Anzeige
Geowissen

Erdmantel: Keine Einbahnstraße für Diamanten

Einschlüsse liefern ersten Beleg für einen Abwärtstransport von Diamanten

Rohdiamant
Große, besonders hochwertige Diamanten sind oft in großer Tiefe entstanden – können aber auch erst nachträglich in diese Tiefen transportiert worden sein. © RHJ/ Getty images

Bisher galt der Erdmantel als Einbahnstraße für Diamanten: Sie entstehen in großer Tiefe und gelangen dann nach oben, nicht aber umgekehrt. Doch jetzt haben Geologen erstmals Belege für einen Abwärtstransport von Diamanten im Erdmantel entdeckt. Indiz dafür liefern Mineral-Einschlüsse in einem 1,3 Karat großen Diamanten aus Zentralafrika. Offenbar wurde der Edelstein einst mit einer absinkenden Erdplatte nach unten gezogen, so die Forschenden im Fachmagazin „Geology“.

Die größten und wertvollsten Diamanten haben besonders tiefe Wurzeln. Denn solche „supertiefen“ Diamanten werden nicht im oberen Erdmantel in 150 bis 200 Kilometer Tiefe, sondern mehr als 500 Kilometer tief gebildet. Davon zeugen Einschlüsse von Mineralen wie Ringwoodit und Bridgmanit, die nur im unteren Erdmantel und in der Übergangszone dorthin vorkommen. Mit aufsteigenden Magmaströmungen und Mantelplumes gelangen die Diamanten dann aus diesen großen Tiefen bis in die Erdkruste und an die Oberfläche.

Cullinan-Stücke
Der berühmte Cullinan-Diamant wog im Rohzustand mehr als 3.100 Karat und gilt als einer der Diamanten mit tiefen Wurzeln. Hier sind die neun größten geschliffenen Teile zu sehen. © historisch

Rätsel um supertiefe Diamanten

Merkwürdig nur: „Geochemische Daten zu Kohlenstoff- und Stickstoffisotopen deuten darauf hin, dass die Mehrheit dieser supertiefen Diamanten durch Reaktionen des Gesteins aufschmelzender Erdplatten mit dem umgebenden Erdmantel entstanden sein müssen“, erklären Sofia Lorenzon von der Universität Padua und ihre Kollegen. Solche Reaktionen finden aber typischerweise im oberen Erdmantel statt – und damit oberhalb der Bildungszoen der supertiefen Diamanten.

Eine mögliche Erklärung dafür wäre, dass solche Diamanten in geringerer Tiefe zu entstehen beginnen und dann in den unteren Erdmantel hinabgezogen werden. „Aber bisher konnten keine mineralogischen Umwandlungen gefunden werden, die ein solches Absinken belegen würden“, so das Team. Denn Spuren dieses Absinkens und der damit verbundenen Druckzunahme müssten sich an der Zusammensetzung und Struktur der Mineraleinschlüsse zeigen.

Hochdruckminerale aus großer Tiefe…

Erst jetzt ist es dem Team um Lorenzon gelungen, den Beweis für einen solchen Abwärtstransport von Diamanten zu erbringen. Dafür haben die Forschenden winzige Einschlüsse in einem klaren, sehr alten 1,3-Karat-Diamanten aus Zentralafrika analysiert. Isotopenanalysen ergaben, dass dieser Diamant in Fluiden oder Gesteinsschmelzen entstanden sein muss, die viel Carbonat und Tone enthielten – und ihren Ursprung in Erdplattenmaterial haben müssen.

Anzeige

In den Diamant-Einschlüssen fand sich zudem das Hochdruckmineral Ringwoodit, das nur in Tiefen zwischen 525 und 660 Kilometern stabil ist. „Dies ist erst der zweite Nachweis von Ringwoodit auf der Erde und der erste in einem afrikanischen Diamanten“, berichten die Geologen. „Die Präsenz dieses Minerals bestätigt eindeutig die sublithosphärische Natur dieses Diamanten und deutet darauf hin, dass er irgendwann im unteren Teil der Erdmantel-Übergangszone gewesen sein muss.“

…aber auch umgeformte Krustenminerale

Das Entscheidende jedoch: Neben dem Ringwoodit enthielten die Diamant-Einschlüsse auch Zirkondioxid (ZrO2) und das Silikat Coesit (SiO2), wie spektroskopische Analysen ergaben. Deren Kristallstruktur deutet nach Angaben der Forschenden auf eine nachträgliche Umformung unter erhöhtem Druck hin. „Wir interpretieren das Zirkondioxid und Coesit als prograde Transformationsprodukte von Zirkon oder Reidit beziehungsweise Olivin oder Wadsleyit“, so Lorenzon und ihr Team.

Diese Minerale müssen daher umgeformt worden sein, während der Diamant aus dem oberen Erdmantel hinab in größere Tiefen gezogen wurde. Hinzu kommt: Das Element Zirkonium kommt in der Erdkruste zwar häufig vor, ist im Erdmantel aber eher rar. Die Ausnahme sind die Gebiete, in denen Erdplatten in die Tiefe sinken und so Krustengestein in den Erdmantel gelangt.

Erster Beleg für „Fahrstuhl in die Tiefe“

Nach Ansicht von Lorenzon und ihren Kollegen liefern die Einschlüsse damit den Beweis, dass einige supertiefe Diamanten ihren Ursprung in geringerer Tiefe hatten und erst durch die absinkenden Erdplatten nach unten gezogen wurden. „Das einzigartige Phasen-Ensemble, das wir in diesem Diamanten gefunden haben, deutet auf den Abwärtstransport von supertiefen Diamanten im Erdmantel hin“, konstatiert das Geologenteam. „Ein solcher mineralogischer Beweis für die Abwärtsbewegung von Diamanten ist zuvor noch nie berichtet worden.“

Demnach ist der Erdmantel für Diamanten keine Einbahnstraße, in der die Edelsteine tief unten gebildet und dann nach oben transportiert werden. Stattdessen können Diamanten auch erst nachträglich im Zuge der Plattentektonik in größere Tiefen gelangen. „Das spricht dafür, dass die gängige Ansicht, nach der Diamanten in bestimmten Mantelschichten entstehen, nur Material aus diesen Zonen einschließen und dann nach oben aufsteigen, zu simplifiziert ist“, konstatieren Lorenzon und ihr Team. (Geology, 2022; doi: 10.1130/G50111.1)

Quelle: Geology

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Fusionsplasma

37 Millionen Grad im Fusionsplasma

Voyager 1 sendet wieder

„Anti-Aging-Geheimnis“ der Geiseltal-Frösche gelüftet

Video: Flug über einen außerirdischen Lavasee

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Diamant - Zauber und Geschichte eines Wunders der Natur von Alois Haas und Horst Schneider

Edelsteine - Brillante Zeugen für die Erforschung der Erde Von Florian Neukirchen

Top-Clicks der Woche