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Physik

Gewitterwolke als Wasserpumpe

"Hydraulischer Sprung" transportiert Wasser bis in die Stratosphäre

Gewitterwolke
Blick auf die Oberseite einer Gewitterwolke mit bis in die Stratosphäre ragender Spitze – solche Wolkentürme transportieren wie riesige Pumpen große Mengen Wasser in die Stratosphäre. © NASA/JSC

Turbulenter Transport: Die hochaufragenden Wolken großer Gewitterstürme transportieren enorme Mengen Wasser in die Stratosphäre – eine einzige Wolke kann sieben Tonnen Wasser pro Sekunde in die hohe Atmosphäre pumpen. Wie dies geschieht, haben nun Forscher mithilfe von Messdaten und Modellen aufgedeckt. Demnach verursacht die Wolkenspitze Turbulenzen, die einen hydraulischen Sprung auslösen. Dieser bewirkt die Injektion von Eis und Wasser in große Höhen, so das Team in „Science“.

Die in rund zehn Kilometer Höhe beginnende Stratosphäre ist nicht nur Heimat der uns schützenden Ozonschicht, sie spielt auch für unser Klima und großräumige Luftströmungen wie den Polarwirbel eine wichtige Rolle. Typischerweise ist sie durch eine Grenzschicht, die Tropopause, fast vollständig von der unteren Atmosphäre getrennt – Treibhausgase, Schadstoffe oder Wasser können nicht weiter aufsteigen. Deshalb ist die Stratosphäre extrem trocken und kalt.

Atmosphäre
Schichten der Atmosphäre. © shoo_arts/ Getty images

Doch es gibt Ereignisse, die die Tropopausen-Barriere durchbrechen können. Dazu gehören die Eruptionswolken von Vulkanausbrüchen, aber auch die hochaufragenden Wolken einiger besonders starker Gewitter. Schon länger vermuten Wissenschaftler, dass solche Superzellen-Gewitter Wasserdampf und Eis bis in die Stratosphäre bringen können. 18 Prozent des gesamten stratosphärischen Wassers könnte demnach allein auf Tropenstürme zurückgehen.

Verräterische Cirruswolke

Das Problem jedoch: Wie genau dies geschieht und wie viel Wasser ein solcher Gewittersturm in die Höhe pumpen kann, blieb bislang unklar. Deshalb haben Morgan O’Neill von der Stanford University und ihre Kollegen die Prozesse im oberen Teil solcher Wolkentürme mithilfe von Radardaten und einer Modellsimulation genauer untersucht. Im Visier ihrer Analysen standen dabei die sogenannten Above-Anvil-Cirrus-Plumes (AACP) – Gewitterwolken, bei denen sich über der ambossförmigen Wolkenspitze noch eine Schleierwolke bildet.

„Ein AACP besteht aus einer dünnen Cirruswolke, die mehrere Kilometer über die weit größere Ambosswolke hinausragt und oft auf Satellitenbildern zu sehen ist. Sie ragt bis in die untere Stratosphäre hinein, wo sie sich in Windrichtung ausbreitet“, erklären die Forschenden. In ihrem Modell rekonstruierten sie, welchen Effekt die AACPs auf die Luftströmungen der Stratosphäre und die Grenzschicht haben.

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Luftwalze
Bildung des hydraulischen Sprungs in Form einer gewaltigen Luftwalze (orange) auf der Leeseite der Wolkenspitze. © Leigh Orf/ UW-Madison

Wolkenspitze verursacht hydraulischen Sprung

Die Analysen enthüllten: Wenn die Wolkenspitze eines Gewitters bis in die untere Stratosphäre vordringt, dann bildet sie einen hochaufschießenden Ausläufer, der bis in 15 Kilometer Höhe reichen kann. Dort wirkt er wie eine topografische Barriere und behindert den Fluss stratosphärischer Strömungen. Dadurch kommt es auf der Leeseite dieser Wolkenausläufer zur Bildung von Turbulenzen, wie die Simulationen zeigten.

„Die stratosphärische Luft wird abgebremst und stürzt an der Leeseite der Wolkenspitze in die Tiefe“, berichten O’Neill und ihr Team. Ähnlich wie bei einer Wasserwalze nach einem Wehr kommt dadurch zu einem hydraulischen Sprung: Es entsteht eine Art Luftwalze, in der sich die kalte, trockene Stratosphärenluft mit feuchteren Luftmassen aus der Troposphäre mischt.

Mehr als sieben Tonnen Wasser pro Sekunde

Nach Ansicht der Forschenden ist dieser hydraulische Sprung die Pumpe, durch die Gewitterwolken Wasser in die Stratosphäre injizieren – und das in vergleichsweise großen Mengen, wie das Modell demonstrierte: Schon bei relativ schwachen stratosphärischen Winden transportiert eine einzige AACP-Gewitterwolke rund 1,3 Tonnen Wasserdampf pro Sekunde in die Stratosphäre. „Schon das ist unerwartet viel“, so das Team.

Wenn aber die Winde in der Stratosphäre mit mehr als 30 Meter pro Sekunde wehen, erzeugt das Wolkenhindernis einen größeren hydraulischen Sprung. Als Folge sind die Turbulenzen stärker und es wird mehr Wasser in die Höhe gerissen – in der Simulation waren es 7,6 Tonnen Wasserdampf pro Sekunde. „Das ist der höchste je in einer Simulation dieser Prozesse erreichte Wert“, schreiben O’Neill und ihre Kollegen.

Live-Beobachtungen nötig

Nach Ansicht des Forschungsteams liefern diese Prozesse und insbesondere der hydraulische Sprung eine Erklärung dafür, wie starke Gewitter Wasser bis in die Stratosphäre transportieren können. Sie hoffen nun, dass künftige Beobachtungen diese Mechanismen auch live nachweisen können und Näheres über die Menge und Intensität dieser wolkigen Wasserpumpen zutage fördern.

„Eine gezielte Feldkampagne, die AACP-erzeugende Gewitterstürme von Nahem beobachtet, könnte die Physik an der Sturmspitze noch besser eingrenzen und auch ihren Beitrag zum Wasserdampfeintrag in die Stratosphäre besser quantifizieren“, schreiben die Wissenschaftler. (Science, 2021; doi: 10.1126/science.abh3857)

Quelle: American Association for the Advancement of Science (AAAS)

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