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Geowissen

Grönland: Wärme per Schmelzwasserexpress

Subglaziale Seen erwärmen und destabilisieren das Eisschild von unten her

Schmelzwasser taut Grönlands Eisschild auch von unten auf © NASA

Das Eis Grönlands wird buchstäblich von unten ausgehöhlt: Schmelzwasser von der Oberfläche strömt in die Tiefe und sammelt sich dort in subglazialen Seen, wie Forscher jetzt erstmals beobachten konnten. Das Problem daran: Das Schmelzwasser bringt Wärme an die Eisbasis – und das destabilisiert das Eisschild von unten her. Die Häufung solcher Seen könne ein Warnsignal für einen fundamentalen Wandel des Eisschilds sein, warnen die Forscher im Fachmagazin „Nature“.

Subglaziale Seen entstehen normalerweise, weil die Reibung eines fließenden Gletschers über den Untergrund Wärme entstehen lässt und das Eis unten antaut.“ Auf Grönland aber ist das Eis über den Seen zu langsam, zu dünn und zu kalt, um durch Schmelzen an der Eisbasis entstanden zu sein“, erklären Michael Willis von der Cornell University in Ithaca und seine Kollegen. Schon länger vermuten Forscher daher, dass die grönländischen Seen durch Schmelzwasser von der Oberfläche gefüllt werden könnten – belegen ließ sich dies aber nicht.

Verdächtiger Krater im Eis

Jetzt haben Forscher erstmals beobachtet, wie sich zwei solche subglaziale Seen entleeren und dann mit nachströmendem Schmelzwasser wieder füllen. Einen der Seen entdeckten Willis und seine Kollegen im Jahr 2011 bei Eismessungen im Nordosten Grönlands. Dabei fiel ihnen ein 70 Meter tiefer und gut acht Quadratkilometer großer Krater in der Eisoberfläche des Flade Isblink Eisschilds auf. Die Form des Kraters legte nahe, dass sich hier ein subglazialer See plötzlich entleert hatte und die Eisdecke dabei eingebrochen war.

Dieser Krater entstand, als darunter ein subglazialer See leerlief und die Decke einbrach. © Stephen Price/ Los Alamos National Laboratory

Die Forscher behielten den Krater im Auge, denn sie wollten wissen, ob sich der See unter dem Eis wieder füllte. Und tatsächlich: Während der beiden folgenden Sommer hob sich die Eisdecke über dem See um insgesamt 38 Meter. In den Wintern stoppte diese Hebung jedoch stets – für sie ein Anzeichen dafür, dass sommerliches Schmelzwasser von der Oberfläche die Quelle für den Wassernachschub sein musste. „Wir können direkt sehen, wie das Schmelzwasser in Löcher strömt und dann beobachten wir, wie sich die subglazialen Seen füllen und wieder entleeren“, sagt Willis.

Ausgeleert nach 40 Jahren

Ähnliches beobachteten auch Ian Howat von der Ohio State University in Columbus und sein Team bei einem 2014 entdeckten subglazialen See im Südwesten Grönlands. Dieser war ebenfalls kollabiert und hatte an der Eisoberfläche einen Krater entstehen lassen. Weil der See nur rund 50 Kilometer von der Küste entfernt liegt, vermuten die Forscher, dass sein Wasser durch einen Tunnel an der Eisbasis Richtung Meer ausgeströmt sein muss.

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Auswertungen von zurückliegenden Eismessungen ergaben, dass sich der See zuvor mehr als 40 Jahre lang allmählich gefüllt hat. Da auch in dieser Gegend die Eisbasis zu kalt ist, um vor Ort Schmelzwasser zu erzeugen, muss das Wasser von der Oberfläche des Eises stammen, vermuten die Forscher.

Dass das grönländische Schmelzwasser nach unten wegfließt, zeigt auch dieser Tunnel in die Tiefe, den NASA-Forscher Alberto Behar entdeckte © NASA/JPL

Eisschild wird von unten her instabil

Auf den ersten Blick erscheinen diese Entdeckungen wenig spektakulär. Doch für das grönländische Eis können die Folgen beträchtlich sein. Denn wenn Schmelzwasser von der Oberfläche in die Tiefe sickert, bringt es dabei auch seine Wärme mit und gibt diese an seine Umgebung ab. Und genau das ist das Problem, wie Willis erklärt: „Die von diesem eingefangenen Schmelzwasser freigesetzte Wärme kann das umgebende Eis erweichen und das kann den Eisstrom beschleunigen.“

Das normalerweise sehr kalte und feste Grundeis wird so instabiler und die Eisströme kommen schneller ins Rutschen. Ähnlich sieht es auch Howat: „Die Tatsache, dass unser See mehrere Jahrzehnte stabil war und dann während nur einiger heißer Sommer innerhalb von Tagen oder Wochen leerlief, könnte ein Warnsignal dafür sein, dass sich im Eisschild ein fundamentaler Wandel anbahnt“, warnt Howat. (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature14116)

(Ohio State University / Cornell University, 22.01.2015 – NPO)

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