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Geowissen

Erste Antineutrino-Karte der Erde

Teilchen-Strahlung verrät Intensität des radioaktiven Zerfalls im Erdinneren

Dies ist die erste Karte der Antineutrino-Ausstrahlung unseres Planeten © National Geospatial-Intelligence Agency/ AGM2015

Auch die Erde glüht – wenn man sie im Licht der Antineutrinos sehen könnte. Denn der radioaktive Zerfall im Inneren erzeugt einen stetigen Strom dieser Antiteilchen. Eine erste Weltkarte dieser irdischen Antineutrino-Strahlung haben Forscher jetzt im Fachmagazin „Scientific Reports“ vorgestellt. Sie gibt Aufschluss über das Brennstoff-Budget unseres Planeten, zeigt aber auch, wo aktive Kernreaktoren auf der Oberfläche zusätzliche Antineutrinos erzeugen.

Tief im Inneren liegt der Wärmeofen der Erde, hier heizen die aus der Frühzeit übrig gebliebene Hitze und der radioaktive Zerfall von Elementen unseren Planeten auf. Beim sogenannten Beta-Minus-Zerfall wandelt sich ein Neutron in ein Proton um und gibt dabei ein Elektron und ein Antineutrino ab. Weil diese Antiteilchen Materie genauso mühelos durchdringen können wie ihre Gegenparts, die Neutrinos, strömen ständig Antineutrinos aus dem Erdinneren an die Erdoberfläche und hinaus ins All.

„Ein schwachleuchtender Antineutrino-Stern“

„In jeder Sekunde strahlen mehr als zehn Quadrillionen Antineutrinos von der Erde aus ins All und lassen sie aufglühen wie einen schwachleuchtenden Antineutrino-Stern“, erklären Shawn Usman von der National Geospatial-Intelligence Agency in Springfield und seine Kollegen. Vor allem der Zerfall von radioaktivem Uran und Thorium im Erdmantel und der unteren Erdkruste gibt einen stetigen Strom von Antineutrinos ab. Diesen Antineutrino-Strom haben die Forscher jetzt anhand von Messungen rekonstruiert und daraus eine Weltkarte der Energieproduktion unseres Planeten erstellt.

Dafür analysierten die Forscher die Daten von zwei großen Neutrino-Observatorien, dem KamLAND in Japan und dem Borexino-Detektor in Italien. Anhand der von den Antineutrinos in den Detektorbecken erzeugten Lichtblitze und den daraus rekonstruierten Interaktionen der Antineutrinos konnten die Forscher ermitteln, wo wie viele Antineutrinos aus dem Inneren an die Oberfläche dringen. „Indem wir die Antineutrino-Aktivität lokalisieren, können wir Bilder erzeugen, von denen unsere Vorgänger nur träumen konnten“, sagt Koautor William McDonough von der University of Maryland.

Diese Karte zeigt nur die in Atomreaktoren erzeugte Antineutrino-Strahlung. Sie macht rund ein Prozent der gesamten Antineutrino-Strahlung der Erde aus. © National Geospatial-Intelligence Agency/ AGM2015

Strahlende Energiebilanz

Die resultierende Weltkarte zeigt, wo unter der Kruste unseres Planeten besonders viel oder wenig radioaktive Elemente zerfallen und dadurch Antineutrinos, aber auch Wärme erzeugen. Wie die Forscher ausrechneten, produziert allein der Zerfall von Thorium und Uran in diesem Georeaktor zwischen sieben und 29 Terawatt an Energie.

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Die Karte enthält aber auch noch ganz andere Informationen: Weil auch der radioaktive Zerfall in Atomkraftwerken Antineutrinos produziert, lassen sich auch die mehr als 400 aktiven Reaktoren auf der Erdoberfläche anhand ihrer Antineutrino-Ausstrahlung lokalisieren. Sie machen allerdings nur rund ein Prozent der gesamten Antineutrino-Strahlung des Planeten aus, wie die Forscher berichten.

Weitere Strahlensorten folgen

„Dieses Projekt liefert uns grundlegende Informationen über das Brennstoffbudget unseres Planeten – und es könnte neue und aufregende Details über die Struktur des tiefen Erdinneren verraten“, sagt McDonough. Vor allem für die Erforschung von Prozessen in der unteren Kruste und im Erdmantel könnten die neuen Antineutrino-Daten nützlich sein.

Die Forscher planen, ihre Weltkarte der irdischen Antineutrino-Strahlung in Zukunft regelmäßig zu aktualisieren und sie durch weitere Karten zu ergänzen. „Denn Antineutrinos sind nicht das einzige, das von der natürlichen Strahlung der Erde produziert wird“, erklärt Usman. Beim radioaktiven Zerfall im Erdinneren werden auch Gammastrahlen und Neutronen produziert – und auch diese wollen Forscher künftig erfassen. (Scientific Reports, 2015; doi: 10.1038/srep13945)

(University of Maryland, 02.09.2015 – NPO)

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