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Geowissen

Geheimnis von Alaskas „ausgerichteten Seen“ gelüftet

Tauwetter, nicht Wind ist treibende Kraft der schnell wachsenden Gewässer

Die Seeplatte bedeckt ein Gebiet doppelt so groß wie der amerikanische Bundesstaat Massachusetts. Tausende von „ausgerichteten Schmelzseen“, so die offizielle Bezeichnung, wachsen hier jedes Jahr um bis zu 4,6 Meter – und dies seit Tausenden von Jahren. © NASA/Modis

Sie gehören zu den am schnellsten wachsenden Gewässern unseres Planeten – die Seen im Norden Alaskas. Warum sie so schnell wachsen und warum sie alle in die gleiche Richtung zeigen, egal ob kaum Pfützengroß oder 20 Kilometer lang, war bisher allerdings ein Rätsel. Jetzt hat ein amerikanischer Geophysiker das Geheimnis der mysteriösen Seen gelüftet.

Die Seeplatte bedeckt ein Gebiet doppelt so groß wie der amerikanische Bundesstaat Massachusetts. Tausende von „ausgerichteten Schmelzseen“, so die offizielle Bezeichnung, wachsen hier jedes Jahr um bis zu 4,6 Meter – und dies seit Tausenden von Jahren. Sie haben alle die gleiche eierförmige Form, mit der spitzeren Seite nach Nordwesten zeigend. „Seen gibt es in allen Größen und Formen, aber selten sind sie alle in eine Richtung ausgerichtet“, erklärt Jon Pelletier, Assistenzprofessor an der Universität von Arizona in Tucson.

Pelletier hat jetzt eine neue Erklärung für die Ausrichtung, Form und das Wachstum der “Rätselseen” vorgeschlagen. Seiner Ansicht nach ist der Permafrost der Hauptverantwortliche für die ungewöhnlichen Eigenschaften der Seen. Die spezielle Mischung aus Eis und Erde ist charakteristisch für die Regionen im hohen Norden der Erde. Im Sommer beginnt die oberste Schicht des Permafrost zu tauen. Der Eisanteil des Untergrunds schmilzt und setzt Wasser frei. Zurück bleibt relativ stabiler Sand oder Sediment – normalerweise.

Hitzewelle destabilisiert Permafrost-Böden

Wenn allerdings eine Hitzewelle das Eis im Permafrost schnell abschmilzt, hinterlässt sie durchweichten, instabilen Boden. Und genau darin sieht Pelletier den Schlüsselfaktor für die schnell wachsenden Seen Alaskas: Wenn dieser Boden Teil eines Seeufers ist, rutscht die Uferböschung ins Wasser und der See wächst. Diese Hypothese testete Pelletier mithilfe eines mathematischen Modells, das sowohl das Abrutschen der Ufer als auch die vorherrschenden Winde in eine Simulation mit einbezog.

„Der Computer erlaubt es uns die Prozesse in ein Modell einzubauen und zu sagen ‚Wenn der Wind aus dieser Richtung weht, was für einen Seentyp kann man erwarten?’ oder ‚Wenn es durch das Schmelzen kommt, wie sieht das Ergebnis aus?’“, erklärt der Forscher. „Wir kannten das Phänomen des taubedingten Abrutschens, aber wussten nicht, ob es mit der Form der Seen etwas zu tun hat.“

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Ein zusätzlicher Faktor in Pelletiers Gleichungen waren die typischen sanften Hänge in dieser Region Nordalaskas. Da die Seen in eine leicht hügelige Landschaft eingebettet sind, hat das untere Ende der Seen meist etwas schmalere Ufer. Nach Pelletiers Berechnungen müssten diese Ufer schneller tauen und damit schneller instabil werden als die breiteren oberen Uferbereiche. Entsprechend schneller können sich die Seen auch hügelabwärts ausdehnen. Im Modell entstanden nach diesem Modell tatsächlich die charakteristischen eiförmigen Seen.

Oder doch der Wind?

Doch bisherige Erklärungsansätze gingen davon aus, dass die vorherrschenden Winde die Hauptrolle in der Ausbildung der Seen spielen. Die senkrecht zu den länglichen Seen wehenden Winde erzeugen Strömungen in den Seen, die die Uferböschungen, vor allem an den Nordwestenden der Seen erodieren. Ist dies der Fall, müssten vor allem sandige, grobkörnigere Böden schneller erodieren als feinkörnige Lehmböden.

Um sein Modell gegen das gängige Wind-Erosions-Modell zu testen, analysierte der Wissenschaftler Satellitenbilder der 1.400 ausgerichteten Seen Alaskas. Als er ihre Größe und den Bodentyp, in dem sie lagen verglich, zeigte sich, dass die größeren Seen meist auf feinkörnigeren Böden vorkamen – eine Bestätigung seiner „Aufweich-Theorie“, denn Winderosion hätte eher zu größeren Seen auf grobkörnigem Untergrund geführt.

Die Analyse ergab zudem, dass die größeren Seen im Allgemeinen auch niedrigere Ufer besaßen, ein weiterer Zusammenhang, den das Modell bereits prognostiziert hatte. Damit ist, so der Wissenschaftler, das Rätsel um die ausgerichteten Seen Alaskas so gut wie gelöst: Das alljährliche Tauwetter und nicht der Wind sind die treibende Kraft hinter dem geheimnisvoll-schnellen Wachstum der Gewässer.

(University of Arizona, 28.06.2005 – NPO)

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