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Zoologie

Greifvogel-Männchen tarnen sich als Weibchen

"Verkleidete" Vögel werden seltener von Geschlechtsgenossen angegriffen

Männliche Rohrweihe im weiblichen Federkleid, erkennbar am deutlich abgesetzten hellen Kopf. © Vincent Bretagnolle

Die Männchen eines auch in Deutschland heimischen Greifvogels haben eine besondere Strategie zur Aggressionsvermeidung entwickelt: Immerhin 40 Prozent der Männchen tarnen sich dauerhaft als Weibchen. Diese tierischen „Dragqueens“ tragen nicht nur lebenslang das typisch weibliche Federkleid, sie verhalten sich auch in Revierkämpfen eher weiblich. Das berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Biology Letters“. „Bei Vögeln ist ein solches dauerhaft weibliches Aussehen extrem selten“, schreiben die Forscher. Neben der Rohrweihe sei dies nur noch von einer anderen Vogelart bekannt.

Welchen praktischen Nutzen diese „Verkleidung“ den Greifvogel-Männchen bringt, haben die Forscher erstmals in einem Freiland-Experiment mit Attrappen untersucht. Sie überprüften, wie die streng territorialen Männchen auf typisch weibliche, männliche oder verweiblichte Artgenossen als Eindringlinge in ihr Revier reagierten.

„Wie erwartet, griffen die typischen Männchen einen Weibchen-ähnlichen Eindringling weniger häufig an als ein typisches Männchen“, berichten Audrey Sternalski vom spanischen Forschungsinstitut für Wildtierforschung (IREC) in Ciudad Real. Das stimme mit der Theorie überein, dass als Weibchen getarnte Männchen den Kämpfen und der Aggression durch ihre Geschlechtsgenossen entgehen. „Die permanente Mimikry ist daher für sie von Vorteil“, sagen die Forscher.

Männliche Rohrweihe im typisch männlichen Federkleid mit grauen Flügeln, dunklen Flügelspitzen und graubräunlichem Kopf. © Vincent Bretagnolle

Verweiblichte Revierbesitzer greifen nur Weibchen an

„Weitaus überraschender ist aber, dass verweiblichte Männchen auch als Revierbesitzer ein anderes Aggressionsverhalten zeigen als die typischen Männchen“, sagen die Forscher. Die „Dragqueens“ griffen in ihr Territorium eindringende Männchen überhaupt nicht an. Stattdessen reagierten sie aggressiv, wenn die Wissenschaftler eine Weibchen-Attrappe ins Territorium setzten.

„Die Männchen im Weibchen-Federkleid sehen demnach nicht nur so aus wie Weibchen, sie verhalten sich auch eher wie diese, wenn sie ihre Ressourcen verteidigen“, schreiben die Wissenschaftler. Welche Vorteile das Vertreiben von Weibchen für die „getarnten“ Männchen bringe, sei aber noch unklar. Die Forscher wollen daher als nächstes untersuchen, ob die beiden Männchen-Typen der Rohrweihen sich auch in ihrem Fortpflanzungsverhalten unterscheiden.

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Eine männliche Rohrweihe im weiblichen Federkleid greift eine weibliche Attrappe an. © Audrey Sternalski

Graue Federn als Männlichkeits-Merkmal

Normalerweise besitzen die knapp bussardgroßen Rohrweihen-Männchen graue Flügel und Schwanzfedern und schwarze Flügelspitzen. Den etwas größeren Weibchen fehlen die grauen und schwarzen Federn, sie sind vorwiegend braun, mit einem weißlich-hellgelben Kopf. Damit zeige der Greifvogel die für viele Vogelarten typischen Geschlechtsunterschiede, sagen die Forscher.

Das Federkleid der als Weibchen getarnten Rohrweihen-Männchen ähnelt dem der Weibchen sehr stark: Sie sind ebenfalls vorwiegend braun gefärbt und tragen keine grauen Federn an Flügeln und Schwanz. Der helle Kopf ist wie bei den Weibchen deutlich vom restlichen Körper abgesetzt. (Biology Letters, 2011; DOI: 10.1098/rsbl.2011.0914)

(Biology Letters / dapd, 09.11.2011 – NPO)

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