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Klima

Hat der Mensch eine neue Eiszeit verhindert?

Einen anthropogenen Treibhauseffekt könnte es schon vor 5.000 bis 8.000 Jahren gegeben haben

Der anthropogene Klimawandel begann nicht erst vor knapp 200 Jahren, sondern schon vor mehreren tausend Jahren mit dem großräumigen Reisanbau in Asien und der Rodung der Wälder in Europa. Möglicherweise trug diese frühe Treibhausgas-Freisetzung sogar dazu bei, den Beginn einer neuen Eiszeit zu verhindern. Das jedenfalls schließen Wissenschaftler aus Analysen von Eisbohrkernen jener Zeit und aus Klimamodellen.

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Schon vor einigen Jahren entwickelte der Klimaforscher William F. Ruddiman von der Universität von Virginia eine gewagte Theorie: Was wäre, wenn der anthropogene Klimawandel nicht erst mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert begonnen hat, sondern sehr viel früher? Schon mit der Einführung des großräumigen Reisanbaus in Asien und der starken Entwaldung in Europa hatte der Mensch schließlich begonnen, große Mengen von Treibhausgasen in die Atmosphäre freizusetzen – Methan aus den Reisfeldern und Kohlendioxid aus den Brandrodungen der Wälder.

Eisbohrkerne bestätigen gewagte Theorie

Diese Theorie einer frühen Klimabeeinflussung war seither heiß umstritten. Jetzt aber liefern die Klimatologen Stephen Vavrus, John Kutzbach und Gwenaëlle Philippon vom Zentrum für Klimaforschung der Universität von Wisconsin-Madison und vom Nelson Institute for Environmental Studies erstmals detaillierte Daten, die diese Theorie unterstützen. „Keiner bestreitet den gewaltigen Anstieg von Treibhausgasen mit der industriellen Revolution“, erklärte Kutzbach. „Die Verbrennung von Kohle für die Industrie hat jedoch alles andere überdeckt.“

Die Wissenschaftler nutzten Klimaarchive wie 850.000 Jahre zurück reichende Eisbohrkerne aus der Antarktis, um Informationen über die atmosphärische Zusammensetzung der Vergangenheit zu sammeln. Sie werteten die in winzigen Bläschen im Eis konservierte Luft aus und stießen dabei tatsächlich auf die verräterische Signatur von zunehmenden Treibhausgasen – tausende von Jahren vor dem Beginn der industriellen Revolution.

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Treibhausgasmuster anders als in vorhergehenden Warmzeiten

„Vor 5.000 bis 8.000 Jahren zeigten sowohl Methan als auch Kohlendioxid im Unterschied zu den vorherigen Zwischeneiszeiten einen ansteigenden Trend“, erklärt Kutzbach. Gegen Ende der sechs vorhergehenden Interglaziale waren die Treibhausgaskonzentrationen immer deutlich gesunken statt anzusteigen. Dies wiederum bereitete der nächstfolgenden Eiszeit den Weg und stützte das Muster der relativ regelmäßig ablaufenden Zyklen von einer Kälteperiode alle rund 100.000 Jahre. Dieser so genannte Milankowic-Zyklus wird angetrieben durch periodisch wiederkehrende Veränderungen der Erdumlaufbahn.

Bremsten die Treibhausgase den Eiszeitzyklus?

Nach Ansicht der Forscher hat der frühe Einfluss des Menschen möglicherweise sogar dafür gesorgt, dass die Warmzeit weiter anhält und keine neue Kaltzeit kommt. Die Treibhausgase aus den frühen Landwirtschaften und jetzt die starke Erwärmung seit der industriellen Revolution könnten das Muster der vorherigen Prä-Eiszeit-Phasen durchbrochen haben. „Wir sind zurzeit in einem ziemlich günstigen Stadium für eine Eiszeit”, so Kutzbach. „Wenn der Mensch nicht da wäre, würde sie wahrscheinlich schon heute stattfinden.“

Um das zu testen, simulierten die Wissenschaftler in drei unterschiedlichen Klimamodellen die Klimaentwicklung während der Zeit vor 5.000 bis 8.000 Jahren – und zwar ohne die vom Menschen in dieser Phase freigesetzten Treibhausgase. Dabei zeigte sich eine deutlich langlebigere Schnee- und Eisbedeckung in einigen Regionen Kanadas, Sibiriens, Grönlands und der Rocky Mountains. Diese wiederum gelten als „Brutgebiete“ für die ausgedehnten Vergletscherungen vorheriger Eiszeiten. „Mit jedem Feedback, dass wir hinzugefügt haben, verstärkte sich das Bild einer aufgeschobenen Eiszeit noch. Wir erhalten immer wieder die gleiche Antwort“, so Vavrus.

(University of Wisconsin-Madison, 19.12.2008 – NPO)

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