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Erwärmung macht die Ozeane lauter

Tierlaute und Lärm breiten sich im warmen Wasser schneller und weiter aus

Schall
Wie schnell und weit sich Schall im Meer ausbreitet, hängt unter anderem von der Wassertemperatur ab. © kataonia82, Ilex/ Getty images

Die zunehmende Erwärmung der Meere hat auch akustische Folgen: Schall wird sich im wärmeren Wasser der künftigen Ozeane schneller und weiter ausbreiten als bisher, wie eine Studie enthüllt. Besonders stark sind diese Veränderungen dabei in zwei akustischen Hotspots vor Grönland und Neufundland. Dort werden sich Walgesänge, Robbenrufe, aber auch menschengemachter Lärm um 25 Meter pro Sekunde schneller durch das Wasser bewegen als bisher.

Die Unterwasserwelt der Ozeane ist alles andere als still: Sie ist erfüllt von den weittragenden Lauten der Wale und Robben, aber auch von unzähligen anderen Geräuschen. So machen sich Eruptionen von Unterseevulkanen durch Blubbern und Grollen bemerkbar und das Krachen von Eisbergen ist bis zum Äquator hin zu hören. Dazu kommt der menschengemachte Lärm von Schiffsmotoren, Sonar und der Erkundung und Förderung unterseeischer Ressourcen.

Schalltemnpo
Schalltempo (in m/s) in verschiedenen Regionen der heutigen Ozeane. © Affatati et al./ Earth’s Future, CC-by-nc-nd 4.0

Für viele Meerestiere ist die natürliche Soundkulisse ihrer Meeresumwelt eine wichtige Orientierungs- und Jagdhilfe, andere sind für ihre Kommunikation auf den Schall angewiesen. Entsprechend folgenreich kann es sein, wenn sich Reichweite oder Ausbreitungsgeschwindigkeit des Schalls im Wasser verändern.

Wasserbedingungen beeinflussen die Schallausbreitung

Ob und in welchem Maße der Klimawandel die Schallübertragung in den Ozeanen beeinflusst, haben Alice Affatati vom Nationalen Institut für Ozeanografie und angewandte Geophysik in Triest und ihr Team näher untersucht. Denn wie schnell und weit sich ein Laut unter Wasser ausbreitet, hängt von der Frequenz, aber auch von den physikalischen Gegebenheiten des Mediums ab, wie das Team erklärt.

Ist das Wasser beispielsweise wärmer, breiten sich Schallwellen in ihm schneller aus und reichen weiter. In 50 Meter Wassertiefe reicht die Spanne dadurch von 1.450 Meter pro Sekunde in den kalten Polarmeeren bis zu 1.520 Meter pro Sekunde in äquatorialen Gewässern. Ein höherer Salzgehalt und eine größere Wassertiefe beeinflussen die Schallausbreitung ebenfalls.

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Für ihre Studie nutzten Affatati und ihr Team ein geophysikalisches Modell, das die Temperaturen und Salzgehalte in verschiedenen Wassertiefen in Meeresgebieten weltweit abbildet. Basierend auf diesen Daten berechneten sie die Schallausbreitung in Ozeangebieten weltweit, sowohl unter heutigen Bedingungen als auch bis zum Jahr 2100 unter einem Szenario der ungebremsten Erwärmung (Szenario RCP 8.5)

Schall wird schneller – vor allem im Nordatlantik

Das Ergebnis bestätigt: In den Meeren der Zukunft wird sich auch die Schallausbreitung verändern. Weil sich wärmere Meeresgebiete weiter polwärts verlagern, steigen die regionalen Schallgeschwindigkeiten in 50 Meter Tiefe im Schnitt um fünf bis zehn Meter pro Sekunde, wie die Forschenden ermittelten. Besonders deutlich sind diese Veränderungen im nördlichen Pazifik, im westlichen Nordpolarmeer und im Südozean.

akustische Veränderungen
Prozentuale Veränderungen in der Geschwindigkeit der Schallausbreitung bis zum Jahr 2100. © Affatati et al./ Earth’s Future, CC-by-nc-nd 4.0

Zusätzlich gibt es jedoch zwei akustische Hotspots, in denen sich die Schallausbreitung überproportional stark verändern wird: Nordöstlich von Grönland und im Schelfgebiet vor Neufundland werden Laute von Meerestieren und anderen Geräuschen künftig rund 1,5 Prozent schneller durch das Wasser übertragen als heute. „Dort erhöht sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Schalls in geringen und großen Tiefen um etwa 25 Meter pro Sekunde“, berichten Affatati und ihr Team.

„Dies bestätigt, dass die größten Auswirkungen in arktischen Gewässern zu erwarten sind – dort, wo wir schon jetzt besonders starke Folgen der Klimaerwärmung sehen“, sagt Affatatis Kollege Stefano Salon. „In den akustischen Hotspots kommen alle Faktoren zusammen, um das Signal zu verstärken.“

Walrufe reichen weiter

Was aber bedeutet dies für die Meeresbewohner? Um das herauszufinden, haben die Forschenden im Modell untersucht, wie sich die Schallveränderungen auf die typischen Rufe des Atlantischen Nordkapers (Eubalaena glacialis) auswirken. Diese vom Aussterben bedrohte Bartenwal-Art ist im Nordatlantik heimisch und kommt auch in den beiden akustischen Hotspots vor. Ihre Rufe liegen im Bereich ab 50 Hertz aufwärts.

Die Modellierung ergab, dass sich die Rufe dieser Walart in der Zukunft sogar weiter ausbreiten könnten als bisher. Denn die schnellere Schallausbreitung und die Schichtung der Meere begünstigt die Reflexion der Schallwellen an der Unterseite der Wasseroberfläche. „Dies erlaubt diesen Walen eine verlässlichere Kommunikation im Vergleich zu heute“, berichten die Wissenschaftler. Weil andere Meeresbewohner aber in anderen Frequenzbereichen kommunizieren, könnte es für sie anders aussehen.

…Lärm aber auch

„Wir schließen aus unseren Ergebnissen, dass die künftigen Veränderungen der Schallausbreitung die Kommunikation der Meeressäuger und andere lebenswichtige, auf Schall beruhende Aktivitäten beeinflussen werden“, konstatieren Affatati und ihre Kollegen. Wie diese Effekte im Detail für die verschiedenen Arten aussehen, müsse nun noch genauer untersucht werden.

Und noch einen Effekt könnten die akustischen Veränderungen haben: „Wir müssen berücksichtigen, dass sich künftig auch der aus anthropogenen Quellen stammende Schall schneller ausbreiten wird“, schreiben die Forschenden. „Das könnte problematische Konsequenzen für die Lärmverschmutzung der Meere haben.“ (Earth’s Future, 2022; doi: 10.1029/2021EF002099)

Quelle: American Geophysical Union

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