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Chemie

Gibt es Sauerstoff im Erdkern?

Hochdruck-Experiment erzeugt ein zuvor unbekanntes eisenreiches Eisenoxid

Erdinneres
Im inneren Erdkern könnte es auch Sauerstoff geben – in Form exotischer Hochdruck-Eisenoxide. © Johannes Gerhardus Swanepol/ iStock

Extremchemie: Der innere Erdkern könnte neben Eisen und Nickel auch Sauerstoff in Form eines exotischen, eisenreichen Oxids enthalten, wie Hochdruck-Experimente nahelegen. Unter dem extremen Druck und der Hitze des Erdkerns kann demnach ein Eisenoxid entstehen, in dem sich jeweils zwei Eisenatom-Schichten mit einer Schicht Sauerstoffatome abwechseln. Diese zuvor unbekannte Verbindung könnte erklären, warum der Erdkern seismisch weicher ist als massives Metall.

Der innere, feste Erdkern ist der extremste und geheimnisvollste Ort unseres Planeten. Denn welche Struktur diese feste Metallkugel hat, wann sie erstarrte und welche Elemente außer Eisen und Nickel noch in ihr vorkommen, ist weitgehend ungeklärt. In den letzten Jahren mehren sich aber Hinweise darauf, dass der innere Erdkern weicher ist als gedacht und daher auch leichtere Elemente enthalten muss – mögliche Kandidaten dafür sind Wasserstoff, Schwefel, Silizium, Kohlenstoff und Sauerstoff, aber auch die Edelgase Helium und Xenon.

Rätsel um den Sauerstoff

Als möglicher Kandidat für ein leichtes Element im Erdkern gilt vor allem der Sauerstoff: „Sauerstoff war in jedem Stadium der Entstehung und Entwicklung der Erde präsent und die chemischen Interaktionen im tiefen Inneren umfassen auch einen Sauerstofftransfer zwischen Kern und Mantel“, erklären Jin Liu vom Zentrum für Hochdruckforschung und -technologie in Peking und seine Kollegen. „Doch obwohl Eisen und Sauerstoff als Schlüsselelemente der Planetenbildung gelten, ist die Präsenz von Sauerstoff im inneren Erdkern strittig.“

Das Problem: Bisher waren von Eisenoxid – der wahrscheinlichsten Form des Sauerstoffs im Erdkern – nur eisenarme Varianten bekannt. Sie jedoch passen nicht zu den Bedingungen im eisenreichen Erdkern. Purer Sauerstoff wiederum ist gängigen Modellen zufolge im festen Eisen nicht löslich. Liu und sein Team haben deshalb in Hochdruckexperimenten den extremen Druck und die Temperatur des Erdkerns imitiert und untersucht, ob dann vielleicht doch eisenreiche Eisenoxide entstehen.

Für die Experimente gaben sie Eisenpulver gemischt mit Eisenoxiden (FeO oder Fe2O3) in eine Diamant-Stempelzelle und setzten sie stufenweise immer höheren Drücken von bis zu 260 Gigapascal und Temperaturen von gut 2.700 bis 3.200 Grad aus.

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Neuartiges Eisenoxid unter Erdkernbedingungen

Das Ergebnis: In den ersten Durchgängen mit einem Druck bis 220 Gigapascal und Temperaturen bis 2.300 Grad tat sich in der Probenkammer noch nicht viel. Es gab keine Anzeichen für eine chemische Reaktion. Das änderte sich jedoch, als das Material die Extrembedingungen des Erdkerns erreichten: Die Röntgenstreuungsanalysen zeigten Peaks, die zu keiner der bekannten Eisenoxid oder Eisenkarbid-Formen passten, wie die Forschenden berichten.

Eisenoxid
Unter den extremen Bedingungen des Erdkerns entstehen eisenreiche Eisenoxide, in denen Eisenatome (gelb) und Sauerstoffatome (rot) schichtweise vorliegen. © Jin Liu

Nähere Analysen enthüllten, dass in der Hochdruckkammer ein zuvor unbekanntes eisenreiches Eisenoxid entstanden war – Fe28O14. In dieser Verbindung sind die Sauerstoff- und Eisenatome im Kristallgitter nicht durchmischt, wie sonst in Eisenoxiden der Fall. Stattdessen bilden sie getrennte Schichten, so dass jeweils eine Sauerstoffatom-Schicht auf zwei Eisenschichten folgt. Insgesamt ordnen sich die Atome dabei in einer kompakten hexagonalen Struktur an.

Metallähnlich statt oxidisch

„Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eisenreiche Eisenoxide unter den Bedingungen des inneren Erdkerns stabil sein könnten“, schreibt das Team. Sauerstoff könnte demnach durchaus im inneren Erdkern präsent sein – und als eine der leichten Elementbeimischungen die seismische „Weichheit“ des festen Kerns erklären. Die ersten Analysen legen zudem nahe, dass sich das Eisen in diesen eisenreichen Eisenoxiden offenbar nicht wie ein klassisches Oxid, sondern eher wie ein Metall verhält – auch das würde passen.

„Zukünftige Studien der elastischen, rheologischen und thermischen Transporteigenschaften dieser anisotropischen Eisenoxid-Verbindungen könnten neue Einblicke in die seismischen Merkmale des inneren Erdkerns bieten, in seine Bildung und Zusammensetzung und auch die thermische Entwicklung unseres Planeten“, konstatieren Liu und sein Team. Welche Eigenschaften die Hochdruck-Eisenoxide im Detail haben und in welcher Form und in welchem Maße sie tatsächlich im äußeren und inneren Erdkern vorhanden sind, bleibt aber vorerst unklar. (The Innovation, 2022; doi: 10.1016/j.xinn.2022.100354)

Quelle: Center for High Pressure Science & Technology Advanced Research

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