Die bisher ältesten Biss-Spuren von urzeitlichen Säugetieren hat jetzt ein amerikanisch-kanadisches Forscherteam entdeckt. Die symmetrischen Kerben in verschiedenen Saurierknochen stammen allerdings nicht von Raubtieren oder Fleischfressern, sondern vermutlich von nagerähnlichen Säugern, die die Knochen als reichhaltige Mineralienquelle nutzten und anknabberten. Das berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Paleontology“.
Die Kreidezeit war die letzte Ära der Dinosaurier, sie beherrschten das Land, ob als große Pflanzenfresser oder agile Fleischfresser. Und auch in Meer und Luft waren es Reptilien, die die dominierenden Arten stellten. Aber trotzdem existierten auch damals bereits die ersten Säugetiere, die nach neueren Erkenntnissen schon weitaus vielfältiger und verbreiteter waren als lange angenommen. Jetzt haben Wissenschaftler mehrerer amerikanischer Universitäten und Naturkundemuseen sowie der kanadischen Universität von Alberta die ältesten Biss-Spuren dieser frühen Säuger entdeckt – an Knochen von Dinosauriern.
Verräterische Kerben in kreidezeitlichen Knochen
Die Forscher um Nicholas Longrich von der Yale Universität und Michael J. Ryan vom Cleveland Museum of Natural History untersuchten sowohl Knochen aus Museumsbeständen als auch neue Funde aus Ausgrabungen in Alberta. Dabei stießen sie auf gleich mehrere Saurierknochen aus der späten Kreidezeit mit Zahnspuren: in einem Oberschenkelknochen des Champsosaurus, einem rund 1,5 Meter großen meeresbewohnenden Reptil, an einer Rippe, die vermutlich einem Hadrosaurier oder Ceratopsida gehörte, im Oberschenkelknochen eines weiteren großen Dinosauriers, der zu den Ornithischia, den Vogelbeckendinosauriern gehörte, sowie am Kiefer eines kleinen Beuteltiers.
Symmetrische Zahnstellung deutet auf Säuger hin
Die Knochen zeigen symmetrische, von Ober- und Unterkieferzähnen stammende, einander gegenüberstehende Kerben, teilweise fanden sich mehrere solcher Bisse nebeneinander, teilweise überlappend – ähnlich den Biss-Spuren, die wir hinterlassen, wenn wir einen Maiskolben abknabbern.
Nach Ansicht der Forscher müssen die Biss-Spuren von einem Säugetier stammen, da nur diese damals über sich genau gegenüberstehende Zahnpaare verfügten und nur diese Konfiguration die Spuren hinterlassen haben kann. Vermutlich wurden sie von einer heute ausgestorbenen Gruppe der Säuger hinterlassen, den so genannten Multituberkulaten.
Knochenknabbern zur Mineraliengewinnung
Die etwa eichhörnchengroßen, nagerähnlichen Tiere waren keine Räuber oder Fleischfresser, sondern knabberten vermutlich erst nach dem Tod und der Verwesung der Saurierkörper an den dann freiliegenden Knochen, um aus ihnen wertvolle Mineralien zu gewinnen. „Die Knochen waren eine Art Nahrungsergänzungsmittel für diese Tiere“, erklärt Longrich.
Nach Meinung der Forscher könnte es aus dieser Zeit, aber auch an älteren Knochen noch viel mehr solcher Zahnspuren geben, die bisher nicht identifiziert worden waren. „Die Kerben fielen mir nur auf, weil ich mich daran erinnerte, in meiner Jugend ähnliche Knabberspuren an dem Geweih eines Hirsches gesehen zu haben, das mein Vater nach Hause brachte“, so der Forscher. „Als ich das jetzt in den Fossilien sah, wurde ich daher aufmerksam.“
(Yale University, 18.06.2010 – NPO)