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Ökologie

Flexible Räuber halten Ökosysteme im Gleichgewicht

Forscher finden universelle Regeln für die Stabilität von Nahrungsketten

Das Nahrungsnetz eines Ökosystems ist stabiler, wenn die Top-Raubtierarten keine Nahrungsspezialisten sind, sondern sich von vielen verschiedenen Beutetieren ernähren. Das haben Wissenschaftler mithilfe eines neuen Modells festgestellt. Die Berechnungen haben zudem ergeben, dass kleine Ökosysteme anderen Regeln gehorchen als große, wie die Forscher jetzt in „Science“ berichten.

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Lebensgemeinschaften auf der Erde bilden miteinander verwobene Nahrungsketten, in denen die einzelnen Tiere und Pflanzen sowohl Beute als auch Räuber sein können. Mögliche Nahrungsnetze unterscheiden sich nicht nur darin, welche Tier- und Pflanzenarten sie umfassen, sie sind auch unterschiedlich stabil: In der Natur sind die meisten Nahrungsnetze stabil, die Wechselbeziehungen zwischen den Arten bleiben über lange Zeit konstant.

Komplexe Systeme, wie zum Beispiel Nahrungsnetze, stellen die Wissenschaft jedoch noch immer vor große Herausforderungen. Sie können einerseits durch Beobachtung von natürlichen Lebensräumen, andererseits durch Computersimulationen untersucht werden. Um solche Systeme am Computer simulieren zu können, müssen Forscher ihre Modelle oft stark vereinfachen und die Zahl der Einflussfaktoren möglichst klein halten. Die Simulationen sind trotzdem sehr rechenintensiv und Ihre Aussagekraft ist oftmals begrenzt.

Modell ermittelt Stabilität

Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden, Deutschland, haben deshalb eine neue Methode entwickelt, mit der sich der Einfluss unzähliger Einflussfaktoren auf komplexe Systeme effizient untersuchen lässt. „Mithilfe so genannter Generalisierter Modelle berechnen wir, ob ein gegebenes Nahrungsnetz prinzipiell stabil sein kann und ob die beteiligten Arten langfristig zusammenleben können“, erklärt Max-Planck-Forscher Thilo Gross.

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Komplexe Ökosysteme lassen sich damit unter nahezu allen erdenklichen Bedingungen nachstellen und untersuchen. Gross: „So können wir abschätzen, welche Parameter Ökosysteme stabil halten und welche sie aus dem Gleichgewicht bringen.“ Die Modelle eignen sich nicht nur zur Simulation von Ökosystemen, auch andere komplexe Systeme wie der menschliche Stoffwechsel oder die Steuerung von Genen können damit untersucht werden.

Generalisten stabilisieren

Zusammen mit Kollegen vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg, Österreich, und der Princeton Universität in den USA ist es den Forschern mit ihrem innovativen Modellierungsansatz gelungen, gleich mehrere universelle Gesetzmäßigkeiten im Verhalten von Ökosystemen zu entdecken. „Große Raubtiere stabilisieren Lebensgemeinschaften, wenn sie sich von vielen verschiedenen Arten von Beutetieren ernähren. Gleichzeitig sind Ökosysteme stabiler, wenn Beutetiere in der Mitte der Nahrungskette mehreren Raubtierarten Nahrung liefern“, erklärt Ulf Dieckmann vom IIASA.

Enges Netz macht instabil

Die Wissenschaftler haben darüber hinaus zusätzliche stabilisierende und destabilisierende Faktoren identifiziert. Ist das Nahrungsnetz eines Ökosystems besonders eng geknüpft, macht dies das System instabiler. Auch wenn die Bedrohung durch Raubtiere stark von der Dichte der Räuber abhängt, kann sich dies destabilisierend auswirken. Dagegen sind Nahrungsnetze eher im Gleichgewicht, wenn der Beutefang stark von der Dichte der Beutetiere abhängt.

Andere Regeln für kleine und große Systeme

Ein weiterer wichtiger Befund ist, dass sich Nahrungsnetze, die nur aus wenigen Arten bestehen, qualitativ anders verhalten als Netze mit vielen Arten. „Kleine Ökosysteme funktionieren offenbar nach anderen Regeln als große“, betont Ulf Dieckmann. Systeme mit wenig Arten sind stabiler, wenn es zwischen manchen Arten sehr starke, zwischen anderen Arten aber nur schwache Beziehungen gibt. Bei Netzen, die aus vielen Arten bestehen, ist dies offenbar genau umgekehrt. Extrem starke oder schwache Räuber-Beute Beziehungen sollten demzufolge in der Natur umso seltener sein, je größer die Nahrungsnetze sind.

(Max-Planck-Gesellschaft, 07.08.2009 – NPO)

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