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Paläontologie

Erste Wirbeltiere hatten Zähne auf der Zunge

Gebiss eines Conodonten analysiert und rekonstruiert

Fressapparat eines Conodonten © Nicolas Goudemand / Universität Zürich

Eigenartige „Fangzähne“ auf doppelten Oberlippen, stachlige Zähne auf der Zunge und eine Art Umlenkrolle, um die Zunge vorwärts und rückwärts zu bewegen – so sah das wunderliche Gebiss von einem so genannten Conodonten aus. Dank eines neuen Fossilienfundes ist es jetzt von Forschern analysiert und rekonstruiert worden.

Die Untersuchung gibt nach Angaben der Wissenschaftler in der Early Edition der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) Aufschluss über die evolutionsgeschichtliche Entstehung von Kiefern. Die Nachbildung zeigt anhand eines animierten 3-D-Modells aber auch erstmals, wie die ältesten Wirbeltiere tatsächlich fraßen.

Kiefer-Evolution rätselhaft

Aus Knochen gebildete Kiefer sind im Tierreich weit verbreitet. Doch wie sich Kiefer im Laufe der Evolution entwickelt haben, ist bis heute ein Rätsel. Paläontologen um Nicolas Goudemand von der Universität Zürich und der European Synchrotron Radiation Facility machten sich nun daran, dieses Rätsel zu lösen. Hinweise auf die Entwicklung des Kiefers können an lebenden und vorzeitlichen kieferlosen Tieren gewonnen werden.

Untersucht haben die Forscher nun Fossilien von Conodonten. Bei diesen handelt es sich um ausgestorbene aalartige Tiere, deren genaues verwandtschaftliches Verhältnis zu den eigentlichen Wirbeltieren bisher nicht geklärt war. Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler neue Conodonten-Fossilien, die aus der Zeit des größten Massensterbens am Übergang von Perm zur Trias stammen.

Multitasking dank Zähnen auf Oberlippen und Zunge

Bei einigen dieser neuen, aus China stammenden Fossilien stellten die Forscher mehrere zahnartige miteinander verschmolzene Gebilde fest, die eine ungewöhnliche Position im Maul einnehmen. Aufgrund dieser Feststellung und basierend auf der Neubewertung von anderen ungewöhnlich ausgebildeten Conodonten-Fressapparaten entwickelten die Wissenschaftler ein animiertes 3D-Modell, das zeigt, wie Conodonten fraßen: Die meisten Conodonten mussten zwei Oberlippen haben. Auf jeder Oberlippe befand sich ein langes, fangzahnartiges Gebilde. Sodann verfügten die Conodonten über eine Art Zunge, auf der sich ein komplexer Satz stachliger oder kammähnlicher „Zähne“ befand.

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Die „Zunge“ wiederum lag den Wissenschaftlern zufolge auf einem umlenkrollenartigen Knorpel und konnte dank zwei entgegengesetzt wirkenden Muskeln vorwärts und rückwärts bewegt werden. Zunge und Lippen benutzten die Conodonten, um Futter zu ergreifen. Zwei Paar relativ robuster, manchmal stockzahnartige Rachenzähne zermahlten und zerschnitten anschließend die Nahrung.

Ähnlichkeit mit Neunaugen

Der eigenartige Ernährungsmechanismus der Conodonten ist demjenigen der heute noch lebenden Neunaugen ziemlich ähnlich, so die Forscher weiter. Neunaugen gelten als die mutmaßlich nächsten Verwandten der ausgestorbenen Conodonten. Die neuen Erkenntnisse bestätigen, dass Conodonten entwicklungsgeschichtlich als primitive Wirbeltiere einzustufen sind.

Aufgrund des vergleichbaren Ernährungsmechanismus und anderer Ähnlichkeiten müssen Neunaugen und Conodonten zudem einen gemeinsamen Vorfahren haben. Dieser gehört evolutionsgeschichtlich mit zu den ersten Wirbeltieren. Auch der gemeinsame Vorfahre sollte eine auf einem umlenkrollenartigen Knorpel gelagerte Zunge gehabt und somit auf die gleiche Art wie die ausgestorbenen Conodonten gefressen haben, vermuten die Wissenschaftler in PNAS. (PNAS early edition, 2011; doi:10.1073/pnas.1101754108)

(Universität Zürich, 23.05.2011 – DLO)

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