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Erdgeschichte

Erdgeschichte: Neues zur „Großen Lücke“

Rodinia war schuld am Verschwinden von Ablagerungen aus einer Milliarde Jahren Erdgeschichte

Great Unconformity
Im Grand Canyon, aber auch anderswo fehlen in der Schichtung der Ablagerungen rund eine Milliarde Jahre. Hier markiert die rote Linie die Lage dieser "Great Unconformity". © Doug Dolde/ gemeinfrei

Verschwundene Schichten: Geologen haben Näheres zur Ursache der mysteriösen „Great Unconformity“ herausgefunden – einer rund eine Milliarde Jahre langen Lücke in den Gesteinsschichten des Grand Canyon und anderer Formationen weltweit. Demnach zeigen Mineralien beiderseits dieser Lücke, dass die fehlenden Schichten nicht auf einmal verschwanden. Stattdessen sorgten regional unterschiedliche Prozesse für die Abtragung. Dies stärkt die Hypothese, nach der das Zerbrechen des Urkontinents Rodinia der Auslöser für die große Lücke war.

Schon Charles Darwin rätselte darüber, warum an manchen Orten eine riesige Lücke in den chronologisch aufeinanderfolgenden Gesteinsschichten klafft: Ein Stück unterhalb der rund 540 Millionen Jahre alten Ablagerungen aus dem Kambrium folgt ein abrupter Wechsel zu Gesteinsschichten, die gut eine Milliarde Jahre älter sind. Besonders deutlich tritt diese „Great Unconformity“ im Grand Canyon zutage.

Great Unconformity Modell
Modell der Great Unconformity im Grand Canyon: Die schräg stehenden Schichten aus dem Präkambrium enden abrupt und sind von einer weit jüngeren, geraden Schicht überlagert. © Miguel Hermoso Cuesta/ CC-by-sa 3.0

Aus Analysen der Gesteinsschichten beiderseits dieser großen Lücke schließen Geologen schon länger, dass die Ablagerungen dazwischen nicht von vornherein fehlten, sondern nachträglich durch eine großräumige Phase der Erosion abgetragen wurden. Umstritten blieb allerdings, ob diese Abtragung durch tektonische Prozesse wie die Bildung oder den Zerfall des Großkontinents Rodinia verursacht wurde, oder ob die fast globale Vergletscherung während der „Schneeball Erde„-Phase vor gut 700 Millionen Jahren die Gesteinsschichten abschliff.

Spurensuche im Grand Canyon

Jetzt liefern Analysen der „Great Unconformity“ im Grand Canyon neue Hinweise. Für ihre Studie haben Barra Peak von der University of Colorado in Boulder und ihre Kollegen Gesteinsproben von den Rändern der Lücke aus verschiedenen Abschnitten des Grand Canyon mithilfe der Thermochronology untersucht. Bei dieser verrät der Gehalt von Helium in Zirkonkristallen, ob ein Mineral im Laufe seiner Geschichte irgendwann stärker erhitzt wurde.

„Bei Temperaturen von mehr als 220 Grad tritt das Helium aus dem Zirkonkristall aus und diffundiert vollständig“, erklären Pak und ihr Team. „Bei niedrigeren Temperaturen bleibt das aus dem Zerfall von Uran entstandene Helium dagegen im Kristall gefangen.“ Im Prinzip lässt sich mit dieser Methode daher feststellen, wann und ob ein Mineral weit genug an die Oberfläche gelangte, um kühl zu bleiben.

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Kein einheitlicher Prozess

Die Analysen enthüllten Überraschendes: Anders als bislang angenommen geht die große Lücke im Grand Canyon nicht auf ein Ereignis oder eine einheitliche Phase zurück. Stattdessen sind die Schichten im westlichen und östlichen Ende durch verschiedene Prozesse abgetragen worden, obwohl sie nur rund 10 Kilometer auseinander liegen. „Die unterliegenden Gesteine sind kein einheitlicher Block mit der gleichen Temperatur-Geschichte“, sagt Peak.

Stattdessen befand sich das Gestein unter dem westlichen Teil der großen Lücke vor 700 Millionen Jahren an der Erdoberfläche – offenbar war zu dieser Zeit dort die Erosion am Wirken. Die gleichalte Schicht am östlichen Ende des Grand Canyon lag zu diesem Zeitpunkt aber unter einigen Kilometern Sediment. Dort muss die Erosion der fehlenden Ablagerungen demnach zu einem anderen Zeitpunkt stattgefunden haben.

Indizien für die Rodinia-Hypothese

„Unsere Ergebnisse sprechen für eine multiphasische Verwerfung und Erosion im Gebiet des Grand Canyon, die im Laufe einer längeren Zeit zur Entstehung der Great Unconformity beigetragen haben“, berichten Peak und ihr Team. Ihrer Ansicht nach muss es damals mehrere von kleinräumigen tektonischen Prozessen ausgelöste Erosionsereignisse gegeben haben. Diese Muster legen als Auslöser eher tektonische, regional unterschiedlich ausgeprägte Ursachen nahe als die weltweite Ur-Eiszeit.

Damit bestätigen die neuen Analysen Schlussfolgerungen, die das Team bereits 2019 nach Untersuchungen der Great Unconformity in der Colorado Front Range östlich der Rocky Mountains gezogen hat. Denn auch dort passten die Datierungen der Lücke eher zum Zerfall von Rodinia als zur Gletscherphase des Schneeballs Erde.

Die neuen Resultate erhärten nun den schon damals geäußerten Verdacht, dass die „Große Lücke“ trotz ihrer geografisch weiten Verbreitung eher auf viele regional begrenzte Verwerfungen und Hebungen zurückgeht. Zwar waren sie vermutlich alle mit dem Zerfall des Urkontinents Rodinia verknüpft und bewegten sich daher zeitlich etwa in einem Bereich. Dennoch waren die jeweiligen Auslöser und tektonischen Prozesse vermutlich lokal verschieden. (Geology, 2021; doi: 10.1130/G49116.1)

Quelle: University of Colorado at Boulder

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