Anzeige
GeoUnion

Geophysiker aus Leidenschaft

Horst Rüter im Interview

Horst Rüter, Vizepräsident der Geothermischen Vereinigung und Präsidiumsmitglied der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft (DGG) sowie der Geounion/Alfred-Wegener-Stiftung (AWS) © Informationskampagne Erneuerbare Energien

Ob Geothermie in Deutschland, Kohlebrände in China oder seismische Bohrlocherkundungen in Texas – Horst Rüter ist Geophysiker aus Leidenschaft. Für sein wissenschaftliches Lebenswerk wurde ihm nun unlängst der Schlumberger Award 2005 verliehen, eine der bedeutendsten internationalen Auszeichnungen der Geowissenschaften.

Doch kein Grund für den Vizepräsidenten der Geothermischen Vereinigung und das Präsidiumsmitglied der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft (DGG) sowie der Geounion / Alfred-Wegener-Stiftung (AWS), sich auf seinen „Lorbeeren“ auszuruhen. Denn neben seiner Professur an der Ruhr-Universität-Bochum leitet er nun eine private geophysikalische Forschungs- und Beratungsgesellschaft in Köln. In einem Interview gibt er Auskunft über die Preisverleihung und seine Zukunftspläne.

g-o.de

: Sie haben vor kurzem den Schlumberger Award 2005 für »fundamentale Beiträge zur Seismik und Bohrlochgeophysik« erhalten. Worin genau bestanden diese?

Rüter

: Die Seismik erkundet mithilfe von Schallwellen den Untergrund und wird vor allem zur Lagerstättenerkundung in der Öl- und Gasindustrie und im Bergbau eingesetzt. Schon 1975 haben wir zusammen mit der damaligen Firma Prakla Seismos erste Tests im Ruhrgebiet zur Verbesserung dieser Technik unternommen. Hieraus entstand letztendlich die moderne 3D-Seismik, mit deren Hilfe heute der Untergrund bis in mehrere tausend Meter Tiefe dreidimensional erkundet werden kann. Eine spezielle Entwicklung ist auch die so genannte Flözwellenseismik, eine im Bergbau unter Tage eingesetzte seismische Messmethode, mit deren Hilfe heute weltweit tektonische Störungen in Kohleflözen erkundet werden. In der Bohrlochgeophysik lagen die Beiträge vor allem in Bild gebenden Verfahren wie dem „borehole-televiewer“ oder aber in der Entwicklung spezieller Messinstrumente wie dem „borehole shuttle“, der ohne ein Kabel mitzuführen in Bohrungen eingespült werden kann.

g-o.de

: Sie waren also maßgeblich an der Entwicklung der 3D-Seismik beteiligt, einem heutigen Standardverfahren zur Lagerstättenerkundung. Welche weiteren Innovationen erwarten Sie in Zukunft auf diesem Sektor?

Bohrmeißel © Geothermische Vereinigung e.V., Geeste

Rüter

: Nach 3D kommt 4D – also die Erfassung zeitlicher Veränderungen als zusätzliche Dimension. Damit entwickelt sich die Seismik von einem Instrument der reinen Erkundung zu einem Instrument des umfassenden Lagerstättenmanagements. Zusätzlich werden die Interpretationsmethoden weiter verfeinert, so beispielsweise durch die Extraktion der Spektraleigenschaften seismischer Daten. Durch das ständig steigende Auflösungsvermögen erobert die 3D Seismik zudem weitere Einsatzfelder. So finden in Speyer derzeit die weltweit ersten 3D Messungen zur Erkundung von Geothermielagerstätten statt.

Anzeige

g-o.de

: Sie arbeiten an der Verfeinerung von passiven seismischen Verfahren zur Erkundung des Untergrundes. Worin sehen Sie die Vorteile gegenüber anderen Techniken?

Rüter

: Im Gegensatz zur aktiven 3D-Seismik werden bei der passiven Seismik keine künstlich erzeugten Schallwellen von der Oberfläche ausgesendet. Vielmehr werden die Geräusche beobachtet, welche die Rohstoffförderung direkt im Untergrund verursacht. Diese Geräusche entstehen hauptsächlich durch das Fließen von Erdöl oder Erdgas im Gestein. Insbesondere die Lokalisierung dieser Schallquellen gibt Aufschluss über das Reservoir und die in ihm ablaufenden Vorgänge. Auf diese Weise können nicht nur die Lage der Rohstoffe sondern auch die Wegsamkeiten innerhalb des Reservoirs erkundet werden. Solch eine umfassende Kartierung leistet keine andere Methode. Allerdings besteht noch erheblicher Forschungsbedarf.

g-o.de

: Über 30 Jahre haben Sie die Geowissenschaftliche Abteilung der Deutschen Montan Technologie (DMT) geleitet. Was hat sich in diesen drei Jahrzehnten technologisch geändert?

Rüter

: Im Prinzip ging es immer wieder darum, neue Technologien aus der Sensorik, der Elektronik oder der IT-Technologie in den Geobereich zu integrieren. So hat beispielsweise die Möglichkeit zur Verarbeitung großer Datenmengen neue Bild gebende Verfahren ermöglicht, die den alten Spruch: „Vor der Hacke ist es duster“ Lügen strafen. Ein moderner und hoch technisierter Bergbau wäre ohne diese professionellen Erkundungstechniken nicht denkbar. Die deutsche Bergbautechnik war und ist hier in vielen Bereichen Vorreiter. Die bei uns entwickelten Methoden werden heute weltweit angewendet.

g-o.de

: Die Geothermie wird in Deutschland immer wieder belächelt. Wie sehen Sie die Zukunftsaussichten?

Horst Rüter, Vizepräsident der Geothermischen Vereinigung und Präsidiumsmitglied der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft (DGG) sowie der Geounion/Alfred-Wegener-Stiftung (AWS) © Informationskampagne Erneuerbare Energien

Rüter

: Paradoxerweise hat die Geothermie ein Imageproblem aus Gründen, die an sich ihre klaren Vorteile sind: sie ist nicht zu sehen, nicht zu hören und auch nicht zu riechen. Dabei ist das Potenzial der Geothermie nach menschlichem Ermessen unerschöpflich. So wird meines Erachtens die Geothermie in naher Zukunft auch in Deutschland eine bedeutende Rolle beim Heizen und Kühlen spielen. Falls sich die politischen Rahmenbedingungen nicht grundlegend verschlechtern, werden wir bald 100 und mehr Geothermie-Kraftwerke haben. Deutschland ist sogar weltweit technologisch führend in der Nutzung von Thermalwässern unter 150 Grad, beispielsweise zur Stromerzeugung.

g-o.de

: Sie beschäftigen sich derzeit auch mit den unterirdischen Kohlenbränden in China – was hat das mit Ihrer Arbeit als Geophysiker zu tun?

Rüter

: Alleine in Nordchina vernichten die unterirdischen Brände jährlich 10-20 Millionen Tonnen Kohle, was immerhin der Kohleförderung Deutschlands entspricht. Gleichzeitig wird etwa die zehnfache Menge für den Bergbau unbrauchbar und verursacht somit inakzeptabel große Verluste der für die chinesische Energieversorgung unverzichtbaren Kohle. Eine Löschung der Brände kann jedoch nur dann zielgerichtet geplant und durchgeführt werden, wenn ihre Lokation und Erstreckung unter Tage genau bekannt sind. Dies ist eine klassische geophysikalische Explorationsaufgabe. Eingesetzt werden bisher Verfahren der Magnetik und Elektromagnetik und zwar sowohl am Boden als auch von Hubschraubern aus. Geophysikalische Verfahren werden auch löschbegleitend eingesetzt und dienen zur Überwachung bereits gelöschter Brandzonen, da hier permanent ein Risiko der Wiederentzündung besteht.

g-o.de

: Was sind Ihre nächsten Forschungsvorhaben und Projekte?

Rüter

: Das Projekt Kohlebrände wird sicherlich noch einige Jahre weiter gehen. Darüber hinaus werde ich mich intensiver mit Verfahren der Steuerung von Tiefbohrungen durch Messungen während des Bohrens (LWD) beschäftigen. Der Fokus liegt hier vorwiegend auf elektromagnetischen Verfahren größerer Eindringtiefe. Des Weiteren stehen einige Projekte zum Thema Geothermie an, wobei die Vorerkundung und damit Risikoverminderung im Vordergrund steht. Neben der Seismik werden hierzu auch andere, beispielsweise elektromagnetische Verfahren eingesetzt.

g-o.de

: Herr Rüter, wir bedanken uns für das Gespräch.

Weiterführende Links:

Geothermische Vereinigung

Harbourdom

Kohlebrände in China

(Horst Rüter, 16.08.2005 – AHE)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Klima und Wirtschaft

Klimawandel: So teuer wird es

Neue Fossilien vom größten Meeressaurier

Wie schmeckte der Wein der Römer?

Wie Nagetiere ihre Schneidezähne schützen

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

keine Buchtipps verknüpft

Top-Clicks der Woche