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Geowissen

Erdkruste verstärkte Megafluten

Isostatisches Kippen der Landschaft beeinflusste Stärke und Lauf eiszeitlicher Sturzfluten

Scablands
Diese zerklüftete Landschaft im US-Bundestaat Washington entstand durch eiszeitliche Megafluten. Ihre Wucht könnte durch ein regionales Kippen der Erdkruste verstärkt worden sein. © gjohnstonphoto/ Getty images

Gekippte Kruste: Einige der gewaltigen Megafluten der Eiszeit könnten auf großräumige Verformungen der Erdkruste zurückgehen. Deren Reaktion auf die Gletscherlast ließ dabei ganze Landschaften um mehrere hundert Meter abkippen, wie eine Simulation nahelegt. Dadurch erhöhte sich die Steigung und verlieh den Wassermassen dieser Sturzfluten mehr Wucht. Solche isostatischen Krustenbewegungen könnten demnach für die Megafluten und die Formung der Landschaft eine größere Rolle gespielt haben als bislang gedacht.

Viele heutige Landschaften gehen auf die Eiszeit zurück: Die gewaltigen Gletscher und auch das von ihnen wegströmende Schmelzwasser haben mancherorts riesige Täler in die Landschaft gekerbt – beispielsweise am Grund der Nordsee. Noch dramatischer waren die Folgen, wenn sich große Mengen an Schmelzwasser auf einmal in die Landschaft ergossen. Solche kataklysmischen Sturzfluten formten unter anderem die gigantische Schlucht im Zentrum Grönlands.

Eiszeitfluten
Lage der Scablands und Richtung der sie prägenden Eiszeit-Sturzfluten. © Fallschirmjäger/ CC-by-sa 3.0

„Scablands“ zeugen von Megafluten

Wie genau diese Megafluten zustande kamen, ist jedoch bisher erst in TeiIen geklärt. Dies gilt auch für die Wassermassen, die sich am Ende der letzten Eiszeit über den Nordwesten der heutigen USA ergossen. „Dutzende solcher glazialen Sturzfluten – einige der größten Fluten der Erde – schufen damals die Channeled Scablands im östlichen Washington“, erklären Tamara Pico vom California Institute of Technology und ihre Kollegen. Bis heute zeugt die karge, zerklüftete Landschaft dieser Gegend von den urzeitlichen Fluten.

„Immer wieder haben Menschen sich die Flutmarken angesehen und versucht, die Größe und Art dieser Megafluten zu rekonstruieren“, so Pico. Geologische Rekonstruktionen legten nahe, dass es vor 18.000 bis 15.500 Jahren immer wieder zu Dammbrüchen eines vom Schmelzwasser der Gletscher gebildeten Sees gekommen sein muss, des Lake Missoula. Weiter stromabwärts trug ein weiterer vom Eis aufgestauter See am Columbia River zu den Überflutungen bei.r

Welche Rolle spielte die Erdkruste?

Doch wie nun Pico und ihr Team herausgefunden haben, wurde der Verlauf dieser Megafluten nicht von den Dammbrüchen beeinflusst – auch die Erdkruste selbst trug zur Wucht der Wassermassen bei. Dies zeigte sich in einer Modellsimulation, in der das Forschungsteam die Entstehung der Scablands rekonstruiert hat. „Wir haben Flutmodelle verwendet, um die Geschwindigkeit des Wassers und seine Erosionskraft zu rekonstruieren und dies mit der Wucht zu vergleichen, die für die Abtragung des dortigen Basalts nötig war“, erklärt Pico.

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Dabei brachte das Team auch einen zuvor kaum berücksichtigten Faktor mit hinein: den isostatischen Ausgleich. Er kommt zum Tragen, wenn die Erdkruste auf die Masse des auflastenden Eises reagiert – und auch auf das Abtauen der Gletscher. Bis heute sorgt dieses langsame Zurückfedern der Kruste dafür, dass sich der Untergrund in einigen Teilen Nordeuropas hebt – das Ende der Eiszeit und die Entlastung durch die schwindenden Gletscher löst diese nachlaufende Hebung aus.

Im Falle der eiszeitlichen Megafluten könnte dieser isostatische Ausgleich aber deutlich schneller und stärker ausgefallen sein, wie die Simulation ergab.

Krustenbewegung ließ Landschaft „kippen“

Die Simulationen enthüllten, dass die wechselnde Auflast der Gletscher die gesamte Landschaft im Scablands-Gebiet stark verformt haben muss. „Die Reaktion der Erdkruste auf das Wachstum und Schmelzen der Eisschilde veränderte die Topografie um hunderte Meter“, berichten die Forschenden. In einige Gebieten sank der Untergrund stark ab, an anderen hob er sich. Dadurch änderte sich auch die Neigung des Untergrunds – und ließ die Landschaft in einigen Gebieten förmlich kippen.

„Dieses Kippen der Landschaft beeinflusste das Füllen und Überlaufen des Columbia-Sees und auch die Verteilung der Sturzfluten auf die verschiedenen Strömungswege“, schreiben Pico und ihre Kollegen. Erst diese isostatische Reaktion der Erdkruste könnte den Wassermassen an einigen Stellen genügend Wucht verliehen haben, um selbst den harten Basalt des Untergrunds einzukerben. „Es ist Wahnsinn, wenn man sich das Ausmaß der Fluten vorstellt, die für das Auskerben dieser Schluchten nötig waren“, so Pico.

Isostasie als prägender Faktor

Nach Ansicht der Wissenschaftler legen ihre Ergebnisse nahe, dass die Reaktion der Erdkruste während der Eiszeit eine prägendere Rolle gespielt haben könnte als bislang angenommen. Der isostatische Ausgleich der Kruste könnte demnach glaziale Megafluten verstärkt und so die Landschaftsentwicklung entscheidende beeinflusst haben. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022; doi: 10.1073/pnas.2109502119)

Quelle: University of California – Santa Cruz

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