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Geowissen

Erste Salzseen unter dem Eis entdeckt

In Kanada entdeckte subglaziale Seen könnten Analog für außerirdisches Leben sein

Unter dieser eisigen Oberfläche der kanadischen Arktis bei Devon Island liegen zwei salzige Seen verborgen. © Anja Rutishauser

Spannende Entdeckung: Forscher haben die ersten subglazialen Salzseen der Erde entdeckt. Diese mit stark salzigem Wasser gefüllten Seen liegen unter dem hunderte Meter dicken Eis der kanadischen Arktis verborgen. Das Spannende daran: In diesen Seen könnten Bedingungen herrschen wie in den subglazialen Ozeanen des Jupitermonds Europa oder des Saturnmonds Enceladus. Gibt es in den kanadischen Seen Leben, könnte dies auch auf diesen Monden der Fall sein, so die Hoffnung der Forscher.

Unter den kilometerdicken Eispanzern Grönlands und der Antarktis gibt es flüssiges Wasser in Form subglazialer Seen. Der enorme Druck des Eises, vulkanische Wärme, aber teilweise auch der Nachstrom von Schmelzwasser von oben sorgen dafür, dass dieses Wasser trotz Temperaturen am Gefrierpunkt flüssig bleibt.

Analog zu außerirdischem Leben?

Das Spannende daran: Bohrungen zeigen, dass selbst im Dauerdunkel, in der Kälte und Isolation dieser Seen Leben existiert. Das könnte bedeuten, dass es in ähnlichen Lebensräumen auf anderen Himmelskörpern möglicherweise auch lebende Organismen gibt – beispielsweise auf dem Jupitermond Europa oder den Saturnmonden Enceladus und Dione.

Allerdings gibt es einen Haken: Die subglazialen Ozeane dieser Monde enthalten höchstwahrscheinlich Salzwasser, während alle bisher auf der Erde bekannten Seen unter dem Eis aus Süßwasser bestehen. Ein echtes Analog für die außerirdischen Lebensräume schien daher bei uns zu fehlen – so dachte man jedenfalls bisher.

Zufallsfund unter dem Eis

Doch jetzt haben Anja Rutishauser von der University of Alberta erstmals zwei subglaziale Seen entdeckt, die salziges Wasser enthalten. Die unter dem Eis der kanadischen Arktis versteckten Gewässer sind die ersten bekannten hypersalinen Seen der Welt und die ersten isolierten subglazialen Seen außerhalb Grönlands und der Antarktis.

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Radardaten von einem Messflugzeug - hier beim Flug über die kanadische Arktis- lieferten den Nachweis. © Gregory Ng

Ihre Entdeckung war jedoch reiner Zufall: „Wir haben gar nicht nach subglazialen Seen gesucht“, berichtet Rutishauser. Stattdessen hatten die Forscher Radardaten von Messflugzeugen ausgewertet, um die Topografie des Felsuntergrunds unter der hunderte Meter dicken Eiskappe der Devon-Insel im Norden Nunavuts zu kartieren. „Hier reicht das Eis normalerweise bis zum Grund hinunter, daher haben wir nicht erwartet, irgendwo flüssiges Wasser zu finden“, sagt Rutishauser.

Salz als Schutz vor dem Gefrieren

Die beiden länglichen Seen liegen in Vertiefungen des Felsuntergrunds und sind von 560 Meter und 740 Meter dickem Eis bedeckt. Den Radardaten nach ist ein See fünf, der andere gut acht Quadratkilometer groß. Beide Seen besitzen weder Zu- noch Abflüsse und es gibt auch keine Anzeichen für einsickerndes Schmelzwasser, wie die Forscher berichten. Die beiden subglazialen Seen sind demnach komplett isoliert.

Das Interessante jedoch: Aus ihren Messdaten schließen die Wissenschaftler, dass die Temperaturen in den Seen und im umgebenden Eis zwischen minus 14 und minus 15,5 Grad liegen muss. Normales Süßwasser wäre unter diesen Bedingungen längst gefroren. „Wir schließen daraus, dass diese subglazialen Seen aus hypersalinem Wasser bestehen müssen“, sagt Rutishauser. Denn das Salz verringert den Gefrierpunkt des Wassers. Ihren Schätzungen nach ist das Wasser fünf- bis sechsmal salziger als Meerwasser.

Seit 120.000 Jahren isoliert

„Das ist eine einzigartige Entdeckung“, sagt Rutishauser. „Diese Seen sind die ersten hypersalinen subglazialen Seen, die man je gefunden hat.“ Das einzige andere salzige Gewässer unter Gletschereis ist der sogenannte Blutfall am antarktischen Taylor-Gletscher. Sein an der Gletscherfront austretendes Salzwasser stammt aus einem Netzwerk von Kanälen, die das Eis durchziehen – es ist daher nicht von der Oberfläche isoliert.

Die beiden kanadischen Seen jedoch sind wahrscheinlich schon seit 120.000 Jahren von der Außenwelt isoliert, wie die Forscher berichten. Sie vermuten, dass das Salz des Seewassers aus einer Salzformation stammt, die in dieser Gegend Kanadas an die Oberfläche tritt. Im Laufe der Zeit löste das Wasser Salz aus dem Gestein und wurde so zur Salzlauge.

Jupitermond Europa: Oben eisig, im Ozean darunter möglicherweise lebensfreundlich © NASA/JPL-Caltech

Gibt es Leben unter dem Eis?

Die spannende Frage ist nun, ob es in diesen beiden subglazialen Salzseen Leben gibt. Denn sie sind mit ihrem Salzwasser, dem Dauerdunkel und den eisigen Temperaturen die bisher beste Analogie zu den subglazialen Ozeanen auf Europa, Enceladus und anderen Monden im Sonnensystem. „Der Jupitermond Europa hat salziges, flüssiges Wasser mit ähnlichen Bedingungen unter oder sogar in seiner Eiskruste“, sagt Rutishauser.

Der nächste Schritt wäre eine Eisbohrung zur Gewinnung von Wasserproben aus den beiden Seen – nach Ansicht der Forscher ein vielversprechender nächster Schritt. „Wir könnten dann feststellen, ob in diesen Seen mikrobielles Leben existiert, wie es sich entwickelte und wie es in dieser kalten Umgebung ohne Verbindung zur Atmosphäre überdauert“, so Rutishauser. Das erlaubt Rückschlüsse auf mögliche Strategien außerirdischen Lebens unter solchen Bedingungen. (Science Advances, 2018; doi: 10.1126/sciadv.aar4353)

(University of Alberta, 12.04.2018 – NPO)

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