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Grönland: „Verschollene“ Seen aufgespürt

Entdeckung von 56 subglazialen Seen klärt Diskrepanz zwischen Beobachtungen und Modell

Grönland
Auch unter dem Eispanzer Grönlands verbergen sich zahlreiche subglaziale Seen – bisher waren sie verborgen geblieben. © NASA/GSFC, Reto Stockli/Blue Marble

Es gibt sie doch: Bisher rätselten Forscher, warum es unter dem Eis Grönlands kaum subglaziale Seen gibt – und in der Antarktis so viele. Jetzt liefert die Entdeckung von gleich 56 solcher Seen unter dem grönländischen Eispanzer die Antwort: Sie wurden bisher einfach nicht erkannt. Die Neuentdeckungen liefern nun wertvolle Einblicke in das Verhalten des tauenden Grönland-Eises, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Die Eispanzer der Antarktis und Grönlands erscheinen mächtig und massiv. Aber unter dem Eis gibt es Tümpel, Seen und sogar ganze Netzwerke mit flüssigem Wasser. Mithilfe von Radarkartierungen und seismischen Messungen haben Wissenschaftler in der Antarktis schon mehr als 400 solcher subglazialer Seen aufgespürt. Die Spanne reicht vom riesigen und uralten Lake Vostok bis zu kleineren, sich dynamisch füllenden und leerenden Gewässern.

Wo stecken die subglazialen Seen?

Merkwürdig jedoch: Auch auf Grönland ist die Eisbasis vielerorts angetaut, weshalb dort zahlreiche subglaziale Seen existieren müssten. Doch bislang haben Forscher zwar unzählige Schmelzwassertümpel auf dem Grönlandeis und eine tiefe Schlucht unter dem Eispanzer entdeckt, aber nur vier eher kleine subglaziale Seen. Wo aber steckt der Rest?

Um die fehlenden Seen aufzuspüren, haben nun Jade Bowling von der Lancaster University und seine Kollegen die erste umfassende „Fahndung“ nach subglazialen Seen auf Grönland durchgeführt. Sie werteten dafür Radardaten der NASA-Operation IceBridge aus, sowie Satellitendaten und topografische Modelle der Oberflächenveränderungen des Eispanzers.

GRönlandseen
Lage und Größe der neuentdeckten subglazialen Seen. © Bowling et al./ Nature Communications, CC-by-sa 4.0

Fehlende Seen aufgespürt

Und sie wurden fündig: Ihre Auswertungen enthüllten die Präsenz von 56 bisher unerkannten Seen unter dem Grönlandeis. Deren Größen variieren zwischen 200 Metern Länge und knapp sechs Kilometern Länge – sie sind damit im Schnitt achtmal kleiner als ihre Gegenparts in der Antarktis, wie Bowling und sein Team berichten. Drei Viertel dieser subglazialen Seen liegen zudem unter sich relativ langsam bewegendem Eis.

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Die neuentdeckten Seen sind jedoch nicht gleichmäßig verteilt, sondern konzentrieren sich vor allem in drei Gebieten: im Nordwesten, im Norden und vor allem östlich des Zentrums. Dabei scheinen die größten Seen entlang der subglazialen Bergkette in Ostgrönland zu liegen, während am Rand des grönländischen Eischilds vor allem kleinere und möglicherweise kurzlebigere Seen zu finden sind.

Topografie bestimmt Verteilung

Die Wissenschaftler führen diese Verteilung auf die spezifischen Bedingungen am Grund des Eispanzers zurück: „Im Osten Grönlands ist der Untergrund sehr rau und das Schmelzwasser kann sich dort gut sammeln und gespeichert werden“, erklärt Koautor Stephen Livingstone von der University of Sheffield. Dieses steilere Relief begünstigt daher die Bildung größerer subglazialer Seen. Im Norden erlaubt dagegen ein Flickenteppich aus getauter und gefrorener Eisunterseite nur kleinere Seen.

„Diese Studie hat es uns zum ersten Mal ermöglicht, eine Vorstellung davon zu bekommen, wo sich unter dem grönländischen Eisschild Seen bilden“, sagt Bowling. „Das ist wichtig, um ihren Einfluss auf das subglaziale hydrologische System und den Eisfluss einzuschätzen.“ Die anhand der neuentdecken Seen gewonnen Erkenntnisse könnte demnach auch dazu beitragen, das künftige Verhalten des Grönlandeises besser vorherzusagen.

Mysteriöse Leere im Süden und Westen

Noch unklar ist allerdings, warum die Forscher ausgerechnet unter den am schnellsten abtauenden und fließenden Gletschern Grönlands kaum Seen gefunden haben. „In den südlichen und westlichen Sektoren des grönländischen Eisschilds entstehen jeden Sommer große Mengen an Schmelzwasser“, erklären Bowling und sein Team. Dieses dringt auch bis zur Eisunterseite vor, wie Radarmessungen belegen.

Die Wissenschaftler vermuten jedoch, dass gerade die große Schmelzwassermenge dazu führt, dass sich das Wasser seinen Weg bahnt und effektiver abfließt. Dadurch könnten Seen nur vorübergehend gebildet werden. Möglich sei aber auch, dass die Seen in diesen Gebieten übersehen werden, weil das viele oberflächliche Schmelzwasser de Messungen stört, so die Forscher. Ganz ist das Rätsel der fehlenden Seen demnach noch nicht gelöst, aber der erste Schritt ist getan. (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-10821-w)

Quelle: Lancaster University

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