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Bionik

Hirschgeweih erklärt Knochenwachstum

Forscher suchen molekulare Faktoren für Zellwachstum

Damhirsch beim "Fegen" © Rolf/ukg

Bis zu zwei Zentimeter pro Tag kann das Geweih von Hirschen während eines Sommers wachsen. Jahr für Jahr bilden die Tiere mehrere Kilogramm Knochenmaterial, mit dem sie in der Brunft imponieren und Rangkämpfe ausfechten. Forscher der Universität Göttingen wollen nun mithilfe von Hirschgeweihen auch das Wachstum menschlicher Knochen besser verstehen. Ziel des Projektes unter der Leitung des Biologen Hans Joachim Rolf ist die Suche nach molekularen Faktoren, die das Wachstum von Knochenzellen regulieren und beschleunigen.

Geweih ähnelt Menschenknochen

Dem menschlichen Röhrenknochen ist das Geweih in seiner Struktur sehr ähnlich. Diese Ähnlichkeit und das enorme Wachstum des Geweihs machen Hirsche zu idealen Studienobjekten für die medizinische Forschung. Aus dem wachsenden Geweihknochen entnehmen die Wissenschaftler Biopsieproben, die sie im Labor weiter züchten und untersuchen.

Dem Biologen Hans Joachim Rolf ist es gelungen, Zellen aus den Knochenproben des wachsenden Hirschgeweihs in der Kulturschale zu züchten. Dabei bildeten die Zellen ohne weitere Beeinflussung räumliche Strukturen aus. Innerhalb von Wochen bis wenigen Monaten wuchsen aus Zell-Suspensionen Strukturen und Gewebestückchen von bis zu 0,8 mal ein Zentimeter Größe heran, deren innere Struktur der des natürlichen Geweihs ähnelte. Die Ergebnisse zeigen, dass in den „Stammzellen“ aus nachwachsenden Geweihknochen die vollständige Information für die Bildung komplexer Knochenstrukturen vorhanden ist.

Welche Zellen sorgen für das enorme Wachstums der Hirschknochen

Im Rahmen des DFG-Forschungsprojektes will das Forscherteam nun mit Hilfe molekularer und zellbiologischer Techniken verschiedene Zelltypen der Hirschgeweihproben voneinander trennen und in unterschiedlichen Kombinationen miteinander in der Kulturschale anziehen. Das Team hofft, Aufschlüsse darüber zu erhalten, welche Zelltypen beziehungsweise welche Signale die enorme Wachstumsleistung des Knochens bewirken. Bei ihren Untersuchungen kooperieren die Wissenschaftler mit Arbeitsgruppen in Kanada und Europa.

Sowohl Kieferchirurgen als auch Orthopäden sind an den Ergebnissen dieser Grundlagenforschung interessiert. Sie hoffen, die Stabilität und den Einbau von Implantaten und Prothesen in den Knochen auch mit Hilfe der Ergebnisse aus der Geweihknochenforschung verbessern zu können.

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Prothesen sollen besser festwachsen

Bereits heute nutzen Mediziner in begrenztem Umfang Knochen-Vorläuferzellen von Patienten, um damit in der Kulturschale das Implantat zu beschichten, bevor es eingesetzt wird. Die Göttinger Forscher vermuten, dass Signalstoffe, die das Wachstum des Hirschgeweihs regulieren, auch die Besiedelung der menschlichen Implantate in der Kulturschale beschleunigen können. So sollten mit bestimmten Faktoren getränkte Prothesen besser festwachsen. Es bedarf jedoch weiterer Forschung, denn „wir müssen auch die Gegenspieler solcher Signale kennen, sonst wachsen die Knochen vielleicht immer weiter“, sagt Dr.

Rolf.

Die Forschung über das Knochenwachstum beim Hirschgeweih bringt auch heute noch überraschende Ergebnisse hervor. Erst vor fünf Jahren konnte Rolf die Lehrbuch-Meinung widerlegen, das ausgewachsene Geweih auf dem Kopf eines Hirsches bestehe nach dem so genannten „Fegen“ aus totem Knochen. „Das Geweih lebt, genau wie jeder andere Knochen im Körper. Blutgefäße und vielleicht sogar Nerven versorgen den Röhrenknochen bis in die Spitze“, sagt Rolf. Der Hirsch könne sogar kleinere Risse im Inneren seines Geweihs heilen.

(idw – Universität Göttingen, 14.10.2004 – DLO)

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