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Entwicklungsbiologie

Gesicht entsteht früh

Neuralkammzellen bilden sich früher und unabhängiger als erwartet

Hühnerembryo mit rot markierten Neuralkamm-Vorläuferzellen © Martín García-Castro

Unser Gesicht entsteht während der Embryonalentwicklung aus Zellen und Geweben, wie alle anderen Körperteile auch. Jetzt haben Wissenschaftler festgestellt, dass die Vorläufer von Gesicht, Schädel und den Nervenzentren von Kopf und Nacken sich weitaus früher bilden als angenommen und dies zudem ohne Interaktion mit anderen Geweben tun. Das berichtet eine jetzt in „Nature“ erschienene Studie.

Wissenschaftler der Yale Universität und des California Institute of Technology (Caltech) haben mithilfe von gleich drei verschiedenen Technologien demonstriert, dass die Bildung der Zellen des so genannten Neuralkamms bei Hühnerembryonen unabhängig sowohl von mesodermalem Gewebe – dem Ursprung aller Bindegewebe und Muskeln – als auch von neuralen Geweben ist. Der Neuralkamm besteht aus einer Gruppe von Stammzellen, die während der Embryonalentwicklung stark wandern und aus denen zahlreiche Gewebe entstehen, darunter Knochen und Knorpel des Schädels, die Pigmentzellen der Haut und Zellen des peripheren Nervensystems. Wird die Entwicklung dieser Zellen gestört, hat dies beim Menschen Fehlbildungen wie Hasenscharte, Herzklappenmissbildungen und mehrere Tumorarten zur Folge.

Doch bisher waren die Entstehung und der genaue Ablauf der normalen Entwicklung dieser Zellgruppe nicht genau bekannt. Basierend auf Erkenntnissen noch aus den 1940er Jahren nahm man an, dass der Neuralkamm durch Interaktionen zwischen neuralen und nicht neuralen Zellschichten entsteht.

Hühnerembryos als Modell

Die Forscher nutzten Hühnerembryos als Versuchsobjekte, da diese ein gut geeignetes Modell für die Entwicklungsbiologie von Wirbeltieren darstellen. Klar war, dass die Fähigkeit der Embryonen, neurale Kammzellen zu bilden nach dem so genannten „Stadium 10“ rapide abfällt. Die Wissenschaftler suchten jetzt nach den Bedingungen, zu denen diese Zellgruppe erstmals im Embryo gebildet wird. Dazu entnahmen sie Zellproben verschiedener Köperregionen aus einem sehr frühen Stadium, in dem die Neuralplatte – Vorläuferstrukturen des Nervensystems – noch nicht ausgebildet war, versetzten sie mit einem spezifischen Marker und hielten sie in Kultur.

Neuralkammzellen früher angelegt als erwartet

Überraschenderweise bildeten bestimmte Regionen des Embryos sowohl die wandernden neuralen Kammzellen als auch die aus diesen hervorgehenden Zelltypen – und dies, ohne dass mesodermale oder neurale Gewebe greifbar waren. „Wir zeigen in dieser Arbeit, dass Neuralkamm-Stammzellen-Vorläufer schon sehr früh in der Entwicklung angelegt werden – schon in der Gastrula – und dies unabhängig von den Einflüssen anderer Gewebe“, erklärt Martín García-Castro, Assistenzprofessor für Molekular-, Zell- und Entwicklungsbiologie an der Yale Universität.

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„Unsere Ergebnisse widersprechen gängigen Lehrbuchmeinungen und deuten daraufhin, dass verschiedene Mechanismen der Neuralkamm-Induktion während der Entwicklung aktiv sind. Der Mechanismus, den wir entdeckt haben, steht mit den frühen Neuralkammzellen in Verbindung, den einzigen, die in den höheren Wirbeltieren noch das Potenzial zur Bildung von Knochen und Knorpeln behalten haben.“

“Das Verständnis der Ursprünge der Neuralkammzellen – woher, wann und wie sie gebildet werden – ist ein entscheidender Schritt, wenn wir sie zu therapeutischen Zwecken eines Tages manipulieren wollen”, so García-Castro. „Die Bedeutung dieser grundlegenden Fragen der Biologie und Entwicklung reichen daher weit über diese Hühnchen und Eier hinaus.“

(Yale University, 12.07.2006 – NPO)

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