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Paläontologie

Gab es schon Vormenschen auf Kreta?

5,7 Millionen Jahre alte Fußspuren könnten von einem Menschenvorfahren stammen

Blick auf die 5,7 Millionen Jahre alten Fußspuren aus einer Sedimentformation auf Kreta. © Andrzej Boczarowski

Überraschender Fund: Auf der Insel Kreta haben Forscher mögliche Fußspuren eines Menschenvorfahren entdeckt. Die 5,7 Millionen Jahre alten Abdrücke sind in vielen Merkmalen verblüffend menschenähnlich und stammen von einem aufrecht gehenden Wesen. Deshalb könnte ein noch unbekannter früher Vormensch diese Spuren hinterlassen haben. Sollte sich dies bestätigen, könnte die Wiege der Menschheit zumindest zum Teil in Europa gestanden haben.

Bisher schien klar: Die Wiege der Menschenvorfahren stand in Afrika. Dort trennten sich vor rund fünf bis sieben Millionen Jahren die Stammeslinien von Schimpanse und Mensch und die ersten Vormenschen entstanden. Diese frühen Homininen entwickelten allmählich den aufrechten Gang und wurden auch in ihrem Verhalten und Aussehen immer menschenähnlicher. Gängiger Lehrmeinung nach breiteten sich diese Vormenschen zwar innerhalb Afrikas immer weiter aus, verließen den Kontinent aber nicht.

Doch vor wenigen Monaten zeichnete die Neuanalyse von in Griechenland und Bulgarien gefundenen Fossilien ein ganz anderes Bild: Forscher ordneten die Überreste des gut sieben Millionen Jahre alten Graecopithecus freybergi nicht den Affen, sondern den Homininen zu. Das aber bedeutet: Auch in Europa könnte es damals schon frühe Menschenvorfahren gegeben haben.

Spektakulärer Fund auf Kreta

Eine Entdeckung auf der Insel Kreta könnte diese Hypothese nun untermauern. In Trachilos im Westen Kretas stießen Per Erika Ahlberg von der Universität Uppsala und sein Team auf gut 50 urzeitliche Fußabdrücke, die nicht von gewöhnlichen Tieren stammten. Die Spuren waren in einer Gesteinsschicht konserviert, die vor 5,7 Millionen Jahren die Oberfläche eines Sandstrands gebildet haben muss.

Das Besondere an den Abdrücken: Ihre Form und Anordnung sind verblüffend menschenähnlich. „Sie müssen von einem zweibeinig laufenden Wesen hinterlassen worden sein, denn es fehlen Abdrücke von Vordergliedmaßen“, berichten die Forscher. In den einzelnen Fußspuren sind fünf nach vorne gerichtete Zehenabdrücke mit einer besonders großen ersten Zehe zu erkennen. Die Sohle ist eher länglich herzförmig und endet in einer schmalen, tiefer eingesenkten Fersenregion.

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Verblüffend menschenähnlich: Die Form der Zehen und Sohle sowie die Ferse könnten für einen frühen Homininen als Urheber sprechen. © Andrzej Boczarowski

Kein Bär und auch kein Affe

Wer aber hinterließ vor 5,7 Millionen Jahren diese Spuren? Weil der Urheber auf zwei Beinen lief, scheiden viele Raubtiere und Affenarten aus. Auch der damals im Mittelmeerraum verbreitete Primat Oreopithecus bambolii passt nicht ins Bild, weil er zwar streckenweise aufrecht lief, aber eine noch deutlich abgespreizte Großzehe besaß, wie die Forscher erklären. Ein Bär könnte zwar kurze Zeit auf den Hinterbeinen gegangen sein, doch seine Spuren haben eher gleichgroße Zehen und müssten Abdrücke von Klauen zeigen.

Wer aber war dann der Urheber der Abdrücke? Nach Ansicht der Forscher muss ein bisher unbekannter früher Hominine diese Abdrücke hinterlassen haben: „Die Fußspuren von Trachilos haben größere anatomische Gemeinsamkeiten mit den Homininen als mit allen anderen Primaten, die wir zum Vergleich herangezogen haben“, berichten sie.

Menschenvorfahren auch in Europa?

Das aber bedeutet: Es könnte schon vor 5,7 Millionen Jahre frühe Vormenschen im europäischen Mittelmeerraum gegeben haben. „Wenn der Urheber der Trachilos-Fußspuren tatsächlich ein früher Hominine war, dann hätte dies beträchtliche Konsequenzen für unsere Vorstellungen der frühen Biogeografie der Menschenvorfahren“, konstatieren Ahlberg und seine Kollegen. Denn die Wiege der Menschheit könnte dann bis in den Mittelmeerraum gereicht haben.

„Unsere Entdeckung ist in jedem Fall eine Herausforderung für die etablierte Lehrmeinung der frühen menschlichen Evolution – und sie wird sicher eine Menge Diskussionen auslösen“, sagt Ahlberg. „Ob die wissenschaftliche Gemeinschaft Fußspuren als schlüssigen Beleg für die Präsenz von Homininen auf Kreta akzeptieren wird, bleibt abzuwarten.“ Zumindest existieren mit Graecopithecus und den neuentdeckten Fußspuren nun schon zwei Hinweise auf Vormenschen in Europa.

Günstiges Klima

Gestützt werden könnte dieses Szenario vom damaligen Klima: Während heute die Sahara wie eine Barriere wirkt, war dies vor knapp sechs Millionen Jahren noch nicht der Fall. Damals erstreckte sich noch eine ausgedehnte Savanne über ganz Nordafrika bis in das östliche Mittelmeergebiet. Sie könnte daher einen günstigen, zusammenhängenden Lebensraum für die frühen Homininen gebildet haben.

Hinzu kam: Weil damals die Meerenge von Gibraltar verschlossen war, sank der Meerspiegel im Mittelmeer immer weiter ab. Inseln wie Kreta waren dadurch mit dem Festland verbunden. Dies macht es plausibel, dass aus dem Süden entlang der Mittelmeerküste einwandernde Vormenschen auch Kreta erreichten.

In jedem Fall demonstriert die Entdeckung der Fußspuren, dass die frühe Evolution unserer Vorfahren noch einige Überraschungen in petto haben könnte. Welche Vormenschen sich wann und wo entwickelten, ist bisher erst in Ansätzen bekannt – es gibt einfach noch zu wenige Fossilien und Relikte. (Proceedings of the Geologists‘ Association, 2017; doi: 10.1016/j.pgeola.2017.07.006)

(Uppsala University, 04.09.2017 – NPO)

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