökologische Risiken dargestellt. Damit sei es möglich, die Sichtweise von verschiedensten Interessengruppen zu visualisieren. Diese Diskussionsgrundlage könne helfen, eine allgemein akzeptierte Lösung zu finden, so die Forscher.

„Eine Visualisierung der einzelnen Effekte von Überflutungen kann dazu beigetragen, einen Konsens zwischen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Interessen zu schaffen“, erzählt Volker Meyer vom UFZ. „Es ist nun einmal schwierig, alle möglichen Effekte in Geld auszudrücken. Unser Ansatz ermöglicht es, alle Auswirkungen trotzdem gemeinsam darzustellen und ist damit eine gute Basis für Verhandlungen.“

Gewichtung bedarf der Diskussion

Mit welchen Gewicht welche Effekte hierbei eingehen, ist letztlich eine Frage, die die Betroffenen untereinander diskutieren müssen, um einen allgemein akzeptierten Konsens beim Hochwasserschutz zu erreichen.“Kochbuchlösungen gibt es nun mal im Hochwasserschutz nicht“, ergänzt Dagmar Haase vom UFZ. „Unser Verfahren kann dazu beitragen, dass schwächere, aber trotzdem stark betroffene Gruppen gleichberechtigt mit am Verhandlungstisch sitzen.“

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Eutrophierung oder Waldschäden berücksichtigt

Bisher wurden vor allem ökologische Risiken bei der Bewertung kaum berücksichtigt. Als Beispiel nennen die Forscher neben der Verunreinigung durch Schadstoffe auch das Risiko der Eutrophierung von wertvollen Naturflächen: Durch Flusswasser können nährstoffarme Standorte gefährdet werden, auf denen speziell angepasste Arten nach einer Überflutung und der damit verbundenen Düngung des Bodes plötzlich Konkurrenz durch andere Arten bekommen.

„Oder zum Beispiel der Spitzahorn. Diese Baumart hat eine ganz geringe Flutresistenz von ungefähr elf Tagen. Wenn diese überschritten ist, dann fallen die Bäume wirklich um – zum Leidwesen der Förster und Waldbesitzer“, erklärt Haase. Auch soziale Risiken können mit dem Verfahren dargestellt werden, so zum Beispiel die Anzahl der Betroffenen Einwohner aber auch durch Hochwasser Einrichtungen wie Krankenhäuser, Kindergärten oder Altenheime die durch Hochwasser besonders verwundbar sind.

Veränderungen durch Klimawandel einbeziehbar

Risikoanalysen gehen oft von den aktuellen Verhältnissen aus und schreiben diese einfach fort. Im Zuge des Klimawandels werden die Häufigkeit von Fluten und auch deren Stärke zunehmen. Das, was heute beispielsweise noch als 200jähriges Ereignis gilt, könnte künftig statistisch bereits alle 150 Jahre

oder noch häufiger auftreten. Hier sehen die Wissenschaftler ebenfalls einen Vorteil des Softwaretools FLOODCALC, das innerhalb des Projektes entwickelt wurde, denn dessen Parameter können angepasst werden. Das neue Verfahren kann damit auch die Anpassung in Flusseinzugsgebieten an den Klimawandel unterstützen.

Trotz aller Fortschritte legen die Wissenschaftler jedoch Wert darauf, dass die Unsicherheiten bei der Analyse von Hochwasserrisiken nach wie vor sehr groß seien. Trotz Verbesserungen solle man nicht suggerieren, dass es jemals die perfekte Abschätzung des Risikos gäbe. Das Verfahren wird derzeit in mehreren Projekten weiterentwickelt: Zum einen wird der Ansatz im Rahmen einer Diplomarbeit auf die Stadt Leipzig übertragen. Zum anderen sollen innerhalb des Projektes RISK MAP Möglichkeiten einer stärkeren Einbeziehung lokaler Interessengruppen bei der Erstellung von Risikokarten untersucht werden.

(Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, 25.05.2009 – NPO)

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