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Geowissen

Europa-Karte enthüllt Bedrohung der Bodenvielfalt

Risikogebiete auch in Deutschland

Umweltverschmutzung, dichte Besiedlung, intensive Landwirtschaft – vielerorts in Europa ist die Bodenvielfalt in Gefahr. Das geht erstmals aus einer detaillierten Risiko-Landkarte hervor, die die EU-Kommission jetzt veröffentlicht hat. Gefährdet sind insbesondere bestimmte Regionen in Großbritannien, Nordfrankreich und den Benelux-Ländern. Doch auch in anderen Gegenden finden sich bedrohte Gebiete, etwa in Nord- und Westdeutschland.

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„Durch die Verschlechterung der Bodenqualität ist unser Zugang zu Nahrungsmitteln, frischer Luft und Trinkwasser sowie vielen wichtigen Rohstoffen gefährdet“, unterstrichen Máire Geoghegan-Quinn, Kommissarin für Forschung, Innovation und Wissenschaft, und Janez Potočnik, Kommissar für Umwelt auf einer Fachkonferenz zum Thema Bodenvielfalt in Brüssel.

Die auf Indikatoren basierende Karte wurde von der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (GFS) entwickelt und zeigt potenzielle Bedrohungen für die Bodenvielfalt auf. Sie soll so Entscheidungsträgern helfen, diese wesentliche Ressource zu schützen.

Vielfalt der Böden im Visier

Die Vielfalt der Böden spielt eine entscheidende Rolle in der Landwirtschaft und im Wasser- und Kohlenstoffkreislauf. Der neue Atlas enthüllt, in welchen Regionen Europas die Bodenvielfalt aktuell am meisten gefährdet ist – nämlich in Teilen des Vereinigten Königreichs, der Benelux-Länder und Nordfrankreichs, auch wenn es in mehreren anderen Mitgliedstaaten besonders gefährdete Gebiete gibt. Der Atlas ist eine umfassende Informationsquelle für Forscher, Entscheidungsträger und Lehrkräfte.

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„Der Boden ist von grundlegender Bedeutung für die biologische Vielfalt, durch die das Leben auf unserem Planeten möglich ist und unsere Wirtschaft nachhaltig bleibt. Durch die Verschlechterung der Bodenqualität ist unser Zugang zu Nahrungsmitteln, frischer Luft und Trinkwasser sowie vielen wichtigen Rohstoffen gefährdet. Dieser Atlas ist ein wesentlicher Beitrag der EU zu dem von der UNO ausgerufenen Jahr der biologischen Vielfalt 2010“, so Geoghegan-Quinn und Potočnik.

Damit solle die Öffentlichkeit sensibilisiert werden für die Notwendigkeit der Bodenrahmenrichtlinie, die die Kommission im Jahre 2006 erstmals vorgeschlagen hat, und dazu beigetragen werden, eine weitere Verschlechterung der Bodenqualität zu verhindern und den bereits verursachten Schaden zu beheben. „Je länger wir damit warten, dieses Problem koordiniert anzugehen, desto größer werden die Kosten sein“, erklärten Geoghegan-Quinn und Potočnik weiter.

Europäischer Atlas der Bodenvielfalt

Der Europäische Atlas der Bodenvielfalt enthält die allererste Karte, in der die Bedrohungen für die Bodenvielfalt in fast allen EU-Mitgliedstaaten1 erfasst sind. Potenzielle Bedrohungen für die Bodenvielfalt wurden aufgelistet und in einem Gutachten der von der GFS eingesetzten Arbeitsgruppe für Bodenvielfalt klassifiziert. Bei der Ausarbeitung der Karte wurden verschiedenste Faktoren miteinbezogen wie die Veränderungen bei der Landnutzung, die Zerstörung von Lebensräumen, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen durch den Menschen, invasive Arten, Bodenverdichtung, Erosion und Umweltverschmutzung.

Die Karte stellt eine Bewertung des Risikos eines Rückgangs der Bodenvielfalt gegenüber der derzeitigen Situation, nicht jedoch den tatsächlichen Stand der Bodenvielfalt dar, so die EU-Kommission. Die Ergebnisse zeigten, dass das Risiko eines Rückgangs der Bodenvielfalt aufgrund menschlicher Aktivitäten tendenziell höher sei in Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte und/oder intensiver landwirtschaftlicher Tätigkeit.

Leben unter der Erdoberfläche

Der von der GFS veröffentlichte Atlas gewährt auch Einblicke in das „Leben unter der Erdoberfläche“. Dem großen Publikum sollen das Leben im Boden und die entscheidende Rolle der Böden für das Gleichgewicht anderer Ökosysteme unseres Planeten verständlich gemacht werden. Ferner enthält er die neuesten Forschungsergebnisse über die aktuellen Bedrohungen für die Bodenvielfalt.

Im ersten Teil des Atlas werden der Lebensraum Boden, seine vielfältigen Funktionen und die „Ökosystemgüter und –leistungen“, die er liefert, untersucht wie auch die Rolle, die die Bodenbiota dabei spielen. Der zweite Teil ist eine Art Enzyklopädie der Bodenvielfalt, in der dem Leser viele der wichtigsten Gruppen von Bodenorganismen mithilfe von hochauflösenden Bildern vorgestellt werden.

Einige Fragen, über die der Atlas Aufschluss gibt:

Welche Art von Leben gibt es im Boden?

Die außerordentliche Vielfalt des Bodenlebens reicht von den allseits bekannten Regenwürmern und Käfern zu mikroskopisch kleinen Bakterien, Pilzen und Einzellern wie Amöben. In nur einer Hand voll Erde können sich zehntausende Bakterienarten tummeln.

Wie lässt sich sein wirtschaftlicher und ökologischer Wert messen?

Der wirtschaftliche Wert der Bodenvielfalt lässt sich von seinem ökologischen Wert ableiten. Die Bodenbiota spielen eine lebenswichtige Rolle für die Bodenfruchtbarkeit und haben erhebliche Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Erträge. Außerdem tragen sie zu der Reinigung von Luft und Wasser bei. Müssten diese Funktionen synthetisch erfüllt werden, würde das jedes Jahr Billionen Euro kosten.

Was ist speziell an der Bodenbiologie?

Die Bodenbiologie entwickelt sich in der dunklen Welt unter der Erdoberfläche und ihre Forschungsobjekte sind in vielen Fällen so klein, dass sie mit bloßem Auge gar nicht sichtbar sind. Und doch können Prozesse, die von Organismen im Boden ausgeübt werden, Auswirkungen auf globaler Ebene haben und lebenswichtig sein für Organismen, die auf der Erdoberfläche leben – so auch für den Menschen.

Inwiefern beeinträchtigen die Tätigkeiten des Menschen die Ökosysteme des Bodens?

Viele der vom Menschen ausgeübten Tätigkeiten beeinträchtigen das Bodensystem. Der Bau von Gebäuden und Städten kann wegen der Versiegelung des Bodens durch Beton zur Verdichtung und zum Verlust von Boden führen. Auch wurden invasive Arten in neue Gebiete eingeschleppt, oftmals durch die Erde von Gartenpflanzen, welche um die ganze Welt geschickt werden. Dies schadet den einheimischen Arten. Vom Menschen verursachte Belastungen werden erstmalig auf einer Karte im Atlas aufgezeigt.

Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Bodenbiota und Klimawandel?

Böden binden zweimal so viel Kohlenstoff wie sich aktuell in der Atmosphäre befindet. Das organische Leben in Böden bestimmt maßgeblich, ob der Boden als Kohlenstoffquelle (Emission von Kohlenstoff) oder Kohlenstoffspeicher (Aufnahme von Kohlenstoff) agiert. Über viele der Interaktionen zwischen Boden, Atmosphäre und Klima liegen nach wie vor nur spärliche Erkenntnisse vor – weitere Forschung in diesem Bereich ist nötig, so die EU-Kommission.

(EU-Kommission, 27.09.2010 – DLO)

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